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Urbane Kunst

christian pauli am Dienstag den 4. Dezember 2007

Viel Kunst an der Speichergasse

Die Speichergasse führt vom Bollwerk zum Waisenhausplatz. Städtebaulich gesehen durchzieht sie die Neuzeit, das Viertel zwischen Bahnhof und Altstadt, geprägt von grossen Verwaltungsgebäuden. Richtig viel Verkehr hats hier, dank Reitschule und Anlaufstelle Contact einigen sozialen Sprengstoff und seit neuestem auch reichlich Kunst: Kunstmuseum, Progr, Stadtgelerie. Dazu kommen neuerdings auch zwei Galerien.

Am 10. Januar 2008 eröffnet Marks Blond, welche bisher mit Ausstellungen in einem ehemaligen Kiosk in der Länggasse bekannt wurden, einen «New Space» genannten neuen Standort an der Speichergasse 8. Gleich daneben, an der Ecke Speicher- und Genfergasse befindet sich seit zwei Jahren die Galerie Bischoff und Partner.

Wenn die Galerien kommen, müssen die Künstler bald wieder wegziehen, weil sie die hohen Mietpreise nicht mehr berappen können. Das ist der Preis der Hipness, wie er in Grossstädten bezahlt wird. Nicht so in der kleinen Stadt Bern. Zwischen Bollwerk und Waisenhaus hats gar keine Künstler, aber viele Junkies, Untersuchungshäftlinge, Betreibungsbeamte, Demonstranten und Gerichtsjuristen. Hier an der Speichergasse also ist der urbanste Ort von Bern.

Applaus: Endlich fasst die private Kunstvermittlung – oder nennen Sie es Business – auch ausserhalb der Altstadt Fuss. Vielleicht wird sogar der bizarre Kleeplatz, der zwischen Amthaus und Lorrainebrücke ein tristes Leben fristet, dereinst seinem Namen gerecht.

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9 Kommentare zu “Urbane Kunst”

  1. Frau Götti sagt:

    Sehr schön, Herr Pauli, ganz meine Meinung. Nur die Nutten fehlen in der Ecke noch für den letzten Rest ganz echter Urbanität.

  2. zuffi sagt:

    Entschuldigen Sie, wenn ich unterbreche, aber ich schulde dies Herrn JBIII noch aus einem alten Beitrag.

    Herr JBIII, Sie schrieben, dass man als Musiker einfach zu unterhalten hat. Da bin ich anderer Meinung. Mein Verständnis von Musik beinhaltet auch, dass mich Musik gerne herausfordern, mich zuweilen verstören und ratlos stehen lassen darf. Ich glaube, dass es sehr viele Musiker gibt, die nicht auf den Geschmack der Leute zielen, sondern einfach das machen, was sie für nötig und richtig halten.
    Musik, die absichtlich auf Unterhalten getrimmt ist, ist furchtbar.
    Vielleicht habe ich Sie etwas falsch verstanden, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Leute wie ein Bob Dylan nur Unterhaltung im Kopf haben, wenn sie einen Song schreiben/aufnehmen/spielen.

  3. passiver attacker sagt:

    “sondern einfach das machen, was sie für nötig und richtig halten.”
    klingt nach onanaie, irgendwie.

  4. JBIII sagt:

    Heute habe ich dafür leider schrecklich wenig Zeit, Herr Zuffi, darum nur (sehr) kurz jetzt.
    Natürlich sind Sie nicht einverstanden, Herr Zuffi, Sie sind ja auch noch nicht “im Alter”, ein Einverstanden von Ihnen hätte mich sehr enttäuscht.
    Sie schreiben “nur Unterhalten”, aber davon war nicht die Rede bei mir.
    Nicht “nur”, aber “vor allem” ist vielleicht besser, und zwar nicht für jede Sparte Musik. Folk habe ich sehr bewusst rausgelassen aus meiner Auflistung (die wollen vor allem predigen, aber benützen sehr sicher auch Unterhaltungsmechanismen, sonst hört ja kein Schwein zu), Jazz als Ganze auch, ich habe mich auf den Bebop beschränkt.
    Aber auch Schockwirkung, verstören oder ratlos stehen lassen des Zuffis zum Beispiel gehören durchaus auch zum Stilmittel der anspruchsvollen Unterhaltung (ein schrecklicher Ausdruck, aber sehr sinnvoll in dieser Diskussion), darum kann man den Punk z.B. auch nicht ganz ausschliessen aus der Unterhaltungsmusik, aber auch nicht ganz einschliessen. Die Ramones spielten aber z.B. Unterhaltungsmusik in seiner reinsten Form.

    Ich habe mit meiner Bemerkung (“So bald man im Alter bemerkt hat das man eigentlich als Musiker zu unterhalten hat findet einem das Glück ziemlich rasch”) ein sehr persönliches Statement gemacht, es geht da mehr um mein persönliches Glücksgefühl das ich heutzutage “im Alter” empfinde seit ich bewusst und gezielt Unterhaltungsmusik spiele, und weniger um den Anspruch das man unterhalten “muss”. Das muss halt jeder für sich wissen.

    Und nein, ich bin nicht einverstanden das Musik die auf Unterhalten getrimmt ist nur schrecklich ist.
    Unterhalten ist wirklich nicht gleich “pleasen” (sorry, finde kein besseres Wort), wirklich nicht.

