Archiv für die Kategorie ‘Scientology’

Staatliche Privilegien für Scientology

Hugo Stamm am Samstag den 11. Juli 2015
Die Kapelle, fotografiert in der neuen Scientology Kirche in Basel am Sonntag, 26. April 2015. Es handelt sich um die erste sogenannte Ideale Organisation (Ideale Org) in der Schweiz. (KEYSTONE/Georgios Kefalas) *** NO SALES, NO ARCHIVES ***

Stieg in Basel von der Sekte zur Religionsgemeinschaft auf: Scientology. Bild: Keystone

Die Basler Regierung und Scientology gegen die Bevölkerung: Auf diesen Nenner lässt sich eine Auseinandersetzung zusammenfassen, die seit Monaten die Gemüter in Basel erhitzt. Der Konflikt begann mit der Eröffnung eines Super-Zentrums der Sekte im Iselin-Quartier. Alle Proteste der Anwohner verpufften, Scientology konnte sich mit einer pompösen Feier im Wohnquartier einnisten.

Die Scientologen versuchten die Anwohner mit dem Versprechen zu beruhigen, im Quartier nicht zu missionieren. Doch der Erfolgszwang liess sie ihr Versprechen bald vergessen. Die rund 130 Mitarbeiter im 4600 Quadratmeter grossen Zentrum brauchten «rohes Fleisch», wie es im Scientology-Jargon heisst. Sprich: neue Opfer, denen teure Kurse verkauft werden können. Und schon bald füllten sich die Briefkästen der Anwohner mit Werbebotschaften der Sekte.

Für noch mehr Empörung sorgte bald darauf die Basler Regierung. Das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) stufte Scientology offiziell als Religionsgemeinschaft im Sinne des Arbeitsgesetzes ein. Rückendeckung bekam das AWA vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) in Bern. Auf Scientologen sei das Arbeitsgesetz nicht anwendbar, da sie Tätigkeiten gegenüber der Gemeinschaft leisten würden, hiess es.

Dies ist für die Gemeinschaft mit dem schlechten Ruf ein Ritterschlag, der obendrauf kommerzielle Vorteile bringt: Scientology stieg von der Sekte zur Religionsgemeinschaft auf und darf nun auch am Sonntag Jagd auf «rohes Fleisch» machen, Bücher verkaufen und Kurse erteilen. (Eine Kursstunde kann schon mal ein paar Hundert Franken kosten.)

Der zuständige Regierungspräsident Guy Morin zog damit den Zorn der Anwohner und vieler Basler auf sich. Scientology könne der Religionsstatus aus religionswissenschaftlicher und alltagssprachlicher Sicht nicht abgesprochen werden, erklärte er. Er stützte sich dabei auf eine Empfehlung der Forschungsstelle für Recht und Religion der Universität Basel. Es sei nicht an der Regierung, über Glaubensinhalte zu urteilen und zu entscheiden, welche Gemeinschaft eine Sekte sei.

Tatsächlich? Steht die Regierung nicht in der Verantwortung, wenn eine Gemeinschaft mit totalitären Zügen die Bewohner mit allen Tricks missioniert, ihre Mitglieder indoktriniert und antidemokratische Thesen vertritt?

Scientology nennt sich aus taktischen Gründen Kirche. Gründer Hubbard sagte auch offenherzig, als Kirche müsse man keine Steuern zahlen. Ausserdem proklamierte er, sein Kursunternehmen befasse sich nicht mit Gott. Schliesslich wollte er nicht Christen, Muslime, Hindus usw. als Kunden verlieren.

Der Basler Entscheid ist eine Einladung an alle Organisationen mit fragwürdigen Absichten: Zieht ans Rheinknie, nennt euch Kirche, deklariert den Stammtisch zum Gottesdienst, und ihr könnt am Sonntag mit dem Segen des Arbeitsamtes auf Kundenfang gehen.

Freikirchen schrumpfen auch in den USA

Hugo Stamm am Samstag den 27. Juni 2015
Men put up a cross during a stop in a Good Friday Stations of the Cross pilgrimage in Ranchos de Taos, New Mexico March 29, 2013. Several hundred followers of the Catholic Church walked a pilgrimage celebrating the Stations of the Cross from the San Francisco de Asis Catholic Church, through Ranchos de Taos and the remote village Talpa, New Mexico. Holy Week is celebrated in many Christian traditions during the week before Easter. REUTERS/Brian Snyder (UNITED STATES - Tags: RELIGION) - RTXY2II

Die Anziehungskraft des katholischen Glaubens lässt nach: Pilger in New Mexiko. Foto: Reuters

Die USA sind eine tiefreligiöse, christlich geprägte Nation. Nirgends sonst leben so viele Christen. Und wohl in keinem andern Land wird die Religionsfreiheit so sehr beachtet und geschützt. Dies ist mit ein Grund, weshalb selbst die Sekte Scientology jahrzehntelang als seriöse Glaubensgemeinschaft betrachtet wurde.

Die Dichte an Freikirchen ist eines der besonderen Merkmale der USA. Im Wahlkampf kommt kein Präsidentschaftskandidat darum herum, um die Gunst der frommen Christen zu buhlen. Doch nun erreicht der Zeitgeist auch Amerika: Die christlichen Kirchen verlieren zunehmend Mitglieder, die Zahl der Nichtgläubigen wächst rasch. In den USA verstärkt sich der Trend, der in Europa schon länger zu beobachten ist: Glauben und Religion verlieren an Bedeutung, die Tendenz zur Säkularisierung nimmt zu.

