Sind Protestanten fleissiger?

Die Industrialisierung in Schönenwerd SO: Links die 1868 erbaute Elastikweberei, dahinter die Mechanische Schusterei von Bally. Quelle: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv
Gibt es einen Zusammenhang zwischen einer «protestantischen Ethik» und einem «Geist des Kapitalismus»? Die konfessionell gespaltene und kleinräumig gestaltete Schweiz ist wie geschaffen für die Prüfung der berühmten These von Max Weber. Gegen den preussischen Soziologen hat der Basler Historiker Herbert Lüthy, Autor von «Die protestantische Bank in Frankreich», die Ansicht vertreten, die Ursache für das konfessionelle Wirtschaftsgefälle liege in der katholischen Gegenreformation. Diese habe die vorreformatorische Dynamik blockiert.
Die zwei Thesen sollen hier am Beispiel der beiden Appenzell, des konservativ-katholischen Zug und des liberal-katholischen Solothurn geprüft werden.
«Im Schoss des Müssiggangs»
Während die Bevölkerung im katholischen Innerrhoden zwischen 1530 und 1730 um lediglich 30 Prozent zunahm, wuchs sie im protestantischen Ausserrhoden um spektakuläre 500 Prozent. Die Verdienstmöglichkeiten dank der Textilproduktion machten Ausserrhoden Ende des 18. Jahrhunderts zu einer der dichtest bevölkerten Regionen Europas. Fremde Besucher beschrieben die Innerrhödler als Menschen, die «im Schoss der Ruhe und des Müssiggangs» das Leben geniessen. Die «reformierten Appenzeller» seien «zu Industrie und Handel mehr geneigt».
Der Unterschied zwischen den beiden politisch ähnlich organisierten Halbkantonen lässt sich nur konfessionell erklären. Und er ist so gross, dass man wohl von beiden Thesen ausgehen muss. Weber hat recht für Ausserrhoden: Der Protestantismus regte zu modernerem Wirtschaften an. Lüthy hat recht für Innerrhoden: Der Katholizismus bremste die Dynamik. Hier kommt ein Faktor dazu, der allgemein unterschätzt wird: das Söldnerwesen. Dieses hatte für Innerrhoden eine viel grössere Bedeutung als für Ausserrhoden. Die Reisläuferei hatte ähnliche Folgen wie es heute der Rohstoff-Fluch für die Dritte Welt hat. Die Erträge wurden verschleudert oder immobilisiert statt innovativ investiert.
Vom Theologensohn zum Industriellen
Zug war der erste katholische Kanton, der sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts stark industrialisierte. Allerdings wurden praktisch alle Fabriken von Zürcher Protestanten gegründet – in Zusammenarbeit mit einheimischen Liberalen. Die meisten Fachkräfte waren ebenfalls Zugewanderte aus dem reformierten Nachbarkanton.
Für die Weber-These sprechen hier zwei starke Symbole: Die erste protestantische Kirche wurde 1867 in Baar mithilfe der Spinnerei an der Lorze auf deren Gelände erbaut; die Spinnerei war damals der grösste Textilbetrieb der Schweiz. Zuvor hatten die reformierten Gottesdienste in der grössten Fabrikhalle, dem Packsaal, stattgefunden. Der neben seinem Schwiegervater Karl H. Gyr wohl wichtigste Zuger Industrielle des 20. Jahrhunderts war der Landis&Gyr-Direktor Andreas C. Brunner. Er war der Sohn des bekannten Schweizer Theologen Emil Brunner.
Allerdings ist auch beim Zuger Fall die Weber- mit der Lüthy-These zu verbinden. Die klerikale Industriefeindlichkeit hätte damals die protestantische Industrialisierung verhindern können, hätte diese nicht auf eine liberal-katholische Rückendeckung zählen können.