    Ich muss wirklich, keine Zeit, bin schrecklich unzufrieden mit dieser Eintrag, sehr unfertig und schlecht ausgedruckt, drucke aber trotzdem den OK-Taste, Herr Zuffi. Nicht das Sie denn denken, ich versuche mich die Diskussion zu entziehen, das wäre mir furchtbar peinlich.

  5. klimperer sagt:

    …ich glaube, als musiker stellt man sich die frage gar nicht erst. man spielt. dann überlegt man sich, ob das noch jemandem gefallen könnte und wenn die nachbaren einem nicht die polizei auf den hals hetzen, besteht durchaus eine chance, die gespielte sache an die öffentlichkeit zu bringen. erst jetzt wird kommerziell gedacht. aber oft gar nicht vom musiker selber, sondern von all den beratern und firmen, die um ihn tanzen.

    ein maler malt, weil er muss. der musiker must, weil er muss. der politiker poltert weil er muss. das ist einfach in den dingen drin. der erfolg kommt später. wie immer – aber auch, weil er muss.

  6. HerrC sagt:

    Hier an der Speichergasse also ist der urbanste Ort von Bern.
    Abhängige, Juristen, Beamte und Demonstranten = “Urban” ? Na das finde ich doch mal eine Interessante Sichtweise ;-)

    Ich finde Bern übriges generell recht angenehm “städtisch”; im Bezug auf die (Bebauungs-) Dichte, das Kulturelle und kulinarische Angebot.
    Ja klar, nicht grosstädisch wie eine “richtige”, grosse Stadt (Paris, London, Barcelona etc..) aber trotzdem völlig angemessen!

    Zum Thema:
    Ich wünsche den zig Galerien viel Glück! Sie können es brauchen…

  7. zuffi sagt:

    Wusst ich doch, dass ich Sie etwas falsch verstanden habe (und Ihre ersten Kommentare vielleicht etwas weniger differenziert waren), Herr JBIII.
    Denn wenn Sie “Unterhaltung” so definieren, dass all das Geschocke, Ratlosmachen, Rumpunken und Wasauchimmernochmehr Platz hat, bin ich auch mit Ihnen einverstanden.

    Wie Herr klimperer so schön schreibt, denke ich auch, dass man als Musiker im Normalfall nicht zuerst überlegt, was denn gerade so im Trend liegt und dann das spielt. Leider gibt’s das auch, klar, aber da spielen dann auch Mechanismen der Musikindustrie mit.

    Und nein, somit ist längst nicht alle Unterhaltungsmusik (nach JBIII definiert) schrecklich.

    Da bin ich aber froh, es hätte mich sonst schwer überrascht von Ihnen, dass Sie sowas schreiben und denken.
    Ich bin auch nur selten zufrieden vor dem OK-Klick bei solchen ausfürhlicheren Kommentaren und Diskussionen, schon nur, weil man so Absatz um Absatz abarbeiten muss und die Zeit ja eigentlich immer zu knapp ist.

  8. edvard kunzt sagt:

    Der neue Mensch hät folgende Rede an seiner Jünger und Zuhörer: Suchet euch einen Mittelpunkt für euer Leben und beginnet wieder and die großen Eigenschaften der Heiden zu glauben. Wo is euer Plutarch, aus dem ihr lernen könnt, was es heißt für geistige Dinge zu sterben? Warum rührt es euch nicht zu Tränen, wenn ihr von den Märtyrern lest, die sich für ihre Überzeugung rädern ließen – warum habt ihr keinen Begriff von der Schönheit und dem Mut einer Jeanne d’Arc, warum fallt ihr nicht auf dem belebten Platz auf die Knie wie Easkolnikow und schreit: Herr, Herr, schaue auf mich herab, ich bin ein sündiger Mensch. Ihr habt kein Verhältnis zu den Dingen, ihr seht über die kleinen Dinge hinweg zu großen fiktiven Bergen – ihr sucht den Heiland in aller Welt und denkt nicht an euererz, das in ängstlicher Brust der Erlösung entgegenschlägt. Warum denkt ihr nicht an den Tod – jenen großen allmächtigen Tod, den Tod der spanischen Stierarena, den Tod der antiken Relife, den Tod der Cholera und Beulenpest – warum denkt ihr nicht an ihn, der die Glieder auseinanderreißt und die Familienmitglieder in Mordsucht aufeinanderhetzt? Warum denkt ihr an nichts, wasdie Welt groß und fruchtbar macht? Wie? Seid ihr nicht klüger als der kleinste Medizinstudent und naturwissenschaftliche Figurant, der eine physiologische Angelegenheit aus dem Leben der heiligen Mutter macht? Der neue Mensch weiß den Tod zu fürchten um des ewigen Lebens willen; denn er will seiner Geistigkeit ein Monument setzen, er hat Ehre im Leib, er denkt edeler als ihr. Er denkt: Malo libertatem quam otium servitium. Er denkt: Alles soll leben – aber einse muß aufhören – der Bürger, der Dicksack, Der Freßhans, das Mastschwein der Geistigkeit, der Türhüter aller Jämmerlichkeiten.

  9. chri sagt:

    marks blond in biel zu gast….