Dies bestätigt eine Studie des amerikanischen Pew Research Centers, das 35’000 Amerikaner befragt hat. Bekannten sich 2007 noch 78,4 Prozent zum christlichen Glauben, sind es heute nur noch 70,6 Prozent. Dies ist zwar immer noch ein hoher Wert, doch der Einbruch ist dramatisch. Vor allem auch, weil die meisten Abtrünnigen religiös erzogen wurden und sich als Erwachsene in einem bewussten Prozess vom Glauben abwandten, also agnostisch oder atheistisch wurden. (In Europa werden viele Kinder nicht mehr religiös erzogen, weshalb die Zahl der Ungläubigen besonders rasch wächst.)

Die christliche Tradition und die besondere Stellung der Religionen in den USA sind historisch bedingt. Eine zentrale Rolle spielt dabei auch die Schweiz. Die Mennoniten, Täufer oder Wiedertäufer, wurden im 16. Jahrhundert in Europa und speziell auch in der Schweiz verfolgt. Viele wurden ertränkt, geköpft oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Andere flüchteten ins Ausland oder ins entlegene Emmental, das heute noch eine Hochburg von Freikirchen ist. Ein Teil der Verfolgten pflegte den Glauben im Versteckten.

Ein Scharfmacher gegen die Mennoniten war auch der Zürcher Reformator Huldrych Zwingli. Er verlangte vom Rat der Stadt Zürich, die Wiedertäufer seien mittels kaiserlicher Rechte auszurotten. Es wurden Kopfgelder ausgesetzt, und Hunderte Schweizer Täufer starben den Märtyrertod.

Europa war für Mennoniten, Amische und Hutterer verbrannte Erde. Ab 1720 flüchteten viele nach Amerika, vorwiegend nach Pennsylvania. Um vor weiterer Verfolgung geschützt zu sein, massen sie der Religionsfreiheit hohe Bedeutung zu.

Der freikirchliche Geist ist heute noch stark in der amerikanischen Gesellschaft verankert. Die konservative Grundhaltung, die prüde Einstellung in sexuellen Fragen, Waffenfetisch und die Ablehnung der Evolutionstheorie sind nur ein paar Beispiele.

Die Säkularisierung ist aber nicht aufzuhalten. Das fromme und konservative Gedankengut bleibt hingegen tief im Bewusstsein der breiten Bevölkerung verankert und prägt die Mentalität, weshalb die Modernisierung der Gesellschaft nur schleppend vorankommt.

Eltern fielen auf Scientology-Schule herein

Hugo Stamm am Sonntag den 18. November 2012
Vor zehn Jahren wurde diese Scientology-Primarschule in Littau (LU) geschlossen. (Keystone)

Vor zehn Jahren wurde diese Scientology-Primarschule in Littau (LU) geschlossen. (Keystone)

Deutschland wehrt sich heftig gegen Missionsbestrebungen radikaler Sekten. Das zeigt sich vor allem am Beispiel von Scientology. Die Kolonnen von Gründer Hubbard werden in verschiedenen Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet, und wenn Scientologen Infostände betreiben, organisieren Bürger auch schon mal Gegendemonstrationen.

In der Schweiz geniessen die Scientologen dagegen viel mehr Freiräume. Dies zeigt sich am Beispiel der ZIEL-Schulen, die von Scientologen betrieben werden. Ein aktueller Fall demonstriert es: Die Suche nach einer Tagesschule ist für viele Eltern ein Albtraum. Für eine italienische Familie endete das Abenteuer mit einer bösen Überraschung. Diese hatte ihren Sohn Luici (Name geändert) zuerst in eine italienische Schule geschickt. Nach ein paar Monaten suchten sie eine deutschsprachige Tagesschule, damit sich Luici, ein sehr lebendiges Kind, besser integrieren konnte. Im Verzeichnis der Zürcher Privatschulen stach ihnen die Ziel-Schule in die Augen, weil sich diese speziell mit überaktiven Kindern befasst. Das Etikett «staatlich bewilligt» erleichterte den Entscheid.

Anfänglich waren Luici und seine Eltern mit der Schule einigermassen zufrieden, doch schon bald stellten die Eltern fest, dass ihr Sohn wenig Fortschritte in Deutsch und Mathematik machte. Nach einem halben Jahr wurden Luicis Eltern zum Schulfest eingeladen. Der Vater entdeckte eine Mitarbeiterin, die ihm irgendwie bekannt vorkam. Plötzlich dämmerte es ihm. «Kennst du die Frau?», flüsterte er seiner Ehefrau zu. Als er ihr fragendes Gesicht sah, ergänzte er: «Das ist doch die Person, die oft in Oerlikon Flugblätter von Scientology verteilt.»

Sektennähe nicht gekannt

«Ich war geschockt», erzählt die Mutter. Sie recherchierte im Internet und fand nach wenigen Klicks heraus, dass die Ziel-Schule zum Scientology-Umfeld gehört. Und nach kurzer Zeit wusste sie auch, dass Schulleitung und Lehrpersonen aktive Scientologen sind.

Luicis Eltern fühlen sich betrogen. Sie verstehen nicht, weshalb die Privatschule nicht verpflichtet ist, die Eltern auf die Nähe der Schule zu Scientology aufmerksam zu machen. «Wenn ich dies gewusst hätte, hätte ich meinen Sohn nie in diese Schule geschickt», sagt die Mutter. Sie ärgert sich ausserdem, dass ihr Sohn auf Fotos der Schul-Website zu sehen ist. Weiter fühlen sich die Eltern getäuscht, bezeichnet sich doch die Ziel-Schule als überkonfessionell und religiös neutral. Als die Eltern Luici aus der Ziel-Schule nahmen, stellten die Lehrer an der neuen Schule erhebliche Wissenslücken fest, weshalb er die Klasse wiederholen muss.

