Von einem Taxi wird man abgeholt, mit Material ausgerüstet und seinem Schicksal überlassen. So beginnt die Soundinstallation «Unterland» der Künstlergruppe Surround (Séverine Urwyler, Lukas Sander) im Rahmen der Biennale Bern. Was einen nachher erwartet, ist keine Geisterbahn, aber eine alle Sinne reizende, im besten Sinne herausfordernde und anregende Installation der seltenen Art.
Zuviel soll nicht verraten sein, aber wer sich durch die neblige Installation bewegt, merkt schnell: Hier wurde mit viel Liebe zum Detail gearbeitet! Überall wächst und gedeiht etwas und ständig ist man dabei, neue Kleinigkeiten zu entdecken. Wenn man denn überhaupt etwas sehen kann. Mit der eingeschränkten Sicht spielt die Installation genauso, wie mit dem überall gleichmässig im Raum verteilten Sound (Christian Berkes). Die akustischen Reize sind an die spezielle Architektur der Räumlichkeiten angepasst und ergeben zusammen mit den eigenen Bewegungen im Raum eine sich ständig verändernde Sound-Kulisse ab.
Darüber, was man hört, kann man allerdings nicht entscheiden. Von den akustischen Eindrücken wird man überrumpelt. Sie lassen erschrecken, Vorsicht wahren, einen ausgeliefert und klein wirken. Erst mit der allmählichen Erkundung des Raums nimmt auch die Musik an Lautstärke ab – kleine Verschiebungen ergeben sich – und das Gehör gewöhnt sich an die dumpfen Klänge.
«Unterland» spielt nicht nur mit der räumlichen Orientierungslosigkeit, sondern auch mit zeitlichen Überlagerungen. Die Gegenstände und der ganze Raum wirken mit rostigen Ketten und verstaubten Flaschen und schlammigem Boden höchst antiquiert, vergammelt und vergangen. Die grünen Substanzen hingegen wie Anzeichen einer futuristischen Atomkatastrophe. Assoziationen zu einem möglichen zukünftigen Weltuntergangsszenario, bei dem sich die ganze Menschheit (oder nur die Schweiz?) in die Bunkerwelt zurückzieht, kommen auf. Irgendwie gefangen in diesem Raum-Zeit-Kontinuum tapst man mehr blind als sehend durch, ja durch was denn eigentlich?
Weil zwar mit Liebe zum Detail, aber nicht mit Liebe zum Prahlen gearbeitet wurde, bleibt die Installation wunderbar offen für eigene Inhalte. Wo kommen die Fussspuren her? Haben hier Menschen gewohnt? Solche Fragen werden nie bestätigt, bleiben aber virulent. Das Kopfkino fährt Geisterbahn.
«Unterland» läuft noch bis 20. September, diverse Zeiten. Reservation erforderlich unter 031 311 40 55. Treffpunkt: Endhaltestellt Bus 12 Zentrum Paul Klee.
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