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Doktor Thomas Schiwago-Bernhard

Grazia Pergoletti am Donnerstag den 13. November 2008

Christine Lavant wurde 1915 als Tochter eines Bergarbeiters im Lavanttal in Kärnten geboren, war mit Thomas Bernhard und weiteren Berühmtheiten eng befreundet und hatte offenbar auch sonst nicht gerade viel zu lachen, obwohl sie als Literatin mehrere Auszeichnungen erhielt. Ihre Aufzeichnungen aus einem Irrenhaus waren ursprünglich nicht für die Öffentlichkeit gedacht. Aus den wiederentdeckten Texten hat die Truppe Label Beiruth aus Zürich nun einen Theaterabend geformt.

Textlich sehr genau gearbeitet, wird einem die Geschichte einer hochbegabten 19-jährigen erzählt, die sich freiwillig in ein Irrenhaus einweisen lässt, womöglich nur um ihrer grossen Liebe, dem Oberarzt, nahe zu sein. Sehr witzig, wie der Musiker Paed Conca diese einseitigen Liebesszenen mit dem Thema aus Doktor Schiwago unterlegt.

Ein bisschen mehr dieser Ironie täte dem Abend gut, vor allem da die Schauspielerin Ruth Schwegler als Königin des Schalks weitherum bekannt ist. Sie, wie auch Suna Baldinger, ebenfalls beeindruckend exakt agierend, schienen an der Première etwas im engen Korsett der Inszenierung von Bodo Krumwiede gefangen zu sein. Das kann an einem anderen Abend womöglich anders sein, das Publikum spielt schliesslich auch immer mit.

Eine Literatin, eine Geschichte und ein Leben, die auf jeden Fall zu entdecken lohnen. Im TOJO Theater, bis Samstag, jeweils 20.30 Uhr.

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23 Kommentare zu “Doktor Thomas Schiwago-Bernhard”

  1. Fred sagt:

    Sie scheinen Thomas Bernhard nicht gerade zu verehren, werte Signora?

    Wie war denn der Text der Dame Lavant? Sie soll ja eine grossartige Dichterin gewesen sein.

  2. signora pergoletti sagt:

    richtig erkannt, werter fred. bei aller hochachtung vor bernhards können mag ich seinen blick auf die menschen nicht so richtig. da ziehe ich horvàth vor, der ist auf seine weise auch bös, aber nicht bitter.

    die dichtung von frau lavant kenne ich nicht. der text gestern war interessant und es gab auch immerwieder funkelnd schöne sätze. trotzdem hatte ich jetzt nicht das gefühl, dass ich diese dame ums verrecken hätte persönlich kennenlernen wollen. aber schon bemerkenswert, absolut!

  3. Herr Sartorius sagt:

    Zum Bernhard-Bild korrigieren sei «Wittgensteins Neffe» herzlich empfohlen, ein sehr schöner Text über Bernhards Freundschaft mit Paul Wittgenstein.

  4. signora pergoletti sagt:

    übrigens meine ich mit “das publikum spielt auch immer mit” selbstverständlich NICHT, dass irgendjemand auf die Bühne gebeten wird. gott bewahre. ich meine damit, das publikum spielt als solches eine rolle, bei jeder aufführung.

  5. signora pergoletti sagt:

    nehm ich mir zu herzen, werter herr sartorius. ich kenne bloss seine stücke und auch von diesen nicht viele. eine gewisse burgtheater-allergie spielt bei meiner ablehnung sicher auch mit.

  6. Herr Sartorius sagt:

    burgtheater-allergie

    Die hat Herr Bernhard auch, vor allem gegen die dort agierenden Schauspieler («diese Burgtheaterprostituierte»), die dem Publikum «das schlechteste aller schlechten Theater» vorsetzen. Die Burgtheater-Tirade geht über mindestens vier atemlose Seiten…

  7. signora pergoletti sagt:

    mhm. ich mag theaterautoren nicht besonders, die schauspieler hassen. nicht wenige autoren halten sich für etwas viel besseres, als die schauspieler. wenn ein autor das theater hasst und trotzdem fürs theater schreibt, wie das übrigens auch heute viele junge autoren tun, dann nehme ich an, es geht ihm rein um geld und öffentlichkeit.

    komischerweise haftet dem schauspielerberuf immer noch etwas zweifelhaftes an, diese tiraden, wie oberflächlich, egozentrisch und laut die schauspieler im allgemeinen seien, hört man oft. ich halte nicht viel davon. schauspieler sind okay. und sie sind definitiv nicht diejenigen, die an den theatern druck und macht ausüben.

    bernhards tirade übers burgtheater ist extrem amüsant, allzu ernst kann ich sie aber nicht nehmen.

