Die UFO-Szene ist wieder einmal in heller Aufregung. Am vergangenen Samstag sichteten viele Amerikaner vor der Küste von Los Angeles eine mysteriöse Erscheinung. «Da ist ein UFO in Los Angeles. Ich bin so aufgeregt», twitterte sofort ein UFO-Fan. Die Nachricht verbreitete sich in den sozialen Medien rasch um die Welt. Der bekannte amerikanische Videoblogger Julien Solomita schaltete ein Filmchen über die seltsame Himmelserscheinung auf, das inzwischen über 8 Millionen Mal angeklickt wurde.
Bereits über 8 Millionen Mal angeklickt: Das Video, das die seltsame Himmelserscheinung zeigt. (Video: Julien Solomita/Youtube)
Die UFO-Fans glaubten, endlich die Existenz von unbekannten Flugobjekten beweisen zu können, und die Apokalyptiker interpretierten die Himmelserscheinung als Auftakt zur Endzeit. Die grassierende Hysterie und Weltuntergangsstimmung bewogen das amerikanische Militär, das Rätsel aufzulösen. Die Marine habe eine Langstreckenrakete vom Typ Trident II getestet, liess sie in einer Medienerklärung verlauten. Der Flugkörper sei unbewaffnet gewesen und vom Atom-U-Boot USS Kentucky abgefeuert worden.
Der Vorfall ist ein Lehrstück in Sachen Aberglaube. Die UFO-Fans und Endzeitgläubigen haben ihre Antennen dauernd ausgefahren, um Beobachtungen, Phänomene und Erkenntnisse zu sammeln, die ihr Weltbild bestätigen. Dabei sind sie so stark darauf fokussiert, dass sie ihre Wahrnehmung einschränken und ihren Verstand knebeln. Kurz: Sie blenden alle Deutungsmöglichkeiten aus, die ihrer These widersprechen könnten. Ihr Bewusstsein wird von Sehnsucht, Hoffnung und (Aber-)Glaube bestimmt. Sie ordnen alles ihrer fixen Idee unter und blenden radikal aus, was nicht in ihr Denkschema passt. Vor allem verdrängen sie die naheliegendsten Antworten.
Ein solcher Aberglaube bedingt, dass die Gläubigen Informationen selektiv wahrnehmen. Kritischer Verstand und Vernunft werden unterdrückt. Nach diesem Muster legen sich auch die Weltverschwörungstheoretiker ihr politisches Weltbild zurecht.
Nach dem gleichen Prinzip funktioniert auch der Aberglaube in esoterischen, spirituellen und religiösen Gruppen und Bewegungen. Radikale Gläubige haben Angst, Heilslehre und Praktiken ihrer Gemeinschaft zu hinterfragen, weil ihr Glaubenssystem ins Wanken geraten könnte. Dies würde auch ihre Identität und ihr Selbstverständnis tangieren. Denn es wird oft vergessen, dass der Aberglaube unser Bewusstsein umfassend prägt und auch Auswirkungen auf unser Denken, Empfinden und Verhalten im Alltag hat.
Ähnliche psychische und gruppendynamische Prozesse durchlaufen radikalisierte junge Leute, die mit den IS-Schergen in den heiligen Krieg ziehen. Sie erleiden Wahrnehmungsverschiebungen und Realitätsverluste und blenden aus, dass sie Täter in einem entsetzlichen Krieg gegen die Bevölkerung werden. In ihrer Euphorie erlöschen moralische und ethische Werte. Dabei realisieren sie nicht, dass sie ein indoktriniertes Instrument in den Händen ruchloser Terroristen und Mörder werden. Was sie als Freiheit empfinden, ist die radikalste Form von Abhängigkeit.