Kehrtwende des Regierungsrats

Die Nähe der Ziel-Schule zu Scientology ist offensichtlich. Die Schulleiterin ist seit über 20 Jahren Mitglied der Sekte und hat die höchste Ausbildungsstufe erreicht, was bisher nur wenige Schweizer Scientologen geschafft haben. Auf der Internet-Propagandaseite «Mein Erfolg mit Scientology» schrieb sie: «Ich war vor allem unsicher im Umgang mit Kindern und heranwachsenden Jugendlichen. Ich lernte mithilfe der Daten von L. Ron Hubbard ihre Reaktionen und Verhalten zu verstehen und wusste, wo deren Ursachen lagen.»

Warum muss die Ziel-Schule ihre Nähe zu Scientology nicht deklarieren? Ursprünglich hatte die Zürcher Bildungsdirektion eine klare Haltung: «Ziel muss es sein, jede Schulung durch Scientology mit allen rechtlich vorhandenen Mitteln zu verhindern oder zu unterbinden», schrieb sie 1995. Doch fünf Jahre später erteilte sie den Scientologen trotzdem die Bewilligung.

Der damalige Regierungsrat Alfred Gilgen hatte sich erfolgreich dagegen gewehrt und vom Bundesgericht recht bekommen. Scientologen seien nicht vertrauenswürdig, eine Schule zu führen, entschieden die höchsten Richter. Gilgens Nachfolger Ernst Buschor zeigte nicht den gleichen Kampfgeist, weshalb die Ziel-Schule doch noch eine Bewilligung erhielt. Anders in Luzern: Dort verweigerte die Regierung einer Ziel-Schule die Bewilligung und wurde vom Bundesgericht gestützt.

Seltsame Behauptungen über ADHS

Schulleiterin Elisabeth Ambühl erklärt, sie würde darauf hinweisen, dass «wir unter anderem mit Studiermethoden von L. Ron Hubbard arbeiten». Ein umstrittener Punkt ist der Umgang der Schule mit dem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom ADHS. Für Scientology sind Psychopharmaka und auch Ritalin, das oft bei ADHS-Patienten eingesetzt wird, gefährliche Drogen, die Kinder töten können. In Broschüren wird der Eindruck erweckt, Psychiater betrieben vorsätzlichen Massenmord.

Auf der Website schreibt denn auch die Ziel-Schule, sie biete Abklärung bei einer ADHS-Diagnose an. Gegenüber dem TA präzisiert die Schulleiterin: «Wir helfen den Eltern, eine Lösung zu finden, die nicht zu einem geschädigten Kind führt.» Sie würden nicht selbst ADHS-Abklärungen durchführen. Wenn Eltern nach der Aufklärung durch die Schule das Medikament absetzen möchten, würden sie an den behandelnden Arzt verwiesen.

Recherchen von «20 Minuten» ergaben ausserdem, dass sich Scientologen bei einem Verband als Mitarbeiter bewarben, der sich mit der ADHS-Problematik beschäftigt. Dies muss als Wühlarbeit bezeichnet werden, denn Scientology betrachtet die Abgabe von Ritalin als Verbrechen. Psychiater sind sich aber weitgehend einig, dass bei schweren Fällen der Einsatz von Medikamenten unbedingt angezeigt ist. Scientologen behaupten deshalb in Broschüren, dass Ärzte für den Tod vieler Kinder verantwortlich seien. Man kann davon ausgehen, dass die Scientologen versuchen wollten, entsprechenden Einfluss auf den ADHS-Verband zu nehmen.

Roter Teppich für Scientology

Hugo Stamm am Freitag den 17. August 2012
John Travolta

Fühlt sich wohl im Rampenlicht: John Travolta bei einer Filmpremiere in Kalifornien. (Bild: Reuters)

Am 20. September kommt John Travolta ans Zurich Film Festival und wird für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Das Werk ist nicht das Problem, wohl aber das Leben. Denn wo Travolta draufsteht, steckt auch Scientology drin. Der Schauspieler identifiziert sich mit der kruden Ideologie und verkörpert den Musterscientologen, der die Welt im Sinne der Sekte verändern will. Wie deren Gründer Ron Hubbard glaubt auch Travolta, dass unser Planet nur durch diese «Heilmethode» vor dem Untergang gerettet werden kann.

Der 58-jährige John Travolta ist ein braver Sektensoldat, der die höchsten Ausbildungsstufen erklommen hat und glaubt, bald «Ursache über Leben, Materie, Raum und Zeit» zu sein, also göttlich. Über die umstrittene Scientology-Lehre Dianetik sagt er: «Sie brachte mich ganz nach oben.» Dank ihr habe er «etwas wirklich Grosses erreicht». Der Filmstar nutzt seinen Status, um für die Sekte zu werben und zu kämpfen.

Zum Beispiel: John Travolta und Tom Cruise wurden immer wieder bei Staatspräsidenten wie Bill Clinton und Nicolas Sarkozy vorstellig und drängten erfolgreich darauf, dass Deutschland vom Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen gerügt wurde. Der Hintergrund: Unser Nachbar lässt Scientology durch den Staatsschutz beobachten. 1997 unterschrieben auf Druck von Travolta 34 Hollywoodstars wie Dustin Hoffman sowie Talkmaster Larry King einen offenen Brief, in dem die Regierung von Helmut Kohl wegen der angeblichen Unterdrückung von Scientologen mit dem Naziregime verglichen wurde. Es kam deswegen sogar zu einer Anhörung im US-Kongress, bei der Travolta Scientology als Garant für die Menschenrechte darstellte.

Obskurer Vergleich

Ausserdem schrieben die Hollywoodstars in einem ganzseitigen Inserat in der «International Herald Tribune»: «In den Dreissigerjahren waren es die Juden. Heute sind es die Scientologen.» Die Filme der Scientologen Travolta und Cruise würden verdammt und wohl bald auch öffentlich verbrannt. Und dies nicht im Deutschland von 1936, sondern von 1996. Auslöser der Kampagne waren einzelne Boykottaufrufe in Deutschland, die allerdings wirkungslos verhallten.

