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Facebookisierung der Kultur?

Roland Fischer am Donnerstag den 24. Januar 2013

Wir klopfen uns sozialmedial auf die Schultern: 500 Facebook-Likes, merci bestens! Man kann nun natürlich fragen, was so eine Zahl überhaupt zu bedeuten hat, beziehungsweise, ob das ziemlich belanglos oder ein Grund zum Feiern oder vielleicht ein Grund für Kulturpessimismus ist.

Also, aus aktuellem Anlass ein paar Gedanken zu Facebook und Kultur. Es ist schon ein geflügeltes Wort: Die Facebookisierung – wahlweise der Arbeitswelt, der Wirtschaft oder überhaupt der Gesellschaft. Interessanterweise wird das in der Kultur noch nicht so ausführlich besprochen, dabei hat Facebook als wohl prominentester Ausdruck des Aufmerksamkeitswettbewerb durchaus einen Einfluss auf die Art und Weise wie Kultur rezipiert – und damit wohl auch: wie Kultur gemacht wird.

Im Internet ist es ja schon normal, dass wir kulturelle Erzeugnisse im Eiltempo, gewissermassen im Vorbeigehen, beurteilen. Aber streifen wir nicht längst auch schon mit dieser I-Like-Haltung durch die Museen? Gut, es kommt einem dabei auch der Rezensions-Urgestein Reich-Ranicki in den Sinn, der Bücher nach nicht mal einer Seite in das Like/Dislike-Schema sortierte («wenn die ersten zwanzig Zeilen schlecht sind, ist das ganze Buch schlecht»), so neu ist das also nicht. Trotzdem, gerade in der bildenden Kunst scheint eine Ästhetik im Aufwind, die auf rasche Urteile schielt, auf ein Abholen des Betrachters – oder eben nicht (auch nicht so schlimm, die nächste Bildidee kommt bald). Man müsste es richtigerweise wohl eher die Tumblrisierung der Kunst nennen, ein ewiger, mal hierhin, mal dorthin gelenkter Bilderstrom, mit immer exakt vermessener Durchflussmenge.

Übrigens, für alle, denen die Zahlengläubigkeit in der Digitalwelt auf die Nerven geht: Es gibt ein hübsches kleines Plugin, das Facebook demetrisiert – alle Zahlen verschwinden kurzerhand. Die Aktivisten, die sowas aushecken und programmieren, verstehen sich durchaus auch als Künstler, und insofern wäre das dann noch ein ganz anderer Effekt der Facebookisierung: Dass nämlich eine ganz neue Kunstrichtung entstanden ist, die Gesellschaftskritik im wohl bald grössten Land der Welt betreibt.

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