Was heute ein alter Zopf ist, war in den frühen 90er-Jahren eine Revolution sondergleichen in der Musikgeschichte. Ein Rapper namens Ice-T, der sich mit diversen Sprechgesangs-Platten bereits einen Namen gemacht hatte, tat sich mit vier Gesinnungsgenossen zusammen und kreuzte fortan Musikstile, die auf den ersten Blick so gar nicht zusammenpassen wollten: Hip Hop, Heavy Metal und Hardcore Punk. Body Count, so der Name der Combo, brachten 1992 ihr gleichnamiges Erstlingswerk auf den Markt und einer ganzen Horde Teenagern – inklusive Frau Feuz – kam dieses Album einer musikalischen Offenbarung gleich.**
Gestern Abend war Ice-T mit seinen Body Count im Z7 in Pratteln zu Gast und halb Bern war vor Ort, um dem Urvater des Crossover zu huldigen. Um es gleich vorneweg zu nehmen: Body Count lieferten eine äusserst tighte Zeitreise ab und was dieser Ice-T an markigen Sprüchen vom Stapel liess, bot höchsten Unterhaltungswert, vorausgesetzt man ist mit pubertärem Humor gesegnet und vermag Klischees und Überspitzem auch Komik abzugewinnen. In der Welt von *Ice-motherfucking-T-bitch haben die Männer noch richtig grosse Eier, an die man sich dann auch gerne mal greift, der Sohn wird nach dem Papa benannt («little Ice»), Polizisten sind Feindbild Nummer eins und über die Rollen, welche Frauen in den Texten zu Teil wird, wollen wir erst gar nicht reden. Damen waren gestern denn auch relativ wenige anwesend in diesem Z7 – auf 20 Herren etwa eine – was aber ein gängiges Phänomen ist bei Konzerten der nicht geraden filigranen Gangart.
Natürlich ist ein Body Count-Konzert aus erzieherischer Sicht höchst fragwürdig und die Sprache der Herren Niggas* versetzt jede Englisch-Lehrerin in augenblickliche Schockstarre. Aber das anachronistische Weltbild, welches da transportiert wird, und die Überzeichnung der Böse-Buben-Rolle ist einerseits höchst amüsant und hat andererseits auch etwas Wohltuendes, weil die Welt hier noch eine überschaubare und klar unterteilbare ist. Zudem beweist Herr Ice-motherfucking-T-bitch ja durchaus auch Selbstironie, etwa wenn er sich zu den grossen weltpolitischen Geschehnissen äussert («Obama? Nigga didn’t call me») oder einem 16-jährigen Konzertbesucher in der Rolle des «Onkel Ice» Lebensweisheiten mit auf den Weg gibt. Und auch wenn es im Zeitalter von Alles-Fusion keine Neuheit mehr sein mag, so ist die brettharte Gitarren-Sprechgesang-Kreuzung von Body Count doch nach wie vor eine äusserst druckvolle, wuchtige, monumentale und wütende und deswegen auch richtig vergnügliche.
*Sie verzeihen die Wortwahl, werte Leserschaft, aber die Herren nennen sich selber so.
** Das Crossover-Standard-Werk, das in jede gut sortierte Stromgitarren-Plattensammlung gehört, weil sich darauf einmalige Kolaborationen von Metal- mit Hip-Hop-Bands finden, ist der Filmsoundtrack von Judgment Night. Grossartiger Soundtrack – unglaublich schlechter Film!
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Yep. Und aber fantastisch, wie Songs wie “Another Body Murdered” immer noch funktionieren.
Mein pupertärer Humor ist mit fast 40 noch nahezu vollständig intakt. Hach, was für ein Konzert damals im Stufenbau. Und nun hab ich dieses verpasst.
Mal die alte CD hervorkramen :-)
Ach wie fühlten wir uns damals stark im Stufenbau, copkiller!!!
Super Konzert! Bin schwer beeindruckt von der Intensität der Songs, dem fetten Sound, der Attitüde und der Kondition der Zuschauer und der Leidensfähigkeit meiner Ellenbogen und Schienbeine… Selbst die mächtigen SLAYER würden anerkennend nicken müssen. Bands dieser Art repräsentieren das einzig wahre Konzerterlebnis, dass man heutzutage noch finden kann. Hat meiner Meinung nach nichts mit Anachronismus zu tun und sollte man auch nicht als blosses “schwelgen in Jugenderinnerungen” abtun. Diese Leute wissen einfach wie man eine Show auf die Beine stellt, ohne mit irgendwelchem Firlefanz aufwarten zu müssen! THANKS FOR THE SHOW, DUDES!!! YOU MOTHERF***** ROCK!