Als 1997 das deutsche Bundesarbeitsgericht prüfte, ob Scientology ein kommunes Unternehmen und keine Religionsgemeinschaft sei, organisierte die Sekte in Berlin eine Grossdemonstration «gegen die schlimmste Unterdrückung nicht nur in der Welt, sondern im Universum». Europa und die USA wären «ernsthaft gefährdet», falls Scientology in Deutschland verboten würde, behauptete die Sekte. John Travolta unterstützte die protestierenden Scientologen in ihrem Kampf mit einer Ansprache ab Band.

Travolta hat auch in zwei Filmen Scientology-Themen aufgegriffen. «Battlefield Earth» beruht auf dem gleichnamigen Buch von Hubbard. Travolta war Produzent und Schauspieler. Ausserdem investierte er Millionen in den Streifen, der ein Flop wurde. Beim Film «Phenomenon», auch ein Travolta-Produkt, werden Scientology-Ideen transportiert.

Travolta nutzt seinen Prominentenstatus, um der Sekte zuzudienen. Seine Rolle als Schauspieler ist nicht von seiner Funktion als Scientologe zu trennen. Somit rollt das Zurich Film Festival auch den Scientologen den roten Teppich aus, wenn es sich mit Travolta schmückt. Und der Schauspieler kommt gerne – weil andere Festivals ihren Ruf nicht mit einem Scientologen besudeln wollen.

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Wo überall wühlt Scientology?

Hugo Stamm am Samstag den 19. September 2009

In Frankreich ereignen sich in diesen Tagen wunderliche Geschichten. Einerseits engagiert sich unser westlicher Nachbar im Kampf gegen Sekten wie kein anderes Land in Europa, gleichzeitig änderte das Justizministerium ein Gesetz, sodass Scientology vor der Zwangsauflösung geschützt ist.

Seither verstehen die Franzosen die Welt nicht mehr, die Spekulationen schiessen ins Kraut. Hat Scientology etwa Kanäle bis ins Justizministerium? Spielt gar Präsident Nicolas Sarkozy bei den rätselhaften Vorgängen eine Rolle? Sicher ist nur, dass Frankreich den Verschwörungstheoretikern handfeste Argumente liefert.

Angeheizt werden die Spekulationen von einem Video auf Youtube. Es zeigt den französischen Staatspräsidenten bei einem privaten Besuch von Tom Cruise im Jahr 2004.

Der Hollywoodstar ist das Aushängeschild der Sekte, aber auch ein hochrangiger Funktionär von Scientology und deren wertvollster Botschafter. So hat Cruise schon manche Präsidentenhand geschüttelt. Ausserdem nutzt der Schauspieler jede Gelegenheit, für Scientology zu werben. Nun rätselt Frankreich, ob sein Präsident auch in dieser Angelegenheit eine Rolle spielt. Regierungssprecher sagen, das Treffen mit Cruise habe nichts mit Scientology zu tun gehabt.

Bandenmässiger Betrug?
Konkret geht es um einen Prozess gegen sechs Führungskräfte der Sekte in Paris. Ihnen wird vorgeworfen, Anhänger betrogen, übervorteilt und psychisch unter Druck gesetzt zu haben. Als die Staatsanwältin Mitte Juni dieses Jahres den Antrag stellte, Scientology wegen bandenmässig organisierten Betrugs zu verbieten, waren die Angeklagten geschockt. Sie sprachen von einem Ketzerverfahren und befürchteten das Ende ihrer Organisation in Frankreich. Das Urteil wird am 27. Oktober erwartet. Zu einem Verbot der Sekte wird es allerdings nicht kommen. Das Justizministerium ist der Sekte kurz vor Prozessbeginn zu Hilfe geeilt, wie erst in diesen Tagen bekannt wurde.

Seither wird in Frankreich spekuliert, ob es ein absichtlicher oder fahrlässiger Akt der Regierung war. Um Strafverfahren zu vereinfachen, hatte sie ein Gesetz gestrichen, das die Auflösung von Firmen und Vereinigungen forderte, die wegen Betrug verurteilt worden sind.

Erstaunlich ist, dass die Gesetzesänderung Mitte Mai Senat und Nationalversammlung diskussionslos passiert hat. Die Konsequenzen der Revision wurden erst jetzt im Zusammenhang mit dem Scientology -Prozess bewusst.

Lücke schliessen
Heute reiben sich Ministerium und Abgeordnete verwundert die Augen. Es ist nicht einmal klar, wer die Änderung veranlasst hat. Verschiedene Abgeordnete zeigten sich bestürzt. Der Sprecher der kommunistischen Fraktion ist überzeugt, dass Scientology ins Justizministerium infiltrierte, und verlangt eine Untersuchung.

Die neue Justizministerin Michèle Alliot-Marie hat inzwischen versprochen, die Gesetzeslücke rasch zu schliessen. Doch die Sekte wird durch die Maschen schlüpfen, denn das geplante neue Gesetz wird nicht rückwirkend gelten.

Die Vorfälle in Frankreich erinnern in fataler Weise an Vorgänge in den USA. In den 1990-er Jahren legten sich Hubbards Kolonnen mit den Steuerbehörden IRS der USA an, um die Steuerfreiheit zu erzwingen. Dabei wendete die Sekte erstaunliche Methoden an. Der Slogan: „Wir widmen uns dem wahren Krieg.“ Mit in den „Krieg“ einbezogen wurde auch Interpol. Scientology führte jahrelang eine Schmutzkampagne, welche selbst die mächtigen Organisationen in die Knie zwang. „Interpol diente schon im Dritten Reich als gnadenloser Helfershelfer in der Verfolgung von Juden, Zigeunern und Regimegegner“, schrieb Scientology in einer ihrer Zeitschriften.

