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Enthusiasmus in Moll

Nicolette Kretz am Dienstag den 11. Dezember 2012

Wenn einer gefühlte fünfzigmal in einer Show sagt, er sei ein «musical genius» oder ein «virtuoso», muss das einen stutzig machen. Wenn er das dann aber selbst mit (selbstverständlich wiederholt gerapptem) «I call myself musical genius but I repeat it until it becomes meaningless» entlarvt, sind wir wieder im grünen Bereich. Dies ist exemplarisch für das brillante dramaturgische Geschick, das Chilly Gonzales gestern in der proppenvollen Basler Kaserne bewies. Ob er nun ein musikalisches Genie ist, kann debattiert werden, aber zweifellos ist er ein grandioser Entertainer.

Kennt man sein neustes Album «Solo Piano 2», so stellt man sich bei der gleichnamigen Tournee auf ein eher ruhiges, fast schon melancholisches Klavierkonzert ein. Nach zwei Stücken biegt Gonzales aber ab in eine fulminante One-Man-Show irgendwo zwischen humorvoller Musikvermittlung, Spokenword-Show und Gig. Er erklärt, dass die Konzertversionen wenig mit den Stücken auf dem Album zu tun hätten, da er im Studio bewusst neutraler spiele, um emotionale Leerstellen zu lassen, die der Hörer dann selbst fülle. Das kann eine faule Ausrede sein, nimmt man ihm aber insofern ab, als klar wird, dass  Studiotage für diese Rampensau wohl eher eine Qual sein müssen. Da ist es nur konsequent, dass das Live-Erlebnis auch für die Zuschauer einen erheblichen Mehrwert bieten muss.

So erklärt er in der Show zum Beispiel, was ein Arpeggio ist und kann, und spielt zur Illustration Glen Millers «In The Mood» ohne Arpeggien – eine langsame Folge pathetisch gegriffener Akkorde. Oder er erläutert, dass Dur konservativ, ja gar «right-wing» sei (nicht zuletzt, weil man auf der Klaviertastatur, um aus dem offenen Akkord einen Dur-Akkord zu machen, für den dritten Ton mit dem Finger leicht nach rechts gehen müsse, während der dritte Ton für den Moll-Akkord leicht links davon liege). Im Gegensatz dazu sei Moll progressiv, gar revolutionär. Ihm gefalle Moll grundsätzlich besser und er zeigt uns mit Moll-Versionen von Alltags-Hits wie «Happy Birthday», «Bruder Jakob» oder «Chariots of Fire» wieso.

Bloss beim wiederholten Zuschauer auf die Bühne holen wird der Abend ein bisschen zur Kinderparty. Aber Gonzales rettet uns mit seiner Bühnenkompetenz und Souveränität auch aus diesem Abgrund, gleicht mit intelligenten Rhymes und unglaublicher musikalischer Vielseitigkeit wieder aus und beweist den ganzen Abend lang, dass er für alles, was er persifliert und verwurstelt gleichzeitig einen grossen Respekt hat. Ein Abend, dessen Enthusiasmus noch lange nachhallt!

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Ein Kommentar zu “Enthusiasmus in Moll”