Protestantische vor katholischen Kantonen
Zug mit einer starken liberalen Minderheit und Solothurn mit einer liberalen Mehrheit ab 1831 hatten eine Gemeinsamkeit, die ein wichtiges Element der Weber-These infrage stellt: die Behauptung vom protestantischen Bildungsvorsprung. Eine Auswertung der umfassenden «Helvetischen Schulumfrage von 1799» ergab laut dem Berner Geschichtsprofessor Heinrich Richard Schmidt, «dass in den Gebieten ein katholischer Bildungsvorsprung zu beobachten ist, die Schulreformen im Sinne der katholischen Aufklärung eingeleitet hatten». Dazu gehörten insbesondere Solothurn und Zug.
Die Rekrutenprüfungen von 1875–1882 bestätigten diesen Befund. Die beiden ersten katholischen Industriekantone nahmen im Durchschnitt den 7. und 8. Platz ein. Allerdings lagen vor ihnen lauter Kantone mit protestantischen Mehrheiten. Auf den letzten Plätzen rangierten fünf ehemalige Sonderbundskantone sowie Innerrhoden.
Trotz einer relativ guten Bildung und einer liberalen Regierung kam die Industrialisierung Solothurns später in Gang als in Zug. Zürich war weiter weg. Und das mit dem Söldnerwesen verbundene Patriziat bildete ein grösseres Hindernis. Bereits 1666 hatte ein Chronist geschrieben, die Elite verlege sich «mehr auf militärische als die Kaufhändel». Später wurde moniert, «es fehlt der Aristokratie an Unternehmergeist».
Vergesst nicht die Aufklärung!
Erst nachdem 1856 die etatistischen Radikalen die Laissez-faire-Liberalen entmachtet hatten, schaffte Solothurn seinen Sprung nach vorn. Die sogenannten «Rotliberalen» betrieben im Unterschied zu den «Grauliberalen» eine aktive Industrie- und Infrastrukturpolitik und zogen systematisch Kapital an, vor allem protestantisches. Dabei wurden sie unterstützt von Unternehmern wie dem Schönenwerder Schuhfabrikanten Franz C. Bally oder dem Grenchner Uhrenpionier Josef Girardet, beides antiklerikale Anhänger der Aufklärung.
Wer die vielfältigen Gefälle in der Schweizer Industrie-Geschichte verstehen will, darf neben der protestantischen Askese und dem katholischen Barock die innovative Kraft der Aufklärung nicht vergessen. Von allen drei Faktoren ist sie der relevanteste.
37 Kommentare zu «Sind Protestanten fleissiger?»
Was ein Vergleich – Religion und Arbeitsleistung. Da einen Zusammenhang zu konstruieren ist schon ziemlich abenteuerlich. sicher bekommt man eine aussage, wenn man tausend Protestanten mit tausend Katholiken vergleicht. Aber daraus dann diese These abzuleiten – geht garnicht.
Der Vergleich ist ja nun nicht neu – und natürlich nicht absurd (wie Ihr Kommentar das suggeriert): Informieren Sie sich zum Beispiel über „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ von Max Weber. – Sehr spannend auch „Die Macht der Buchhalter“ über den Unterschied zwischen katholischer und protestantischer Mentalität.
Vielleicht sollte man in der Unterscheidung der Erklärung von Weber und der von Lüthy betreffend die Begründung, warum protestantisch dominierte Gebiete in Europa schneller zur Industrialisierung schritten als die katholischen Gebiete durch die Elite-Theorie erklären.
Die protestantischen Macht-Eliten erlaubten den Aufstieg von Begabten und Ehrgeizigen leichter als die katholischen Macht-Eliten. Sie erlaubten solchen umtriebigen Leuten sich schneller im staatlichen Rahmen als Funktions-Eliten einzugliedern. Wohl sorgte auch die Katholische Kirche für die Bildung ihrer Leute, ob weltlich oder geistlich sei dahingestellt, aber sie wurde immer in einem strengen Korsett vermittel. Es war immer wichtig, dass die „Unité de Doctrin“ von der katholischen Elite streng verinnerlicht wurde.
