
Wird sein Ablassversprechen dereinst als Anmassung und Sünde bewertet? Der Papst bei der Weihnachtsmesse am 25. Dezember 2015. Foto: L’Osservatore Romano/AP
Die katholische Kirche kämpft seit Jahren mit Imageproblemen. Die negativen Schlagzeilen überwiegen die erfreulichen Meldungen bei weitem: Sexueller Missbrauch, Verschwendungssucht, Skandale bei der Vatikan-Bank, magere Ergebnisse bei der Bischofssynode usw.
Da kommt die Ausrufung des Heiligen Jahres, wie es der Papst an Weihnachten getan hat, zur rechten Zeit. Es gibt der Kurie etwas Luft und ist ein Fest für die Gläubigen. Diese werden Rom 2016 stürmen – es werden 30 Millionen erwartet –, die Stadt wird sich in einen Rummelplatz verwandeln.
Der grösste Anreiz für eine Pilgerreise im Heiligen Jahr, auch Jubeljahr genannt, liegt im versprochenen Ablass. Wer das Ritual erfolgreich absolviert, fährt frei von Sünden heim, wie der Papst verspricht. Egal, ob er ein Kriegsverbrecher, Mörder oder Betrüger ist. Also auch Todsünden werden angeblich getilgt, das Tor zum Himmel öffnet sich nach dem Jüngsten Gericht auch den Verbrechern, wenn sie denn das Ablassritual absolviert haben.
Die Befreiung von den Sünden im Heiligen Jahr ist keine Hexerei. Es braucht keine Wiedergutmachung, keine Fronarbeit für das Reich Gottes, keine Kasteiung mit einer Dornenkrone oder einer Geissel. Die Gläubigen müssen für die grosse Reinigung lediglich die Beichte ablegen, die Kommunion empfangen, das Glaubensbekenntnis ablegen, ein Gebet für den Papst sprechen – hat er das nötig? – und eine heilige Pforte durchschreiten. Die beliebteste befindet sich in der Vorhalle der päpstlichen Basilika von San Giovanni in Laterano in Rom, die normalerweise zugemauert ist, in den Jubeljahren jedoch vom Papst feierlich geöffnet wird.
Heilige Jahre haben in der katholischen Kirche Tradition. Papst Bonifatius VIII. rief im Jahr 1300 zum ersten Mal ein Jubeljahr aus. Meistens fanden diese nach jeweils 25 Jahren statt, diesmal schon nach 15 Jahren. Die Kurie braucht offenbar dringend einen Befreiungsschlag.
Es ist eine der verstörenden religiösen Besonderheiten, dass ein Mensch einen Sündenablass verfügen kann. Pfuscht der Papst damit Gott nicht ins Handwerk? Das Ritual widerspricht dem Gerechtigkeitssinn. Ein Beispiel: Ein Mann, der Ehebruch begangen, den Ablass aber nicht geleistet hat, wird dereinst aus dem Himmel verbannt. Ein Mörder hingegen, der im Jubeljahr rasch durch die Heilige Pforte schlüpfte, findet beim Jüngsten Gericht Gnade.
Ob Gott da mitspielt? Und was ist, wenn sich die Päpste mit dem Ausrufen der Heiligen Jahre verspekuliert haben? Wird vielleicht ihr Ablassversprechen dereinst als Anmassung und Sünde bewertet?
Nimmt man die Bibel als Massstab, könnte dies durchaus passieren. So lesen wir beispielsweise bei Matthäus:
«Ihr Nattern, ihr Schlangenbrut! Wie wollt ihr dem Strafgericht der Hölle entrinnen?» (Mt 23,33)
In einem Korintherbrief heisst es:
«Wisst ihr denn nicht, dass Ungerechte das Reich Gottes nicht erben werden? Täuscht euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, weder Ehebrecher noch Lustknaben, noch Knabenschänder, noch Diebe, noch Habgierige, keine Trinker, keine Lästerer, keine Räuber werden das Reich Gottes erben.» (1. Kor 6,9–10)
An anderer Stelle schreibt der Evangelist Matthäus:
«Wie nun das Unkraut aufgesammelt und im Feuer verbrannt wird, so wird es auch am Ende der Welt sein: Der Menschensohn wird seine Engel aussenden und sie werden aus seinem Reich alle zusammenholen, die andere verführt und Gottes Gesetz übertreten haben, und werden sie in den Ofen werfen, in dem das Feuer brennt. Dort werden sie heulen und mit den Zähnen knirschen.» (Mt 13,40–42)
Bei solchen Worten kommen Zweifel auf, ob Gott den billigen Ablass der katholischen Kirche akzeptiert und Betrüger und Mörder begnadigt, die das Ablassritual absolvierten. Denn dieses garantiert ja nicht einmal, dass die Sünder ihre Taten bereuen.
gewaltaffin, hiess das: Rechtschreibeprogramm!
@ gabi
Das Christentum wurde auch schon dazu verwendet, Krieg zu führen und “Ungläubige” zu massakrieren.
Ähnlich wie der Islam ist das Christentum eine Ideologie, die mit einem schematischen und moralisierenden Gut-Böse-Denken das “Fundament” legt für militärisches Freund-Feind-Denken, in dem wir die “Frteunde” idealisieren und die “Feinde” dämonisieren, obwohl sie alle einfach nur Menschen sind.