Scientology hatte den damaligen Interpolchef Raymond Kendall unter Druck gesetzt. Die Sekte veröffentlichte ein Bild, auf dem Kendall dem ehemaligen Panama-Regierungschef Noriega die höchste Interpol-Auszeichnung im Kampf gegen den Drogenhandel überreichte. Peinlich dabei: Noriega wurde später wegen Drogendelikten ins Gefängnis geschickt.

Scientology gewann auch den Krieg gegen IRS. Jahrelang sammelten die Sektenanhänger persönliche Daten und Unterlagen über IRS-Beamte. In grossen Inseraten forderte Scientology die Bürger auf, ihre negative Erfahrungen mit den Behörden zu melden. Anschliessend publizierten die Scientologen die Sünden der Beamten in grossen Zeitungen und nannten sie namentlich. Und siehe da: Scientology erhielt die Steuerfreiheit und spart seither Millionen.

Scientologen am Ball

Hugo Stamm am Dienstag den 24. Juni 2008

Scientology ist Europameister im Trittbrettfahren. Dutzende von Sektenanhängern sind in den Fanmeilen unterwegs, um Broschüren zu verteilen und neue Mitglieder anzuwerben. Es werde die grösste Kampagne, «die wir je in der Schweiz oder sogar in Europa hatten», schreibt Scientology Zürich in einem Brief an ihre Mitglieder. Und erwartet von ihnen, dass sie 250 Franken oder mehr für die Aktion spenden.

Um den Feldzug vorzubereiten, wurden «Euro-Meetings» organisiert. Dabei ging es um «Briefings mit anschliessendem Drilling». Das Motto: «Ein historischer Ort für einen historischen Event. Der endgültige Call-to-Arms an alle Schweizer Scientologen.» Frei übersetzt: An die Waffen! Die Einladungskarte trägt den Titel «Clear Schweiz», also klären wir die Schweiz. Die Scientologen wollen eine Million Broschüren mit dem Titel «Der Weg zum Glücklichsein» verteilen. Dabei handelt es sich um einen «Leitfaden zu besserem Leben» des Scientology -Gründers Ron Hubbard.

In der Broschüre findet sich kein Hinweis auf Scientology , dafür enthält es einen Spielplan. Das Ziel der Missionskampagne ist unmissverständlich: «Es ist d i e Gelegenheit, tausende Bücher zu verkaufen und unsere Orgs ( Scientology -Zentren, die Red.) mit neuen Leuten zu füllen und ein gutes Stück in Richtung ideale Org zu gehen», heisst es im Brief an die Zürcher Scientologen. Doch es ist verboten, auf öffentlichem Grund Bücher zu verkaufen. Sie wenden ein, die Hubbard-Werke den neuen Kunden erst im Zentrum schmackhaft zu machen. Doch auch damit benutzen sie den öffentlichen Grund indirekt als Verkaufsfläche. (Dieser Artikel erschien auch im TA.)

Tom Cruise – Freiheitsheld in Goebbels-Pose

Hugo Stamm am Mittwoch den 13. Februar 2008

Tom Cruise ist ein Paradebeispiel dafür, wie jahrelange Indiktrination Menschen verändert und in eine Gegenwelt entführt. Als Beispiel füge ich den artikel an, den ich heute im Tages-Anzeiger veröffentlicht habe.

Die Gehirnwäscher aus Hollywood», titelte die «Süddeutsche Zeitung» vergangene Woche. Die Überschrift signalisiert, dass die Filmwelt aus den Fugen geraten ist. In Wirklichkeit ist alles viel schlimmer: Der Film «Walküre», in dem der 45-jährige Scientologe Tom Cruise den Hitler-Attentäter Graf von Stauffenberg spielt, spaltet Deutschland. (Der Film läuft im Sommer an.) Nun liegen sich Politiker, Historiker, Künstler und Medienschaffende in den Haaren. Dabei geht es um die einfache Frage: Darf das «gehirngewaschene» Sektenmitglied Cruise den Freiheitskämpfer Stauffenberg geben?

An der Frage beissen sich die Deutschen mit flächendeckender medialer Begleitung die Zähne aus. Der «Stern» hievte Cruise auf den Titel, sogar die vornehme «Zeit» öffnete ihre Spalten.

Die Scientologen freuts ungemein. Dank Cruise hat die Sekte den Aufstieg in die Championsleague geschafft. Ein Traum für die Hubbard-Truppe, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Deutschland für die Scientologen zu erobern. Mit Cruise zieht ein wenig Hollywood-Glamour in die spartanischen Kursräume von Hubbards Arbeitskolonnen ein. Soll da einer noch sagen, Scientology sei eine Sekte.

Tom Cruise ist für Scientology wie ein Sechser im Lotto. Die Psychosekte hat allerdings hart für den Volltreffer gearbeitet und Millionen in ein Promi-Projekt investiert. In Hollywood führen sie ein mondänes Zentrum, um den Stars den Puls fühlen zu können. So gingen Hubbards Missionskolonnen mehrere Kinohelden ins Netz.

Seit der Trennung von Nicole Kidman spielt Cruise mit heiligem Eifer den Scientology-Botschafter und löste John Travolta ab. Cruise lässt keine Gelegenheit aus, sich mit dem ganzen Gewicht seiner Prominenz für die amerikanische Bewegung ins Zeug zu legen. Bei den Dreharbeiten zum Film «Krieg der Welten» sponserte der Schauspieler ein Scientology-Zelt, in dem die gesamte Filmcrew von «ehrenamtlichen Geistlichen» betreut wurde und eine Einführung in die Geheimnisse der Sekte über sich ergehen lassen musste. Die Macht des Scientologen Cruise geht so weit, dass Regisseur Steven Spielberg die PR-Aktion dulden musste. Ausserdem nahmen etwa 20 Manager des Filmverleihs United International Pictures mehr oder weniger freiwillig an einer Führung durch das Scientology-Zentrum in Los Angeles teil. In Hollywood will es niemand mit dem mächtigen Cruise verderben. Alle bangen um Rollen und Jobs.