Es war den Bourbonen in Frankreich durchaus bewusst, dass trotz ihrem grösseren Königreich dem protestantischen England unterlegen waren, vor allem als Seemacht. Frankreich war aber nie fähig eine Kriegsmarine wie die englische zu betreiben, wo nach Verdienst befördert wurde. Als die Bourbonen durch die Revolution hinweggefegt wurden, war es bereits zu spät England aufzuholen und Napoleon überdehnte die Kräfte von Frankreich.
Wie auch heute noch in Lateinamerika die Elite dort Anhänger von Ausschließlichkeiten in ihrem Status sind. Leute als Funktions-Eliten von der Unterklasse aufzunehmen verursacht Bauchgrimmen. Gewinnen die Kommunisten wie in Kuba und Venezuela kopieren diese Leute der Unterklasse zu 100 % die ehemals katholische Macht-Elite. Ein Teufelskreis!
Danke für Ihre sehr erhellenden Ausführungen. Aber müsste im Hinblick auf England nicht bedacht werden, dass die anglikanische Kirche doch in starker Weise von „katholischen“ Riten und Positionen geprägt ist? Und verstanden sich die Anglikaner nicht zunächst als „Katholiken ohne Papst“?
Was spielt das heute noch für eine Rolle, wo die Mehrheit der Schweizer aus Atheisten und Agnostiker besteht? Auf dem Papier mögen einige noch Protestanten oder Katholiken sein. Im inneren sieht es anders aus. Die wenig verblieben Christen in der Schweiz sollten lieber die Gemeinsamkeiten hervorheben, welche die Unterschiede um ein weites übertreffen.
Die Katholische Kirche hat in den Konservativen Kantonen Ihre Macht bis in die 60ger Jahre zu Ihrem Vorteil rigoros Ausgenutzt, und jede Öffnung zu verhindern versucht. Beispiel; im Kanton Freiburg setzte die Intustrialisierung dadurch sehr spät ein. Mein Vater, Jg. 1918 wollte Käser statt Bauer werden, was von seinem Vater nicht toleriert wurde, Bergründung; Käser können am Sonntag nicht an den Gottesdienst. Daher waren im ländlich geprägten Kt. Freiburg (Bern und Waad waren auch ländlich) vor allem Berner oder Waadländer Protestanten Käser, die hier reich wurden. Auch während der Krise um 1940 konnten Berner und Waadländer die grossen Bauernhöfe im Kt. Freiburg erwerben, da Ihre Kant.Banken grosszügig Kredite gewährten, während die Freiburger Kant.Bank sehr zurückhaltend war.
Die Katholiken sind besonders geschickt im gegenseitigen Zuschantzen von lukrativen Stellen (siehe CVP). Die persönliche Leistung, eine Folge des Fleisses, ist da nicht so wichtig. Die Hierearchien, und die daraus folgenden stabilen Einkommensverhältnisse, bilden die Grundvoraussetzung für eben diese lukrativen Stellen. Wettbewerb und Anstrengung ist irgendendwie fies und gefährdet das kommode Leben im feudalen Stand. Fangfrage: „Funktionniert eine Matrixorganisation?“
Sehr geehrter Herr (oder Frau) Kobelt
Ihre Ansichten kann ich gar nicht teilen. Im Gegenteil, was ich hier im protestantischen Bern an „Käuflichkeit“ und Begünstigung erlebt habe (bis auf Stufe Primarschule, wo sich Eltern die Zeugnisse ihres Sprösslings erkauften oder Lehrer explizit Alibiprüfungen für Günstlinge inszenierten) habe ich im Wallis nicht angetroffen. Zudem habe ich festgestellt, dass viele Katholiken etwas mitbringen, was bei viele Protestanten zu vermissen ist – die Leidenschaft. Was gemacht wird, wird mit Leidenschaft erledigt. Sei es Arbeiten, Feiern, Beten etc. etc. Diese Einstellung schlug sich auch in einer Untersuchung in Deutschland nieder, wo festgestellt wurde, dass Katholiken im allgemeinen glücklicher sind als Protestanten.