  8. Herr Sartorius sagt:

    Allzu ernst sollte man diese Stelle auch nicht nehmen, wie auch die Bernhard-Lektüre nebst allen Grausamkeiten auch sehr komisch ist, im Gegensatz jetzt mal zur Jelinek.

  9. signora pergoletti sagt:

    die Bernhard-Lektüre nebst allen Grausamkeiten auch sehr komisch ist

    Da haben Sie natürlich völlig recht, aber was Jelinek angeht bin ich komplett anderer Meinung: Jelinek hat extrem viel Humor! Einen pechschwarzen, zugegeben, aber viel davon! Habe das auch erst entdeckt, als ich mich mit dem Sportstück intensiv auseinandersetzte. Glauben Sie mir, Frau Jelinek kann hochkomisch sein! Leider wird das in den Inszenierungen meist nicht herausgearbeitet.

    Was ich da oben rummonierte ging auch nicht in erster Linie Herrn Bernhard an, ist eher etwas, worüber ich ganz allgemein ein paar mal nachdachte.

  10. Herr Sartorius sagt:

    Dann werde ich’s dann doch noch einmal mit einem Jelinek-Buch versuchen…

    So, das Kino ruft nun.

  11. signora pergoletti sagt:

    Das ist zum Beispiel etwas schönes am Schauspielerdasein: Ich MUSSTE mich nochmals eingehend mit Jelinek befassen, trotz meiner jahrelangen Abneigung. Und siehe da, es wurde Liebe daraus. Was nicht unbedingt heisst, dass ich mit Elfie und ihrer Mutter eine WG aufmachen möchte…

    Viel Spass im Kino!

  12. Eeler sagt:

    Werte Signora,

    wer sind denn die vielen jungen Autoren, die für das Theater schreiben, obwohl sie das Theater hassen? Könnten Sie da vielleicht etwas konkreter werden? Gern auch in Bezug auf die nicht wenigen Autoren, die sich für etwas besseres halten als die Schauspieler. Danke.

  13. signora pergoletti sagt:

    kann ich, muss ich aber nicht, werteR eeler :) ich habe kein interesse daran, leute persönlich anzugreifen, mir geht es um die wahrnehmung eines phänomens.

    das theater verfügt über eine gute infrastruktur und über geld, ich verstehe sogar, dass junge autoren gerne für das theater schreiben, obwohl sie sich eigentlich nicht dafür interessieren.

    zum beispiel sehe ich ausser nicolette kretz und ariane von graffenried selten eineN der berner autorInnen im theater, es sei denn, es ist von ihnen selbst geschrieben. vielleicht haben sie einfach zuviel zu tun. aber manchmal finde ich schon, dass das interesse daran, was die anderen machen erschreckend klein ist. unter schauspielerInnen ist das wirklich anders: es gehört einfach dazu, sich anzusehen, was die kollegInnen machen.

    äusserungen, wie diese von bernhard in der anti-burgtheater-tirade gibt es zuhauf ganz offiziell. war schon immer ein bisschen in mode, über schauspieler zu schimpfen. und klar, letztlich ist das auch einfach unterhaltsam.

    mich persönlich hat zum beispiel in jüngster zeit die aussage von theaterautorin marianne freidig im kleinen bund geärgert, wo sie sich empört über extrovertierte schauspielerInnen äusserte.

  14. s.p.- p.s. sagt:

    oh und matto kämpf habe ich vergessen, der sieht sich auch vieles an. der ist aber auch regisseur.