Ja wir können solche ideologisch verblendete und “ferngesteuerte”, Gefühlstaube Fanatiker nicht vom Verderben retten.
Sie glauben, ins Paradies zu kommen und geraten genau damit in “Teufels Küche”.
Für diese armen “verlorenen Seelen”, diese “lebend Toten” können wir nichts mehr tun, da sie uns als teuflische Versucher sehen, wenn wir ihnen raus helfen wollen.
Darum lassen wir besser die Finger davon und gehen ihnen -soweit es geht- aus dem Weg.
Sollten wir ihnen nicht ausweichen können, dann gibt es nur den “Spiegelkampf”.
Wenn sie “blöd” tun, dann tun wir auch blöd.
Wenn sie Frauen begrabschen und vergewaltigen, dann sperren wir sie ein, oder legen sie um, ohne mit der Wimper zu zucken.
@ gabi
Der weitgereiste Katholische Pfarrer an unserem Wohnort sieht alle Religionen als Variationen ein und desselben spirituellen Bewusstseins, das alle Menschen haben und sie mit dem Natürlichen und Kosmischen verbindet.
jede Religions-Richtung habe dabei ihre Stärken und Schwächen, Vorzüge und Nachteile.
Dieser pan-religiösen Sichtweise, die jetzt wirklich modern ist, schliesse ich mich an.
@ Eleuteria
10. Januar 2016 um 11:40
“Ich habe mich immer für dich eingesetzt, wenn du von Bloggern wie Rodolfo und Ueli in eine bestimmte Eck gestellt wurdest.”
Das habe ich doch bemerkt und ich danke dir dafür.
” trotzdem gibt es Punkte, wo wir uns halt nicht einig sind.”
Ich befürchte, das würde auch so bleiben, wenn wir Kaffee trinekn ohne Zucker, aber vieles würde sich ganz bestimmt auflösen.
Weiss nicht, ob der schon bekannt ist, aber noch einmal eine gute Erklärung von Hamed abdel samad zum Islam.
Er scheut sich keineswegs, die Rolle des Westens anzusprechen, ohne zu relativieren
http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-12/hamed-abdel-sama-islam-kritik-muslime-fundamentalismus
@ olive
Also nehmen wir an, der Islam sei tatsächlich böse.
Was wollen Sie jetzt mit dem Islam machen?
Übrigens: Frauen verhüllt herum laufen zu lassen, ist ein klares Bekenntnis zur Segregation und zur Ungleichheit von Mann und Frau!
Ich versteh´s einfach nicht. Und das macht´s willkürlich, Hugo Stamm:
Wo ist die Logik (anhand derer der Delinquent ja etwas lernen könnte), wenn nun dieser letzte Kommentar bleibt, zugleich aber X Kommentare verschwunden sind, auf welche andere, folgende, Kommentare sich dann aber bezogen haben… Und nun etwas nutz- und zusammenhanglos in Ihrem Blog rumstehen?
Niemand hier ist je hinter diese transzendentale Logik gestiegen, geschweige denn, hätte irgendwie einordnen können, wie hier gelöscht und vor allem, was im gleichen Atemzug stehengelassen wurde.
Ja. Ich seh`s ein.
Merci, Rabbi.
Der Ablass ist nicht so einfach, wie es hier beschrieben ist.
Es gehört dazu eine Beichte: Das beinhaltet eine genaue Gewissenserforschung, ein Bekenntnis und vor allem die Reue und den Vorsatz den oder die begangenen Fehler nicht mehr zu wiederholen. Dann werden von unserem Gott diesem Menschen die Sünden vergeben.
Herr Saxer
Danke dass endlich jemand darauf hinweist, dass der Ablass nichts, aber auch gar nichts mit Sündenvergebung zu tun hat. Nach römisch-katholischer Lehre erfolgt die Sündenvergebung im Normalfall durch das Ablegen der Beichte vor dem Priester, der dem Poenitenten nur bei ehrlicher Reue und dem Vorsatz einer Abkehr von der Sünde die Absolution, die Vergebung Gottes, zusprechen kann.
Der Ablass nun, der, wie Sie richtig feststellen, nur nach Ablegen einer ‘gültigen’ Beichte ‘erworben’ werden kann, befreit nur von den ‘zeitlichen Sündenstrafen’ die, immer nach katholischer Lehre, im Purgatorium (Fegefeuer) abzuleisten sind. Mit dem ‘Erwerb’ eines Ablasses kann der Katholik seine Aufenthaltsdauer im Reinigungsort (Purgatorium) abkürzen – im Idealfall wie im Fall des Ablasses zum Heiligen Jahr handelt es sich um einen ‘vollkommenen Ablass’, dh er tilgt alle zeitlichen Sündenstrafen.
Dies zum Grundsätzlichen des römisch-katholischen Ablasswesens, das innerhalb der Christenheit singulär ist.
Als römisch-katholischer Christ, der dem Ablasswesen aber ziemlich verständnislos gegenübersteht, ist es trotzdem peinlich zu sehen, wie die Presse praktisch unisono und ohne Prüfung der Fakten das Märchen von der Sündenvergebung durch Ablass kolportiert.