Soviel zu Ihren Pauschalvorwürfen
Was war zuerst da, das Huhn oder das Ei? Warum fasste weltweit der Protestantismus zuerst in den Städten Fuss? Weil sich die bereits damals wohlhabenden Bürger mit zunehmendem Selbstbewusstsein gegen den Adel und die Kirche auflehnten und sich darum auch vom Papst befreien wollten (und so vielleicht auch an die Kirchen-/Klöster-Schätze zu gelangen, an Ländereien und Pfründe).
Es war der wirtschaftliche Antrieb, den die Städter zum Protestantismus trieb und nicht der Protestantismus, der die Städter zu wirtschaftlichem Fortschritt brachte. Die Firmengründungen in Ausserrhoden wurden ja zu Beginn auch vor allem von Zuzügern geleistet, wie im Kanton Zug.
Ihr treffender Beitrag beleuchtet das Problem, dass die Beobachtung von Korrelationen es nie erlaubt, auf Kausalitäten zu schliessen. Das Nichtbeachten dieser Grenze und die daraus folgende schlimme Schlamperei ist mit dem Aufkommen der „Ökonometrie“ leider richtiggehend salonfähig geworden.
Allerdings: im Artikel wird nach meiner Wahrnehmung recht sorgfältig argumentiert. Die Pointe des Artikels ist ja, dass die Aufklärung, die sich – per Definition – nicht konfessionell verorten lässt, ein entscheidender dritter Faktor ist, der in der Weber-These zu kurz kommt.
Die Frage: Sind Protestanten fleissiger? könnte auch lauten: Sind Protestanten geldgieriger?
Fleiss assoziere ich eher mit Disziplin, Gier mit Emotionen. Fleiss kann auch andere Ziele, als finanzieller Erfolg haben, so verbanden viele Gläubige ihren Fleiss mit Gottgefallen. Umgekehrt gibt es auch Geldgier, die nichts mir Fleiss zu tun hat. Wenn beispielsweise jemand übertrieben geizig ist, oder sein Leben darauf ausrichtet, andere übers Ohr zu hauen.
Gier gibt es erst in der Neuzeit. Geld auch. Die meiste Zeit hat es die Menschheit ohne Gier und Geld geschafft und das wird auch in Zukunft so bleiben.
Wenn man den Kanton Bern in diese Betrachtungen mit einbezieht, kann diese Webersche These nicht stimmen.
Dieser Kanton ist in der Mehrheit protestantisch und bezieht den höchsten Anteil im kantonalen Finanzausgleich.. Die Spuren der Industriefeindlichkeit reichen bis in das 20. Jahrhundert. Wer den Gründen dieser Haltung nachgehen will, der lese Gotthelfs „Zeitgeist und Bernergeist“.
Ihre Betrachtung macht nur Sinn, wenn wir die Neuzeit (ab 1800) anschauen
…wenn wir aber den katholischen Nachbarkantone Wallis und Freiburg in die Betrachtung miteinbeziehen, dann stellen wir auch heute noch ein extremes wirtschaftliches und soziales Gefälle zu den protestantischen Kantone Bern oder Waadt.
Das katholische Paradebeispiel für Wirtschaftsfeindlichkeit ist das Wallis, es kann nur überleben, weil 50% (!) der kantonalen Ausgaben via NFA finanziert werden.
Anders gesagt, Bern könnte ohne NFA Leben, das Wallis nicht.
Jürg Suter, Sie können auch das Buch
„Wie viel Bern braucht die Schweiz“ ist auch sehr
erhellend.
