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Meister im Verdrängen

Hugo Stamm am Samstag den 17. Mai 2014
Hugo Stamm

Der Tod ist ihr Kerngeschäft: Bestatterfamilie Fisher aus der Erfolgsserie «Six Feet Under» bei der Beerdigung ihres Vaters. (Foto: HBO)

Der Tod ist vorbestimmt, sagte mir kürzlich ein Esoteriker. Dies habe vermutlich mit der karmischen Belastung zu tun, fügte er an.

Die Idee vom vorbestimmten Tod ist weitverbreitet. Bei vielen hat er nicht primär eine religiöse Seite, sondern ist psychologisch begründet. Der Glaube daran entbindet uns ein Stück weit von der Verantwortung. Ganz nach dem Motto: Es hat keinen Sinn, sich allzu viele Gedanken über das Altern und den allfälligen Todeszeitpunkt zu machen, denn im Buch des Todes ist das Datum seit der Geburt vermerkt. Das hilft über quälende Fragen hinweg.

Diese Idee nimmt auch der Angst vor dem Tod einen Teil des Schreckens. Wenn das Todesdatum feststeht, macht es auch wenig Sinn, seriös zu leben oder Vorsorge zu betreiben. Deshalb flüchten wir uns gern in die Aussage: Es kommt, wie es kommt.

Wirklich? Was ist, wenn ich rauche und an Lungenkrebs sterbe? Ist es vorbestimmt, dass ich Raucher werde? Oder hätte ich, wenn ich nicht rauchen würde, am vermeintlichen Todestag einen tödlichen Autounfall?

Wir Menschen sind Meister im Verdrängen. Denn die Idee vom Todesdatum ist voll von Widersprüchen. Vor rund 200 Jahren wurden die Menschen halb so alt wie wir. Weshalb? Hat Gott in einer lichten Stunde entschieden, das Durchschnittsalter anzuheben? Als Belohnung für kollektives Wohlverhalten?

Wohl kaum. Ursache der grösseren Lebenserwartung ist unser Erfindergeist. Technik und Wissenschaft haben unser Leben erleichtert und sicherer gemacht. Vor allem die medizinischen Fortschritte lassen uns älter werden. Zum Beispiel stieg das Durchschnittsalter schlagartig, als die Impfungen erfunden wurden.

Begründet man den Todeszeitpunkt mit der Karmatheorie, stecken wir noch tiefer im Aberglauben. Die Idee besagt, dass wir im aktuellen Dasein dafür büssen, was wir im vergangenen Leben verbockt haben. Das würde bedeuten, dass die Schönen, Reichen und Intelligenten karmisch rein sind und uralt werden, die Hässlichen, Armen und Dummen jedoch früh abberufen werden.

Die Statistik widerlegt diese Denkweise. Und somit die Karmatheorie, wenn sie in Verbindung mit dem Todesdatum gebracht wird. Denn in reichen Ländern leben Arme oft länger als Reiche, weil sie gezwungenermassen ein gesünderes Leben führen und nicht an Zivilisationskrankheiten leiden. Das Leben ist meist komplizierter, als uns Binsenwahrheiten weismachen wollen.

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375 Kommentare zu “Meister im Verdrängen”

  1. olive sagt:

    @ Roland W.
    24. Mai 2014 um 20:49

    “Dagegen sind Hunde Memmen, die sich von ihrem Herrn alles gefallen lassen. Wie die allermeisten Menschen von ihrem Arbeitgeber.”

    Diese Sicht auf Tiere ist eine typisch menschliche.
    Katzen sind nicht, wie Hunde , Rudeltiere. Dass es in einem Rudel gut funktioniert, gibt es eine gut austarierte Hierarchie, in der sich Hunde, die im Rang niederiger sind, problemlos unterwerfen.

    So wird grösserer Schaden verhindert bei Rangeleien. Und es gibt intensive positive Bindungen im Rudel.

    Sehr vernünftig, finde ich. (Die Menschen hören erst auf, wenn alle tot am Boden liegen.)

    Katzen gehen sich eher aus dem Weg.

    Tiere sollten als Tiere betrachtet werden. Eine Sau ist niemals schmutzig, wenn sie nicht vom Menschen dazu gezwungen wird, sie weicht ihrem Kot immer aus. Das Suhlen dient der Körperpflege.

    By the way: was würden Sie mit dem Hund machen, wenn er sie beissen würde?
    Ihm den Meister zeigen? Oder ihn loben, weil er so “unabhängig ” ist?

    Beides falsch.

  2. hm sagt:

    @ Alienus, Ihr Beitrag vom 23. Mai 2014 um 16:49

    Schönes Beispiel, das aufzeigt, wie ein in sich geschlossenes System Theologie sein kann. Die Positionsnahme gegen den Deismus fällt auf („Die Regierung hebt jedoch die Freiheit der Menschen nicht auf. Der Glaube an eine Vorsehung erklärt sich gegen den Deismus, welcher will, daß Gott zwar Schöpfer aller Dinge sei, daß aber die Erhaltung derselben in ihnen selbst liegt;“)
    Die Erhaltung der Dinge liegt also nicht in ihnen selbst? Nicht gerade forschrittlich, diese Enzyklopädie.

