Tom Cruise ist ein Paradebeispiel dafür, wie jahrelange Indiktrination Menschen verändert und in eine Gegenwelt entführt. Als Beispiel füge ich den artikel an, den ich heute im Tages-Anzeiger veröffentlicht habe.
Die Gehirnwäscher aus Hollywood», titelte die «Süddeutsche Zeitung» vergangene Woche. Die Überschrift signalisiert, dass die Filmwelt aus den Fugen geraten ist. In Wirklichkeit ist alles viel schlimmer: Der Film «Walküre», in dem der 45-jährige Scientologe Tom Cruise den Hitler-Attentäter Graf von Stauffenberg spielt, spaltet Deutschland. (Der Film läuft im Sommer an.) Nun liegen sich Politiker, Historiker, Künstler und Medienschaffende in den Haaren. Dabei geht es um die einfache Frage: Darf das «gehirngewaschene» Sektenmitglied Cruise den Freiheitskämpfer Stauffenberg geben?
An der Frage beissen sich die Deutschen mit flächendeckender medialer Begleitung die Zähne aus. Der «Stern» hievte Cruise auf den Titel, sogar die vornehme «Zeit» öffnete ihre Spalten.
Die Scientologen freuts ungemein. Dank Cruise hat die Sekte den Aufstieg in die Championsleague geschafft. Ein Traum für die Hubbard-Truppe, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Deutschland für die Scientologen zu erobern. Mit Cruise zieht ein wenig Hollywood-Glamour in die spartanischen Kursräume von Hubbards Arbeitskolonnen ein. Soll da einer noch sagen, Scientology sei eine Sekte.
Tom Cruise ist für Scientology wie ein Sechser im Lotto. Die Psychosekte hat allerdings hart für den Volltreffer gearbeitet und Millionen in ein Promi-Projekt investiert. In Hollywood führen sie ein mondänes Zentrum, um den Stars den Puls fühlen zu können. So gingen Hubbards Missionskolonnen mehrere Kinohelden ins Netz.
Seit der Trennung von Nicole Kidman spielt Cruise mit heiligem Eifer den Scientology-Botschafter und löste John Travolta ab. Cruise lässt keine Gelegenheit aus, sich mit dem ganzen Gewicht seiner Prominenz für die amerikanische Bewegung ins Zeug zu legen. Bei den Dreharbeiten zum Film «Krieg der Welten» sponserte der Schauspieler ein Scientology-Zelt, in dem die gesamte Filmcrew von «ehrenamtlichen Geistlichen» betreut wurde und eine Einführung in die Geheimnisse der Sekte über sich ergehen lassen musste. Die Macht des Scientologen Cruise geht so weit, dass Regisseur Steven Spielberg die PR-Aktion dulden musste. Ausserdem nahmen etwa 20 Manager des Filmverleihs United International Pictures mehr oder weniger freiwillig an einer Führung durch das Scientology-Zentrum in Los Angeles teil. In Hollywood will es niemand mit dem mächtigen Cruise verderben. Alle bangen um Rollen und Jobs.
Zurück nach Deutschland. Cruise spaltete die geistige Elite, als er letzten Herbst für die Dreharbeiten zum Film über den Hitler-Attentäter in Berlin weilte. Boulevardmedien feierten den Star, und Promis standen Schlange, um ihm die Hand zu schütteln. Unter ihnen der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit. Als Cruise dann vom Burda-Verlag den Bambi-Preis für besonderen Mut erhielt, wurde es manchen doch mulmig.
Nicht so Frank Schirrmacher, Herausgeber der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Er fühlte sich geehrt, die Laudatio auf Cruise halten zu dürfen. Prompt titelte seine Zeitung: «Deutschlands Hoffnung heisst Tom Cruise ». «Bild» hingegen schlug einen Salto und hielt in grossen Lettern fest: «Tom Cruise jetzt völlig durchgeknallt.» Grund: «seine irre Rede bei der Bambi-Verleihung». Cruise quittierte Schirrmachers Lobrede mit dem Ausruf: «Es lebe das heilige Deutschland.»
Die Schmierenkomödie torkelte von Höhepunkt zu Höhepunkt. Ein klares Zeichen setzten einzig die Innenminister, die in dieser Zeit den Beschluss fassten, ein Verbot von Scientology zu prüfen.
Doch es kam noch dicker. Im Internet tauchte plötzlich ein Video auf, das Cruise an einer Scientology-Veranstaltung in der Pose eines Diktators zeigt. In seiner kruden Rede rief Cruise im besten Scientology-Jargon: «We clean this place up», was nach scientologischer Ideologie und hubbardschem Machtverständnis nur eines bedeuten kann: «Wir wollen die Welt säubern». ZDF-Historiker Guido Knopp kommentierte: «Tom Cruise tritt wie Goebbels auf.»
Und dieser Tom Cruise spielt nun den Hitler-Attentäter Stauffenberg. So real kann nur die Wirklichkeit Satiren schreiben. Das Lachen ist aber den meisten Deutschen vergangen.
Für die deutschen Scientologen ist es ein Triumph sondergleichen, dass ihr Superheld Cruise den Hitler-Attentäter spielt. So ist Cruise nicht nur der Hauptdarsteller, er ist auch Produzent des Films. Nicht zufällig, denn Deutschland ist das einzige Land, das vor der Sekte noch nicht kapituliert hat. Die eigenen geschichtlichen Erfahrungen haben unsern Nachbarn für totalitäre Systeme, wie Scientology eines verkörpert, sensibilisiert.
Darf Cruise also den Hitler-Attentäter spielen? Halten wir fest: Cruise ist durch und durch Scientologe. Er benutzt seine Popularität als Hollywoodstar, um für die Sekte zu werben. Er vermischt die Rollen als Scientologe und Schauspieler. Ausserdem tritt er als Botschafter der Sekte auf. Man darf gar die Aussage wagen: Er ist zuerst Scientologe und dann Schauspieler. Als Scientologe glaubt er, ein Genie und ein unsterbliches Wesen zu werden. Als Schauspieler bewegt er sich «lediglich» auf dem vergänglichen weltlichen Parkett.
Trotzdem darf Cruise natürlich jede beliebige Rolle spielen, auch den Stauffenberg. Die Frage lautet vielmehr: Ist das sinnvoll? Ist er als Freiheitskämpfer glaubwürdig?
Nach den Auseinandersetzungen können informierte Kinobesucher nicht mehr unbelastet Cruise in «Walküre» bewundern. Sie werden permanent daran erinnert, dass er ein glühender Missionar einer totalitären Organisation ist. Hinter dem Freiheitskämpfer Stauffenberg wird stets die Sektenfratze hervorgucken, denn Cruise steht das Sektenstigma ins Gesicht geschrieben. Damit hat sich Cruise selbst als Stauffenberg unmöglich gemacht.
Allerdings treffen diese Aussagen nur auf Deutschland und Teile Europas zu, denn in den sektenfreundlichen USA wird Scientology weit gehend als Kirche betrachtet. Das kümmert Cruise wenig. Hauptsache, er kann das verhasste Deutschland in Aufruhr versetzen.