Zurück nach Deutschland. Cruise spaltete die geistige Elite, als er letzten Herbst für die Dreharbeiten zum Film über den Hitler-Attentäter in Berlin weilte. Boulevardmedien feierten den Star, und Promis standen Schlange, um ihm die Hand zu schütteln. Unter ihnen der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit. Als Cruise dann vom Burda-Verlag den Bambi-Preis für besonderen Mut erhielt, wurde es manchen doch mulmig.

Nicht so Frank Schirrmacher, Herausgeber der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Er fühlte sich geehrt, die Laudatio auf Cruise halten zu dürfen. Prompt titelte seine Zeitung: «Deutschlands Hoffnung heisst Tom Cruise ». «Bild» hingegen schlug einen Salto und hielt in grossen Lettern fest: «Tom Cruise jetzt völlig durchgeknallt.» Grund: «seine irre Rede bei der Bambi-Verleihung». Cruise quittierte Schirrmachers Lobrede mit dem Ausruf: «Es lebe das heilige Deutschland.»

Die Schmierenkomödie torkelte von Höhepunkt zu Höhepunkt. Ein klares Zeichen setzten einzig die Innenminister, die in dieser Zeit den Beschluss fassten, ein Verbot von Scientology zu prüfen.

Doch es kam noch dicker. Im Internet tauchte plötzlich ein Video auf, das Cruise an einer Scientology-Veranstaltung in der Pose eines Diktators zeigt. In seiner kruden Rede rief Cruise im besten Scientology-Jargon: «We clean this place up», was nach scientologischer Ideologie und hubbardschem Machtverständnis nur eines bedeuten kann: «Wir wollen die Welt säubern». ZDF-Historiker Guido Knopp kommentierte: «Tom Cruise tritt wie Goebbels auf.»

Und dieser Tom Cruise spielt nun den Hitler-Attentäter Stauffenberg. So real kann nur die Wirklichkeit Satiren schreiben. Das Lachen ist aber den meisten Deutschen vergangen.

Für die deutschen Scientologen ist es ein Triumph sondergleichen, dass ihr Superheld Cruise den Hitler-Attentäter spielt. So ist Cruise nicht nur der Hauptdarsteller, er ist auch Produzent des Films. Nicht zufällig, denn Deutschland ist das einzige Land, das vor der Sekte noch nicht kapituliert hat. Die eigenen geschichtlichen Erfahrungen haben unsern Nachbarn für totalitäre Systeme, wie Scientology eines verkörpert, sensibilisiert.

Darf Cruise also den Hitler-Attentäter spielen? Halten wir fest: Cruise ist durch und durch Scientologe. Er benutzt seine Popularität als Hollywoodstar, um für die Sekte zu werben. Er vermischt die Rollen als Scientologe und Schauspieler. Ausserdem tritt er als Botschafter der Sekte auf. Man darf gar die Aussage wagen: Er ist zuerst Scientologe und dann Schauspieler. Als Scientologe glaubt er, ein Genie und ein unsterbliches Wesen zu werden. Als Schauspieler bewegt er sich «lediglich» auf dem vergänglichen weltlichen Parkett.

Trotzdem darf Cruise natürlich jede beliebige Rolle spielen, auch den Stauffenberg. Die Frage lautet vielmehr: Ist das sinnvoll? Ist er als Freiheitskämpfer glaubwürdig?

Nach den Auseinandersetzungen können informierte Kinobesucher nicht mehr unbelastet Cruise in «Walküre» bewundern. Sie werden permanent daran erinnert, dass er ein glühender Missionar einer totalitären Organisation ist. Hinter dem Freiheitskämpfer Stauffenberg wird stets die Sektenfratze hervorgucken, denn Cruise steht das Sektenstigma ins Gesicht geschrieben. Damit hat sich Cruise selbst als Stauffenberg unmöglich gemacht.

Allerdings treffen diese Aussagen nur auf Deutschland und Teile Europas zu, denn in den sektenfreundlichen USA wird Scientology weit gehend als Kirche betrachtet. Das kümmert Cruise wenig. Hauptsache, er kann das verhasste Deutschland in Aufruhr versetzen.

Hubbards Superwelt

Hugo Stamm am Mittwoch den 14. Juni 2006

Ich bin erstaunt über das grosse Interesse an Scientology. Ich dachte, die Diskussion über die Gruppe sei erschöpft. (Ich habe vor 25 Jahren ein Buch über Scientology geschrieben und wohl über 100 Artikel dazu veröffentlicht.) Nun, wenn dem nicht so ist, liefere ich gern einen weiteren Beitrag.

Martin Schmid stellt in seinem intelligenten Beitrag gute Fragen. Nur: Wer die Bücher von Hubbard und viele Kursunterlagen gelesen hat, erkennt rasch, dass da kein philosophisches, anthropologisches oder entwicklungspsychologisches Konzept dahinter steht. Man tut Hubbard und den Scientologen zu viel Ehre an, wenn man nach Tiefgründigem sucht. Vielmehr ist seine Lehre ein Sammelsurium aus Science fiction, trivialen Weltanschauungen, unvergorenen psychologischen, philosophischen und pseudowissenschaftlichen Ansichten. Vieles hat Hubbard abgekupfert.