    Nein, mir ist niemand auf den Schlips getreten, wie kommen Sie darauf?

  3. Alienus sagt:

    @hm 27.05.2014 um 09.45

    Bitte nicht vergessen, diese Enzyklopädie ist ca. 250 Jahre alt!

    Wegen Schlips: Habe gemeint, da in weiter Ferne ein leichtes Röcheln gehört zu haben, denn man kann in so einem Blog die Spannung beim Schlips nicht erkennen: Ist das Ding nur in einer leichten Zupflage oder röchelt bereits der Beschriebene dem Tod entgegen?

    Nix als reine vorauseilende Fürsorge.

  4. hm sagt:

    Alienus: “Bitte nicht vergessen, diese Enzyklopädie ist ca. 250 Jahre alt!” Eben 😉
    Der Deismus über 300!

  5. hm sagt:

    @ Alienus
    Die Quelle hat übrigens einen Fehler: Natürlich müsste es concursus Dei heissen, nicht Concursus die. Der Schriftsetzer war offenbar kein Lateiner.
    🙁

  6. hm sagt:

    Alienus: “Habe gemeint, da in weiter Ferne ein leichtes Röcheln gehört zu haben”?
    Brauchen Sie die Adresse eines HNO-Spezialisten?

  7. Carl Dal Pund sagt:

    “Beides falsch.”

    @olive (25. Mai 2014 um 09:10):

    Und was ist richtig?

  8. Alienus sagt:

    @hm

    Nö, nur ne Adresse für Ohropax-Lieferanten.

  9. andersen sagt:

    Der ewige Suche nach der Kick, die Hugo Stamm erwähnt, sind beim die Esoteriker sehr ausgeprägt(Die Selbstbezogenheit), wo viele ein narzisstische Persönlichkeitsstörung hat oder man nennt es auch ein unrealistische Selbstbild,eben
    (Das Schrei von inneren: Ich liebe und ich hasse, aber ich weiss nicht warum).

    Sehr treffendes Inputtext.

    Äussert selten finden man Menschen, die ein christliche Erziehung genossen hat, in der Esoterik-Scene.

  10. hm sagt:

    @ Alienus
    Ach so. Der Text erwähnt auch noch verschiedene Gottesbeweise: einen theologischen, einen moralischen, einen physischen und theologischen sowie einen historischen.
    Liegt voll im Trend der damaligen Zeit, mittels Vernunft Gott beweisen zu wollen. Nur fehlen m.E. die Argumente.
    Wie gesagt, der Text ist schönes Beispiel für eine Art Theologie als ein in sich geschlossenes Symbolsystem.

  11. hm sagt:

    @andersen (Ihr 15.42)
    Sind Sie nicht im falschen Blog?

  12. Ueli sagt:

    @anderson
    Jawoll Frau Anderson! Eine solide christliche “Erziehung” schützt immer noch am besten vor “Blödheit” (“Esoterik”)….obwohl doch Jesus sagte, dass die “Armen im Geiste” schon einen klitzekleinen Vorteil haben – wenns um die ersten Plätze im “Himmelreich” geht. Wer macht hier die Regeln? Gott oder Frau Andersen?

  13. andersen sagt:

    Und ich habe nicht gesagt, dass Esoteriker dumm sind, nein sie sind sehr clever.
    Wer auf solche Menschen reinfällt, werde sie nicht los, bevor den Nachlass und der Konto geplündert ist.

    Man kann es durchaus mit ein Drogensucht vergleichen, beim Scientology werde die Menschen mit Benadryl und Kaliumchlorat benebelt, wenn sie nicht mehr “clear” geklärt sein wollte und somit werde die Opfer verhöhnt und sie bezeichnen sogar es als ein “Geistigen Beistand”.

  14. Alienus sagt:

    @hm

    Richtig und auch noch schön!

    Möchte allzu gerne wissen, was die Schlauberger in 250 Jahren über uns so schreiben werden, wenn sie unseren verbalen Müll finden werden.

    Drum mein Vorschlag: Am 27.05.2264 um 16.00 Uhr MEZ werden wir uns in diesem Blog zum Thema über die phil. Einstellung vor 250 Jahren besprechen.

  15. Ueli sagt:

    @andersen
    Fragen Sie doch mal die abertausenden von Kindern, die jedes Jahr von Priestern der christlichen Religion vergewaltigt werden – ob Sie die “christliche Erziehung” so schätzen wie Sie.

  16. Carl Dal Pund sagt:

    “So, die Männer wollen wohl nicht ewig das Problem in der System sein, oder?”