Offenbar gibt es immer noch einige die den „bösen Kapitalismus“ als etwas schlechtes anschauen.
Genau in den offenbar „kapitalistischen“ Systemen wie in der Schweiz (und da laut Artikel v.a. im Zentrum des Protestantismus Zürich) geht es den Leuten gut. Niemand ist wirklich arm und Arbeiter sind bestens geschützt und versichert. Dies gilt auch für Länder wie Deutschlang (etwas punktueller vielleicht), Holland und nordische Länder.
Wenn man gegen „Kapitalismus“ ist, dann ist man wohl für so etwas ewiggestriges und gescheitertes wie den Sozialismus oder gar Kommunismus.
Solchen Leuten ist zu raten mal in die Länder der ex- Sowjetunion zu reisen und die Leute zu befragen, oder besser noch nach Venezuela, Kuba oder Nordkorea auszuwandern um dort politische Freiheit zu geniessen.
Man kann das auch sehen wenn man Länder wie Spanien, Italien, Portugal, Frankreich und Polen vergleicht mit der (deutschen) Schweiz, Deutschland, Holland und nordischen Staaten wie Schweden.
Deutsche Schweiz? Genf ist NFA-Nettozahler, Bern Bezüger. Ihre Gleichung geht so nicht auf.
«Der Fleiss ist die Wurzel aller Hässlichkeit», sagte schon Oscar Wilde.
Die Balance zu finden, ist wahrscheinlich die hohe Kunst.
Ein Faktor fehlt im interessanten Beitrag von Josef Lang: Protestanten, allen voran die französischen Hugenotten wurden im Lauf der Gegenreformation häufig vertrieben und wanderten in protestantische Gebiete in ganz Europa aus. Da wirtschaftliche Impulse, bis heute, oft von Zuwanderern kommen, profitierte Preussen, aber auch die reformierten Kantone der Schweiz, ungemein von diesen Menschen. Aus meiner Sicht ist nicht der Protestant fleissiger als der Katholik, sondern der Flüchtling ist fleissiger als der Eingeborene.
Stimmt nicht für Süddeutschland.
Gier u. Neid sind wesentliche Motoren im System des Kapitalismus.
Menschen, die sich laufend mit andern vergleichen, die noch mehr besitzen und es noch weiter gebracht haben, entwickeln oft eine diabolische Eigendynamik mit dem Ziel, es diesen gleich zu tun oder sie gar zu überholen.
Diese Leute sind aus materieller Sicht erfolgreich. Der Fakt der Endlichkeit des Lebens wird verdrängt
Der typische reformiert calvinistische Banker beispielsweise – von dem man sagt, dass er eher aus dem Fenster springt, als dass er einem Bettler einen Franken schenkt – ist das Paradebeispiel protestantischer Lebens-Philosophie: Verkniffener Mund, patholog. Geiz., aber Villa am See, alpine Zweitresidenzen u. an der Côte d’Azur, Frau in Psycho-Treatment oder geschieden, Nachwuchs drogensüchtig etc
Ich rate ihnen Mal in den Spiegel zu schauen und zu überprüfen ob sich nicht auch in gewisse Furchen abzeichnen. Solche von Neid, Angst oder Überheblichkeit.
Die Weber-These über die protestantische Ethik und den Geist des Kapitalismus ist ohne weiteres ein Mythos. Nicht wenige Einwände kommen aus den Reihen der Ökonomisten. Die Weber-These wurde nicht zuletzt, aufgrund empirischer Daten, von Jacques Delacroix und François Nielsen widerlegt, die eine deutliche Diskrepanz zwischen Industrialisierung und religiöser Konfession in Europa nachweisen konnten. Weitere Einwände sind in meiner Studie „Die Fürsorge im Geist des Kapitalismus“ zu finden.
Als ich noch zur Schule ging, Anfang der 80iger Jahre, da hiess es, dass die Chinesen für den Kapitalismus ungeeignet seien, wegen fehlender Individualität und natürlich wegen Konfuzianismus. Haha.
