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Brutal lustig

Grazia Pergoletti am Montag den 22. Januar 2007

Helge SchneiderDie Vorstellung von Dani Levys neuem Streifen «Mein Führer» gestern um 18.30h war eher dürftig besucht. Ein Indiz dafür, welche Macht die Kritik eben doch hat, oder einfach Zufall.

Als echter Levy-Fan hatte ich schon etwas Angst, enttäuscht zu werden. Oder gar peinlich berührt. Aber nichts davon! Dieser Film ist weder harmlos, noch verharmlosend, er hat bei mir null falsches Mitgefühl hervorgerufen, hingegen fand ich ihn wirklich sehr komisch und herausragend gespielt.

Natürlich ist es recht gewagt, Hitler als Produkt einer unglücklichen Kindheit zu zeigen. Doch wird diese These immer wieder ironisch gebrochen, so dass weder falsche Sentimentalität noch unangebrachtes Pathos aufkommen. Sehr wohltuend.

Helge Schneider ist schwer beeindruckend – hätte ich ehrlich gesagt so nicht erwartet! Auch Ulrich Mühe als jüdischer Schauspiellehrer Grünbaum und Sylvester Groth als Goebbels sind eine Wucht. Nicht zu vergessen der Berner Stefan Kurt in der Rolle eines zärtelnden Hitler-Verehrers.

Im Zusammenhang mit der Aufführung der israelischen Tragikomödie «Sieh mich an und sprich» am Stadttheater wurde auch heftig darüber diskutiert, ob man über diese Art der Verarbeitung lachen kann und soll. Ich konnte gestern sehr lachen: «Mein Führer» tut weh und ist brutal lustig.

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17 Kommentare zu “Brutal lustig”

  1. Monsieur Gaberell sagt:

    Helge schrieb in einem Interview, dass die Kritiker den Fehler machen, Hitler und den Holocaust in einem Atemzug zu nennen. Levy zieht in seinem Film zwar Hitler aber niemals den Holocaust ins Lächerliche. Über Hitler, so Helge weiter, dürfe sehr wohl gelacht werden, nicht aber über den Holocaust.

    Stimmen Sie dem zu, Frau Pergoletti? Hat Helge die Sache auf den Punkt gebracht?

  2. signora pergoletti sagt:

    Ja! Das kann man ganz genau so sagen!

    Und umdrehen kann man es auch: Wenn man sich der Person Hitler mit zuviel Bierernst und Heiligkeit nähert, entsteht eben dieses ungute Pathos, das seltsamerweise für meinen Geschmack etwas verherrlichendes hat. Wie beim “Untergang”.

  3. signora pergoletti sagt:

    Einer meiner Lieblingswitze kommt übrigens gleich am Anfang, da erzählt Grünbaum über Hitler, dass er in einer idyllischen Alpenregion Namens Österreich aufgewachsen sei und als Kind leidenschaftlich gern malte. “…doch weil die Kunstakademie ihn nicht aufnahm, wurde er halt Nationalsozialist”.

    Ich finde das recht scharfsinnig.

  4. Anonymous feat. Améry sagt:

    Wenn man sich der Person Hitler mit zuviel Bierernst und Heiligkeit nähert, entsteht eben dieses ungute Pathos

    Ganz richtig, Frau Pergoletti. Und es ist eben auch gefährlich und falsch, wenn man Hitler als Monster oder als Dämon bezeichnet, weil er dann nicht mehr als das genommen werden muss, was er nun mal war: ein Mensch. Nicht einer wie du und ich, aber eben ein Mensch, mit allem Bösen, was im Menschen steckt.

  5. Anonymous feat. Améry sagt:

    Wenn man sich der Person Hitler mit zuviel Bierernst und Heiligkeit nähert, entsteht eben dieses ungute Pathos

    Ganz richtig, Frau Pergoletti. Und es ist eben auch gefährlich und falsch, wenn man Hitler als Monster oder als Dämon bezeichnet, weil er dann nicht mehr als das genommen werden muss, was er nun mal war: ein Mensch. Nicht einer wie du und ich, aber eben ein Mensch, mit allem Bösen, was im Menschen steckt.

  6. newfield sagt:

    Levy zieht in seinem Film zwar Hitler aber niemals den Holocaust ins Lächerliche. Über Hitler, so Helge weiter, dürfe sehr wohl gelacht werden, nicht aber über den Holocaust.

    wenn das die freitagsamstagabend ins kino gehenden alcopopkids auch so sehen und verstehen, ist’s OK.

  7. Herr Gnos sagt:

    vielleicht unterschätze ich jetzt die alcopopkids ein wenig, aber gehen die überhaupt in solche filme? ich treff die nämlich immer nur bei 007 oder harry potter an.

  8. signora pergoletti sagt:

    Wenn die Kids übehaupt in solche Filme gehen, kann ich nur sagen: Ich finde, die Message ist unmissverständlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das irgendeiner dieser “Kids” oder sonst wer missverstehen könnte. Für so dumm halte ich “das Publikum” nicht.

  9. newfield sagt:

    danke für die beruhigenden worte.
    obwohl ansonsten realistischer(heisst häufig pessimistischer) zyniker habe ich mühe. da werden – nach und nach und unabsichtlich – grenzen verschoben, da bröckelt etwas.

    Hitler? ahh, das ist doch dieser komische typ von dem film …

  10. Herr Gnos sagt:

    ich habe «mein führer» noch nicht gesehen, dagegen schon mehrmals chaplins «the great dictator», zum ersten mal als jugendlicher. und ich glaube nicht, dass es mein geschichtsbild (zusätzlich) verklärt hat.

  11. signora pergoletti sagt:

    Ich denke eher, dass es hier darum geht, grundsätzlich diesen Respekt bröckeln zu lassen, der die Vorraussetzung für absoluten Gehorsam ist. In dem Film wird ein Vorgang blossgestellt, der uns durchaus immernoch etwas angeht.

  12. signora pergoletti sagt:

    Oder sagen wir es so: Wenn Hitler als Dämon gezeigt wird, sind die, die ihm folgten beinahe entschuldigt. Zeigt man ihn als Witzfigur, stellt sich die Frage, warum man so jemandem glaubt natürlich in einer ganz anderen Schärfe.

  13. newfield sagt:

    signora pergoletti, ihre argumentation gefällt mir, und zwar schon seit 2007-01-22 17:16:25.

    aber das eis ist unheimlich dünn, wie wir passionierten schlittschuhläufer mit mulmigem gefühl zu warnen pflegen.

  14. signora pergoletti sagt:

    Da haben Sie allerdings recht!! Warnen kann hier niemals schaden, lieber Herr Newfield!

  15. sellerieesser sagt:

    target=”blank”>Frau Pergolettis Rezension bringt es weit:

  16. sellerieesser sagt:

    herrgottnochmal. 2. Versuch:

    Frau Pergoletti anderswo: hier!

  17. signora pergoletti sagt:

    Oh! Na sowas! Danke für den Hinweis!