    @andersen (27. Mai 2014 um 16:12):

    Nicht die Maenner und die anderen Menschen, sondern die Buchtheokratien mit Geschlechterprivilegierungen und gar auch Diskriminierungen (die Wehrpflicht nur “fuer” Maenner laesst gruessen) sind das Problem…..

  17. hm sagt:

    @Alienus
    Die Schlauberger in 250 Jahren und die philosophische Eintstellung von heute?
    Ich befürchte, sie werden gar keine finden, auch nicht in diesem Blog.
    Was ist die philosophische Einstellung von heute? Ich denke, dass es gar keine mehr gibt, und wenn, dann ist sie den meisten zu abstrakt und alltagsfern.

  18. hm sagt:

    Ich denke da an einen Begriff wie “Postmoderne”, den man kaum ausgesprochen schon als schöngeistiges Konstrukt wieder abtun kann, denn bevor er festgelegt ist, ist er schon mehrfach kritisiert und dekonstruiert.
    Was gelangt denn heute noch zu Sinn, zu Bedeutung?

  19. Alienus sagt:

    @hm

    Hm, eventuell stimmt es.

    Aber es ist sicherlich realistischer, dass die phil. Einstellung doch noch da ist, der schnelle Mist und der alltägliche Dreck aber diese güldenen Werte einfach nur noch massenmäßig heftiger überlagern.

    Man muss nun im riesigen Nichts immer angestrengter und mühseliger nach dem Es suchen, aber man kann Es finden in diesem Nichts.

  20. hm sagt:

    @Alienus
    Ich für meinen Teil suche gar nichts. Oder wenn, dann häufig Distanz. Zudem macht mir ein riesiges Nichts eigentlich nichts aus, jedenfalls hab ich keine Angst davor.
    Ich weiss nicht wie das tönt, aber für einen Fatalisten halt ich mich auch nicht.
    Wünsche für heute mal viel Glück beim Finden!

  21. hm sagt:

    Ich werde mich jedenfalls kaum als schizoider Nihilist outen wollen.
    Es ist ja auch immer nur ein Teil sinnlos.
    Da bleibt immer auch ein anderer Teil übrig: Der Teil nebst dem, was eigentlich grübeln (oder noch schlimmer …) ist.
    So, ich werd schon melancholisch.

  22. Alienus sagt:

    @hm

    Na, na @hm.

    @hm

    So ein Nichts zu finden ist wirklich herrlich. Man sucht nach dem Nichts. Man kann Es finden oder auch nicht, denn man muss Es nicht. Das Nichts ist jederzeit, an jedem Ort, kann durch Jederfrau und Jedermann sowie sogar durch indifferente Wesen wie Chonschi Wurst gefunden werden.

    Und auch noch zu jedem Zweck und zu jedem Anlass ist Es zu finden. Es ist an jedem Ort und man kann Es zu jeder Gelegenheit entdecken. Man muss Es nur finden wollen, dieses Nichts. Es passt in jede Tasche, in jedes Auto und jeder kann es sich vorstellen. Es ist allgegenwärtig, dieses wunderbare Nichts.

    Sind diese Sinnsprüchlein doch nicht recht herzig-goldig, aber wahr: Nichts mach mich glücklicher…… Nichts wirft mich um wie dieses ……. Es ist doch gigantisch und um Nichts in der Wret möchte man Es tauschen ………. Die Welt vist oller Nichts, diesem umwerfenden Es in Nichts, aber kaum ein Mensch nimmt Es gewahr. Es koster auch Nichts.

    Somit ein tolles Ding, dieses Es, dass auch das Nichts ist. Nichts ist Es , dieses Es im Nichts.

  23. andersen sagt:

    Abertausend von Kindern, die von Pädophile missbraucht wird, sagen Sie und ich soll sie Fragen?

    Nein, ehrlicher wäre es, wenn die Pädophile ein Therapieplatz würde suchen und sich nicht in Priesterkleidern und sonst noch wo, sich verstecken wurde.
    Sie fragen mich, wer macht die Regeln, Gott oder ich.
    Die reformierte Kirche hat kein Guru oder ein Freiherr, die das Sagen hat, am wenigsten Sie, Mister Ueli.

  24. olive sagt:

    @ Carl Dal Pund
    27. Mai 2014 um 11:40

    Na, ihn zum Beispiel mit strenger Stimme zur Ordnung rufen und Übungen wie Sitz und Platz machen lassen, damit er wieder weiss, wo sein Platz ist.
    Sollte er das nie gewusst haben, ist er ein armer Hund.
    Der Mensch muss die Führung übernehmen, dann kann man auch mit ihm spielen und fröhlich sein.
    Dem Hund ist es wohl, wenn er weiss, wo sein Platz ist.

  25. Jana sagt:

    Vor 200 Jahren wurden die Menschen nicht HALB so alt wie heute – Die Menschen konnten schon damals 80, 90 Jahre alt werden -, sondern das Durchschnittsalter war viel tiefer. Das lag an der viel höheren Kindersterblichkeit, und nicht etwa daran, dass alle Leute mit 40 tot umfielen.