In diesen festlichen Tagen hauen die Reichen und Schönen in St. Moritz – und in anderen mondänen Ort – auf den Putz, dass sich die Balken und biegen und die Fassade der Nobelherberge Palace blättert. Es wird der entfesselte Hedonismus zelebriert. Im Kings Club, der Disco des Palace, kostet eine Flasche Dom Perignon 1400 Franken, wie Hannes Nussbaumer im heutigen Tages-Anzeiger berichtet. Die Privatjets starten und landen im nahen Flughafen wie nervöse Bienen. Die „Schnee“-Konzentration im Urin ist höher als auf den Pisten, wie frühere Abwasserproben gezeigt haben. Ohne Pelz geht Frau nicht aus. Die Diskussion um das Leiden der Pelzlieferanten hat St. Moritz noch nicht erreicht. Die Edelboutiquen werden gestürmt, als gehörte Gold zum Notvorrat im drohenden 3. Weltkrieg.
Am Jahresende wird das eigene Ego noch einmal auf dem Hochaltar des Konsumtempels zelebriert. Der homo sapiens des 21. Jahrhunderts hat ein Glaubensgen entwickelt, das ihn selbst als Messias erkennen lässt. Jeder sein eigener kleiner Gott. Und je protziger der Auftritt, desto heller der Gottesglanz.
Die Reichen und denen, die sich wie Reiche verhalten, möchte ich vor ihrem champagnernassen Übergang ins neue Jahr auf ein kleines Detail ihres Verhaltens aufmerksam machen. Wer sich in Gesellschaft in Szene setzt, will auffallen und gesehen werden. Doch wenn alle sich auf das Gesehenwerden konzentrieren, schaut keiner mehr. Also sieht keiner die neue Freundin mit den Model-Massen, das teure Collier, den Rolls, den braunen Teint von den Südsee-Ferien…
Laut Hegel ist die geistige Anstrengung, die Welt zu begreifen, die wirksamste Kraft der Veränderung. Ein Blick auf das silvesterliche St. Moritz zeigt zwar, dass sich die Welt verändert. Aber kaum im hegelschen Sinne einer geistigen Veränderung. Das „Gottesgen“ steht dem Geist im Weg.
Diese evolutionäre Entwicklung ist offenbar an mir vorbei gerauscht. Ich vermag einfach keine Freude am Prunkvollen zu empfinden. Manchmal komme ich mir schon fast asozial vor. Der Blick für die Fassade ist bei mir unterentwickelt. In intellektueller Bescheidenheit suche ich lieber das Nahe, Direkte, Authentische. Vielleicht bin ich blöd. Oder beschränkt. Oder einfach nur noch ein bisschen menschlich? Zu meiner Entschuldigung hoffe ich, dass das Menschliche im neuen Jahr nicht als unmenschlich bewertet wird.
In diesem Sinn ein Prost auf ein 2007, in dem wir hoffentlich nicht ganz vergessen, dass wir besser nicht Gott werden wollen.
Und allen Bloggern ein herzliches Dankeschön für die vielen Emotionen, die Ihr mit Euern zum Teil wunderbaren Kommentaren ausgelöst habt. Einiges in der Netzdiskussion mag virtuell sein, die Gefühle sind echt.
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@feelx
” Das mit dem Kontrolltum sehe ich ein. Ich möchte mal behaupten, dass ein altes Wort dafür auch zutrifft: Herrschaft. “
Einverstanden, Sie kennen sich in dieser Sprache besser aus.
” Sind Sie auch der Meinung, dass sich die Herrschaftsverhältnisse vom Politischen ins Ökonomische verlagert haben, oder war das auch immer schon so? “
Nein, eher vom Geburts- oder Familienrechtlichen ins Ökonomische.
” Wir leben in einer Welt mächtiger globalagierender Wirtschaftskonzerne. “
Stimmt
“Von daher wäre ein wirklich freier Markt erst dann möglich, wenn alle sozusagen bei Null anfangen könnten. Ist aber nicht so. Scheint es nicht so, dass gerade die Befürworter einer freien Marktwirtschaft Interessenvertreter jener global agierenden Wirtschaftskonzerne sind? “
Richtig. Diese Wirtschaftskonzerne nutzen ihren Einfluss in die Politik zum eigenen Vorteil. Müssen sie auch weil ihre Konkurrenten es auch tun. Sind Sie mit mir einverstanden, die “Politik” sind auch nur Menschen die einen Vorteil suchen. Nehmen wir die Politik weg, kann sie von den Wirtschaftskonzernen nicht mehr ausgenutzt werden. Übrigens hatten wir in den letzten 10-20 Jahren vor allem im Internetbereich mehrere grosse Firmen die aus dem Nichts geboren sind.