Und vielleicht das Schlimmste: Viele „Erkenntnisse“ stammen aus den 1950-er und 1960-er Jahren. (Beispielsweise Atomphysik) Diese sind inzwischen längst überholt. Doch weil Hubbard bei den Scientologen als unfehlbar gilt, werden seine „Weisheiten“ nicht korrigiert, sondern wortgetreu übernommen. Das führt zu eigenartigen Weltansichten und Weltanschauungen. Und dokumentiert die Autoritätsgläubigkeit und die blinde Verehrung.

So wird denn in den Scientology-Broschüren heute noch meist in der Gegenwart von Hubbard geschrieben, als weile er immer noch leibhaftig unter uns. Dabei ist er vor 20 Jahren unter mysteriösen Umständen gestorben. Und in allen grösseren Scientology-Zentren der Welt ist ein Büro für Hubbard eingerichtet, als sei sein Geist dort anwesend. Die zweite Idee dahinter: Er kann sofort in seiner gewohnten Umgebung weiterarbeiten, wenn er denn wieder kommt…

Dass man Hubbard als „Denker“ oder Religionsgründer kaum ernst nehmen kann, zeigt seine Vorstellung vom Ursprung des Menschen. Dazu ein Auszug aus einem der vielen Scientology-Werke. (Wenn Hubbard eine Qualität hatte, dann sicher die des Schnelldenker und Schnellschreiber. Es ist wirklich unglaublich, was er alles zu Papier gebracht hat. Doch leider ist vieles wirr und absurd.)

„Vor 35 Billionen Jahren löste ein böser Fürst namens Xenn das Problem der Überbevölkerung auf einem andern Planeten, in dem er zwei Billionen Thetanen (Anmerkung: scientologischer Begriff für Seele) zur Erde brachte, die zu jener Zeit als Teegeack bekannt waren. Er stopfte sie in Wasserstoffbomben, die er in einem Vulkankrater explodieren liess. Durch die Explosion wurden die Thetanen, an elektrische Kabel angeschlossen, bis hoch in den Himmel geschleudert. Dann wurde ihnen die R6-Bank eingeprägt, sie wurden in ein Flugzeug geladen und wieder auf die Erde geworfen. Schreckliches Unheil ereilte jeden, der diesen Komplott aufzudecken versuchte, bis uns die Aufklärung gelang. Ron (Anmerkung: für Ron Hubbard) wäre fast selbst elend zu Grunde gegangen.; doch irgendwie überlebte er (Anmerkung: vor 35 Billionen Jahren), allerdings völlig zerschlagen. Xenn wurde für sein Verbrechen bestraft, indem er in eine elektrisch geladene Kiste eingesperrt wurde, die in einem Berg im Westen des nordamerikanischen Kontinentes versteckt worden ist. Dort befindet er sich noch heute.“ (seit 35 Billionen Jahren…)

Das Drama der Menschheit führt Hubbard auf jenes ferne Ereignis zurück. Er behauptet, der Thetan habe damals Schaden erlitten. Er könne sich quasi nicht mehr an die früheren Leben erinnern und degeneriere deshalb laufend. Durch die Scientology-Kurse wird Abhilfe versprochen. Die Scientologen wandern auf der Zeitspur zurück in die weite Vergangenheit – von Leben zu Leben. Jahrmillionen. Dabei spüren sie angeblich traumatische Erlebnisse auf, durchleben sie emotional und tilgen diese – Engramme genannten – Dramen aus früheren Leben. (Freud lässt grüssen). Dann kann man quasi Wissen und Erfahrungen aus Hunderten von Leben in die Erinnerung zurückholen, kumulieren und ein Genie werden. Und irgend wann auch unsterblich – und selbst Leben erschaffen.

“Wahrheit” über Scientology

Hugo Stamm am Montag den 12. Juni 2006

Ich wollte eigentlich nicht auf Scientology eingehen. Doch die Beschönigungen und die hartnäckige Diskussion im Blog animieren mich nun doch, ein paar Informationen zu liefern.

Ich halte mich dabei streng an Zitate. Somit wird mir niemand vorwerfen können, falsche Informationen zu verbreiten, wie die Scientologen seit 30 Jahren behaupten. Und wie dies auch hier im Blog wieder kolportiert wird.

Zur Expansion und zum Machtanspruch ein Zitat von Scientology-Gründer Hubbard: „Wenn jetzt jeder Scientologe in jedem Monat eine neue Person hereinbringen und sie auf dem Weg zur Freiheit starten lassen würde, und wenn dann jede neue Person dasselbe macht, würde das in zwölf Monaten auf VIER MILLIARDEN SCIENTOLOGEN kommen.“ (Soll mich niemand für die sprachlichen Fehler behaften.)

Oder: „Die Welt hat optimistisch gesehen noch fünf Jahre übrig, pessimistisch gesehen noch zwei. Danach gibt’s einen Knall oder vielleicht nur noch Gewimsel. Eine Handvoll von uns arbeiten sich halb zu Tode, um es zu schaffen. (Anmerkung: Gemeint ist, die Welt vor dem Untergang zu retten.) … Die einzige winzige Chance, die dieser Planet hat, lastet auf ein paar schmalen Schultern – überarbeitet, unterbezahlt und bekämpft – die Scientologen.“

Ein bis zu den höchsten Stufen ausgebildeter Scientologe glaubt, unsterblich zu werden, also ein „operierender Thetan“: Das ist laut Definition von Hubbard „ein Wesen, das Ursache über Denken, Leben, Materie, Energie, Raum und Zeit ist“. Ein solcher Thetan (scientologische Seele) kann also sogar Leben erschaffen.

