Wenn ich an meine kulturellen Highlights 2012 denke, springen mir als erstes einige Erinnerungen aus dem Ausland in den Kopf. Wie Herr Sartorius, hatte auch ich einen tollen Festivalsommer – allerdings einen Theaterfestivalsommer. Unvergessliche vier Tage verbrachte ich in der estnischen Kleinstadt Rakvere an einem der aussergewöhnlichsten europäischen Theaterfestivals mit Zelten auf der Wiese hinter dem Theater, beinahe weissen Nächten und viel gutem Theater. Das zweite Festivalhighlight folgte im November in Helsinki, wo ich lernte, dass Kaurismäki nur die halbe Wahrheit zeigt und mit Finnen einen paar lustige und gesprächige Tage verbrachte.
Ein weiterer unvergesslicher Moment war die 24-stündige Inszenierung von «Unendlicher Spass» in Berlin. Mit Bussen wurde man von Aufführungsort zu Aufführungsort, von Kapitel zu Kapitel durch Berlins Westen gekarrt. Zwölf RegisseurInnen oder Gruppen zeigten an undenkbaren Orten wie in der alten NSA-Anlage auf dem Teufelsberg, im leerstehenden Keller eines Krankenhauses oder im Finanzamt Reinickendorf ihre Assoziationen zu diesem Monstrum eines Buches. Unvergesslich war dieser Spass vor allem deshalb, weil die Dramaturgie die Tageszeiten und die körperliche und geistige Verfassung der Zuschauenden perfekt einkalkulierte.
In den heimischen Gefilden hab ich wenig Herausragendes erlebt. Das Theater in Bern bewegte sich ganz generell gesehen oft im guten Mittelfeld. Manchmal amüsierte man sich ganz gut oder entdeckte den einen oder andern Performer, aber wenig davon bleibt Monate später – inhaltlich oder formal – noch hängen. Fehlt es in Bern an herausragenden Gruppen? An inspirierenden Räumen? An geeigneten Förderungsstrukturen? Da machte die «research residency» von Sweet&Tender im Sommer in der Dampfzentrale Mut. Ich erhielt zwar nur von aussen einen Einblick, aber was dann an kollektivem Denken, Netzwerken und Rumspinnen geschah, war beeindruckend und gibt Hoffnung auf frischen Wind. Hoffentlich hinterlässt dieses internationale Sommercamp seine Spuren in Bern.
Ferner liegen in meinem Korb der Jahreshöhepunkte zwei Solokonzerte von Manuel Stahlberger im Kairo und seine CD «Innerorts». Wer so bedeutungsvoll lustig sein kann, ohne dabei auch nur ein Quäntchen moralistisch oder sauglatt zu wirken, sollte eigentlich in viel grösseren Sälen spielen. Unser Glück, dass er das nicht (nur) tut.
Und das beste Buch 2012? Das beste Buch des Jahres war zweifellos Wolfgang Herrndorfs «Sand», aber davon hab ich schon hier berichtet.
« Zur Übersicht
Ich durfte gestern endlich mein neues Lieblingsbuch «Tschick» lesen, jetzt gehts nochmals integral an den «Sand».