” Scheint es nicht so, dass dieser „freie“ Markt, in dem diese potenten Konzerne einen Vorteil haben, zu Monopolisierung neigt, wenn hier nicht von politischer Seite gegengehalten wird? “
Bitte lesen Sie meinen Betrag vom 2007-01-06 16:24:57 noch mal.
” Ich erinnere mich wieder, dass Sie sich als Anarchist bezeichneten. “
Stimmt, aber mit Bedingungen.
” Wenn ich Sie recht verstehe, meinen Sie, dass es gut wäre, die politische Einflussnahme auf die Wirtschaft auf ein Minimum zu reduzieren und den Markt “spielen“ zu lassen. Das aber ist neoliberales Gedankengut. Würden Sie nicht sagen, dass Neoliberalismus eine Form von Anarchie ist? “
Schon möglich. Das Problem mit Kategorisieren ist, dass sobald man sich kategorisieren lässt, man alles in dieser Kategorie verteidigen muss. Ein gutes Beispiel sind die politischen Parteien.
” Politische Herrschaftslosigkeit zugunsten ökonomischer Freiheit? Aber versteckt sich hinter dieser ökonomischen Freiheit nicht wieder ein Herrschaftsverhältnis? “
Möglich, womit wir wieder beim Anfang wären. Es war schon immer so.
Noch ein Wort zur Umverteilung. Wir wissen die Hälfte der Menschen in Indien sind arm. Das wären dann etwa 500 Millionen arme Menschen. Nun sagen wir mal, Bill Gates würde das Vermögen das er kontrolliert, auf diese halbe Milliarde Menschen verteilen. Dass heisst jeder Inder kontrolliert nun etwa 600 Dollars. Was würde das ändern?
Oder sagen wir Bill Gates gäbe alle Rechte zu seinem Vermögen zu irgend einem Staat. Was würde das ändern?
Dazu müssen wir uns immer vor Augen halten, dass dieses Vermögen nur existiert, weil Leute mit guten Ideen, Werte produziert haben. Wenn diese Leute nicht ein Vermögen daraus gemacht hätten, gäbe es auch kein Vermögen zu verteilen.
rg
@rg
So wenig Staat wie möglich.
dann sind sie also auch ein Verfechter des Ellbogismus – “der Stärkere gewinnt”. Historisch betrachtet hat der Staat immer dann Aufgaben erhalten, wenn es darum ging, die Folgenzu vermindern, wenn sich einzelne ein zu grosses Stück am Kuchen sichern wollten…
@rg
Nun sagen wir mal, Bill Gates würde das Vermögen das er kontrolliert, auf diese halbe Milliarde Menschen verteilen. Dass heisst jeder Inder kontrolliert nun etwa 600 Dollars. Was würde das ändern?
Sehr wohl – siehe zum Beispiel der Friedensnobelpreisträger 2006 Muhammad Yunus – Mikrokredite können die Welt (zumindest in Indien) verändern.
@pedaler
” dann sind sie also auch ein Verfechter des Ellbogismus “
Sie tun es schon wieder. Immer dieses Kategorisieren. Und hören Sie einmal mit diesem Kuchen auf, den gibt es nicht, zumindest nicht in eine fixen Grösse wie Sie ch ihn vorstellen. Denken Sie wirklich, dass es den Leuten, in Indien besser ginge, wenn der Staat noch mehr Einfluss hätte?
Ich verstehe nicht was Sie mit dem Beitrag 2007-01-09 23:30:43 sagen wollen.
Bill Gates unterstützt die Mikrokredite aktiv. Dazu kommt, dass das Geld das da verliehen wird zuerst einmal von irgendwo kommen muss. Denken Sie nicht auch?
rg
Ich verstehe nicht, warum Menschen andern Menschen mit derartiger Verbissenheit deren Lebenswandel vorwerfen.
Ich frage mich da, ob die Hetzer nicht im tiefsten unsicher über ihren eigenen Lebenswandel-wert sind und um ihre Unsicherheit zu kaschieren die andern runtermachen.
Scientology: Grundrechtlich geschützte Kirche und Schule oder gefährliche Sekte?
Scientology zieht nach wie vor viele Menschen in ihren Bann. Viele Menschen werden finanziell und psychisch in den Ruin gezogen. Wir fragen uns nun, warum nichts dagegen getan wird? Eines der Aufgaben des Staates ist es doch die Sicherheit der individuellen Freiheit und des Eigentums zu schützen. Doch im Fall Scientology scheinen dem Staat die Hände gebunden zu sein. Warum ist das so? Warum kann der Staat nichts gegen Scientology tun? Kann der Staat nicht grundrechtliche Aspekte geltend machen und Scientology ein für alle mal aus dem Verkehr ziehen?
die fleissigsten schreib und kopiermaschinen!
bei den 70 im jahr 2006 erstellten impulstexten wurden 8574 kommentare publiziert.
davon entfallen:
00409 auf feelx:
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00321 auf rg:
00317 auf Werner:
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nobody, ein körperloser bitstring.