Weiter: „Niemand kann zur Hälfte innerhalb und zur Hälfte ausserhalb der Scientology sein.“ Ein Engagement muss also total sein. Im gleichen Text schreibt Hubbard: „Wenn wir fehlschlagen, ist es aus. Es ist nicht nur eine Frage des Getötetwerdens. Es ist eine Frage, ein Leben nach dem andern getötet und getötet und getötet zu werden. … Wir sind die Elite des Planeten Erde.“

Und in einem andern Pamphlet bezeichnet er seine Getreuen als die Elite des obersten Zehntels der Bevölkerung.

Weiter: „Die gesamte qualvolle Zukunft dieses Planeten für die nächsten endlosen Billionen Jahre hängt davon ab, was Sie hier und jetzt mit und in der Scientology tun.“

Viele Scientologen lassen sich als Auditoren – eine Art Therapeut – ausbilden. Hubbard zur Ausbildung: „Die richtige Ausbildungseinstellung ist: Du bist hier, also bist Du ein Scientologe. Jetzt werden wir Dich zu einem fachmännischen Auditor machen, was auch immer geschieht. Wir haben Dich lieber tot als unfähig.“

Und: „Die Scientology ist heute die wichtigste Bewegung auf der Erde. … In der Scientology geht die Sonne niemals unter.“

Im Ehrenkodex der Scientologen heisst es unter Punkt 12: „Fürchte nie, einen anderen zu verletzen in einer Sache, die gerecht ist.“

Kurse auf den OT-Stufen kosten bis zu 1000 Franken pro Stunde.

Es gibt Spendenkategorien, die bis hinauf zu einer Million Dollar gehen. Bereits haben mehrere Schweizer diese Maximalspende geleistet.

Mitarbeiter der Scientology-Eliteeinheit Sea-Org. unterschreiben einen Mitarbeiter-Vertrag über eine Milliarde Jahre.

Kinder in Sekten

Hugo Stamm am Mittwoch den 19. April 2006

Freudiges Ereignis bei der Familie Cruise: Toms junge Frau Katie Holmes hat ein Mädchen zur Welt gebracht. Damit haben „TomKat“ ihr Liebesglück mit der Geburt von Suri – so soll das Mädchen heissen – besiegelt.
Wie gross das Glück für das Kind sein wird, wird die Zukunft zeigen. Im Moment darf es sich wohl einfach glücklich schätzen, dass es noch ganz im Hier und Jetzt lebt. Und dass es nichts über den religiösen Hintergrund seiner Eltern weiss. Sonst würde es sich vielleicht hintersinnen.
Tom Cruise ist eine glühender und bekennender Scientologe. Und seine Frau wurde es auch, nachdem sie sich in den Schauspieler verliebt hatte. Liebe soll blind machen, sagt der Volksmund. (Manchmal hat er sogar recht.)
Somit ist das Schicksal von klein Suri (Prinzessin) besiegelt. Mindestens vorläufig. Das Mädchen wird scientologisch erzogen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Es hat keine Wahl. Dass ihm die Eltern damit wohl einen Bärendienst erweisen werden, weiss es (noch) nicht.
Was bedeutet eine scientologische Erziehung? Das Kind bekommt wohl eine Scientologin als Nanny. Dann wird es schon bald in den „Genuss“ von Kinder-Dianetik kommen, eine Art scientologischer Therapie. Es wird auf der Zeitspurt zurückwandern durch frühere Leben, 100’000 Jahre, vielleicht 1 Million Jahre. Dabei wird es nach so genannten Engrammen suchen, traumatischen Erlebnisse aus früheren Leben. Man wird ihm weis machen, dass ein böser Fürst Xenu uns vor etwa 75 Millionen Jahren geistig verkrüppelt hat. Es wird glauben, dass unsere Thetane (Seelen) von einem fernen Planeten eingewandert sind. Und man wird ihm eintrichtern, dass Errettung und Erlösung nur denjenigen zukommen werden, die (teure) Kurse bei Scientology belegen. Ja, wird man ihm sagen, wenn du schön brav die Schriften von Ron Hubbard studierst und Kurse absolvierst, dann wirst du ein Genie, dann winkt dir die Unsterblichkeit.
Und es wird natürlich eine Scientology-Schule besuchen oder von Scientology-Lehrern Privatunterricht erhalten. Somit schliesst sich der ideologische Kreis: Das Mädchen wird die Welt ausschliesslich durch die scientologische Brille erfahren. Und diese Brille ist mit Gläsern bestückt, welche die Welt total verzerren.
Und was passiert, wenn es diese Brille eines Tages ablegen will, um die Welt einmal mit blossen Augen zu betrachten?
Ein Lied davon könnte ein 15-jähriges Mädchen singen, das zusammen mit den Eltern in einer fernöstlichen Gurugemeinschaft aufgewachsen ist. Es hat jahrelang meditiert und für die Gruppe gearbeitet. Die Schule besuchte es nie. Dann gingen dem Vater die Augen auf, er verliess die Gruppe. Er wollte unbedingt, dass seine Tochter wenigstens einen Teil des Schulwissens nachholen konnte. Doch die Richter gaben das Sorgerecht der Mutter. Als das Mädchen zwölf war, begann es zu rebellieren. Es wollte die Gruppe verlassen. Doch es musste realisieren, dass es ohne Schulabschluss in der Gesellschaft verloren war. So liess es sich von seiner Mutter weich klopfen und kehrte bald wieder in den Schoss der Gruppe zurück. Durch die Indoktrination und Entfremdung von der Umwelt hatten ihm die Eltern die Zukunft verbaut.
Die Chancen für das kleine Mädchen von Tom Cruise und Katie Holmes dürften besser sein. Es wird berühmt werden und muss sich keine Existenzsorgen machen. Doch die Eltern rauben ihm die geistige Freiheit, bevor es richtig denken kann. Leider gibt es kein Gesetz, das Kindern erlaubt, die Eltern wegen geistiger oder religiöser Manipulation einzuklagen.