  15. und noch dies: sagt:

    in deutschland gibt es seit einiger zeit einen richtigen uraufführungswahn. das hat dazu geführt, dass öfters texte von jungen autorInnen aufgeführt werden, die vielleicht literarisch sogar ganz toll sind, aber für die bühne untauglich, weil nicht spielbar. das würde seltener vorkommen, wenn man diese jungen autorInnen erst mal mit dem theater an sich bekannt machen würde, bevor man gleich stückaufträge verteilt.

    so, jetzt aber klappe zu, pergoletti :)

  16. Eeler sagt:

    Schade, werte Signora, so bleibt es halt ein bisschen pauschal und das von Ihnen wahrgenommene Phänomen auch ein bisschen unscharf, finde ich.
    Auch den Theaterbesuch in Bern zum Kriterium zu machen, finde ich ein bisschen heikel, zumal AutorInnen wie Stefanie Grob, Gerhard Meister, Reto Finger oder aber auch Lukas Bärfuss, die ja gern als Berner Autoren apostrophiert werden, nicht wirklich in Bern wohnen.
    Auch der Vegrleich mit den SchauspielerInnen hinkt meiner Meinung nach ein wenig, oder ich frage mich da zumindest, ob das entsprechende Vergleichskriterium für AutorInnen hier nicht erst mal wäre, die Stücke der KollegInnen zu lesen, wwas halt und in der Regel kein öffentlicher Vorgang ist.
    Das Statement von Frau Freidig habe ich leider nicht gelesen, aber aus ihrer Beschreibung klingt es in etwa so, als wie wenn sich SchauspielerInnen über Texte beschweren, die sich nicht sprechen liessen.
    Aber bevor jetzt ein falscher Eindruck entsteht, es geht mir keineswegs drum, irgendwie AutorInnen gegen SchauspielerInnen auszuspielen, überhaupt nicht.

  17. signora pergoletti sagt:

    nun, vielleicht hilft ihnen mein letztes statement, ein etwas schärferes bild zu erhalten. es ist eine tatsache, dass zur zeit mehr neue autorInnen auf die bühne gebracht werden, als je. das ist grundsätzlich gut, aber es ist auch eine tatsache, dass ein guter teil dieser autorinnen keinen grossen bezug zum theater hat. das schadet dem theater, finde ich.

    meister, grob, bärfuss und finger gehören zu denen, die ich als sehr verbunden mit dem theater erlebe. ich weiss, dass sie nicht in bern wohnen und habe sie deswegen nicht dazugezählt. ausserdem gehe ich nicht nur in bern ins theater.

    und ich bin der meinung, dass es sehr wohl gut wäre, als autorIn theatertexte aufgeführt zu erleben, anstatt sie “nur” zu lesen. theater ist eine gemeinschaftsarbeit. z.b. bärfuss wie meister haben sich für theater interessiert, bevor sie das erste stück geschrieben haben. das hilft, wenn sie mich fragen.

  18. signora pergoletti sagt:

    übrigens, werter eeler – sie scheinen ja vom fach zu sein: ist ihnen der autor olivier chiacchiari aus genf schon begegnet? das stadttheater hat ein kurzstück von ihm gezeigt, ich selbst spiele grade im rahmen vom prima-drama-autorenförderprojekt die tragikomödie “mutter und kind sind wohlauf” von ihm.

    köstlich! ein fest für die darsteller! ob der ins theater geht weiss ich übrigens nicht

  19. Eeler sagt:

    Danke für den Tipp, werte Signora, habe das Kurzstück von Olivier Chiacchiari in Bern gesehen, hat mich allerdings nicht so angesprochen, wobei das schtätzungsweise auch geschmäcklerische Gründe hatte.
    Und mit “für die bühne untauglich, weil nicht spielbar” tun Sie ja wieder ein weites Feld auf …
    So oder so aber gehen wir schon d’accord in Sachen Theaternähe schadet AutorInnen nicht.

  20. signora pergoletti sagt:

    ein sehr weites feld, richtig… ich bin die erste, die verzweifelt, wenn meine schauspielkollegen glauben, in der ersten probe kurz mal den ganzen text umschreiben zu müssen, weil ihnen “die sätze nicht gut im mund liegen” und so schmarrn. das ist dann natürlich manchmal die andere, nicht minder nervige seite.

  21. signora pergoletti sagt:

    entschuldigen sie übrigens meine kleinschreibung, señor eeler ;-)

  22. Licht sagt:

    Es gibt keine Feinde mehr.
    Oder war das anders rum?

  23. Peter sagt:

    Kann man natürlich, wertes Licht, das ganze unter dem Gesichtspunkt Markenting anschauen.