Der Protestantismus ist die Religion des Kapitalismus. Beide sind in Symbiose entstanden und werden gemeinsam untergehen. Luther war der Mietschreiber des ersten Wittenberger Kapitalisten, Lukas Cranach der Ältere. Dem gehörten fast die Hälfte aller Bürgerhäuser in der Stadt und sein Geld hat er mit der industriellen Produktion von katholischen Heiligenbildern verdient. Aber was ihm fehlte war der kirchliche Segen über die Zinswirtschaft. Der kam erst mit dem Protestantismus und deshalb musste der Katholizismus beschädigt werden. Doch nicht wegen der vorgeschobenen Gründe.
Die wirklichen Reformatoren waren Zwingli und Calvin. Erst der pervertierte Arbeitsbegriff des Ersteren und die Freigabe des Zinsverbotes durch den Zweiten haben dem Kapitalismus möglich gemacht.
Warum wurde denn das Herz des Kapitalismus, das Bankwesen, im Katholischen Italien erfunden? Monte dei Paschi di Siena ist die älteste Bank. Kredit, Saldo, Konto, Giro stammen alle aus dem Italienischen.
Genau das hat Herbert Lüthy gegen Max Weber vorgebracht. Es ist wichtig, zwischen dem vorreformatorischen (theologisch und ideologisch weniger geschlossenen), dem gegenreformatorischen und dem (besonders industriefeindlichen) ultramontanen Katholizismus des 19. Jahrhunderts zu unterscheiden. Und dabei die fortschrittsfreundliche Katholische Aufklärung und deren liberalen Nachfahren nicht zu vergessen.
Genau deshalb. Der Angriff auf den Katholizismus konnte nur von ausserhalb erfolgen. De facto haben schon die venezianischen Kaufleute gegen das Zinsverbot verstossen. Aber sie konnten es nicht legitimieren.
Das Monte dei Paschi geht auf die von den Franziscaner eingeleitete Gründung von nicht gewinnorientierten Pfandleihäuser zurück. Die katholische Kirche verbat das Zinsgeschäft, dass im Mittelalter von jüdischen Kaufleuten betrieben wurde. Später wurden auch Kredite vergeben. Der Monte dei Paschi erhielt als Sicherheit Weiderechte in der Maremma , die Paschi des Grossherzogs Ferdinand 2. Die Banken sind also ein Akt der katholischen Nächstenliebe nach dem Heiligen Franziskus entstanden, man kann es beim Banco im Palazzo Salimbeni nachlesen. Bankenkapitalismus und Fortschritt hat Max Weber falsch gesehen. Die Korrelation mit Kolonialmacht ist viel grösser als mit der als Religion, das sieht am besten in Deutschland, ein Land ohne eigentliche Banktradition
@Schrader: Ein Mietschreiber? Was ist denn das? Ihre Argumentation ist so abenteuerlich wie Ihre Rechtschreibung und Syntax. Beides bildungsfern und postfaktisch. Wie üblich.
Soviel ich weiss, haben die Protestanten am vergangenen Donnerstag gearbeitet, die Katholiken lagen an der Sonne.
Die Frage ist, ob der Protestantismus in der Schweiz nicht schon lange dominant war – in der Mentalität. Ich würde sagen, eindeutig. Wir sind den Engändern und den Amerikanern viel ähnlicher – zumindest so lange wir nicht von Horden von EU Einwanderer übervölkert werden…
Sind Protestanten die besseren Knechte des Raubkapitalismus.? Joseph Lang stellt eine interessante Frage.
Ganz sicher. Selbst so ein weichgespülter Papst wie der aktuelle kann sich gelegentlicher Kapitalismus- Kritik nicht erwehren. Nicht so die protestantischen Bischöfe. Die sind linientreu und wirken eher sozialdemokratisch als religiös.