Die alten Dämonen wachen wieder auf
Im Sommer 1690 besiegte der protestantische König Wilhelm III. von England seinen Rivalen Jakob II. in der Schlacht am Fluss Boyne in Irland. Damit wurde die irische Insel während dreier Jahrhunderte britisches Hoheitsgebiet.
Seither ist der 12. Juli, der Tag der Schlacht, den britischen Loyalisten in der Provinz Ulster heilig, die irischen Nationalisten wiederum ignorieren die Niederlage ihrer Vorväter. Allerdings nur, wenn sie das tatsächlich können, denn an diesem Tag zelebrieren die radikalen Unionisten, die Orangemen, in Nordirland ihre Macht oder ihren Widerstand gegen die Republik – je nach Standpunkt. Mit Pauken und Fahnen ziehen sie durch die katholischen Wohngebiete und wollen damit ihre Treue zur englischen Krone beweisen.
Das wird auch diesen Sommer wieder so sein, Schlägereien und eingeschlagene Fensterscheiben inklusive.
Der irische Konflikt zwischen Unionisten und Nationalisten führte während Jahrhunderten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, die erst mit dem Karfreitagsabkommen von 1998 mehr oder weniger ein Ende nahmen. Mehr noch: Damals wurde sogar die Grenze zwischen der Republik und den sechs nordirischen Grafschaften aufgehoben. Wer heute von einem Landesteil in den andern fährt, den erinnern nur die unterschiedlichen Verkehrsschilder an den Wechsel vom irischen in das britische Hoheitsgebiet.
Die Schlacht hat man nicht vergeblich gewonnen
Mit dem Brexit steht diese offene Grenze nun vor der Schliessung: Grossbritannien hat sich für einen eigenständigen Weg und damit für bewachte Grenzen entschieden. Doch die Briten müssen in Nordirland erkennen, wie eng sie mit ihren Nachbarn verknüpft sind. Denn die Dämonen der Vergangenheit melden sich zurück: Die nordirischen Katholiken sehen dafür jetzt ihre Chance für eine Vereinigung mit der Republik gekommen, weil niemand neue Grenzbäume will – auch die protestantischen Unionisten eigentlich nicht.
Da sie sich der Republik jedoch wenig verpflichtet fühlen, würden sie eine neuerliche Grenzschliessung wohl oder übel akzeptieren, solange die britische Souveränität gewahrt bleibt. Die Schlacht am Boyne hat man ja nicht vergeblich gewonnen.
Dublins Strategien
So wehren sich diese Unionisten nun mit allen Mitteln gegen eine Vereinigung mit der von ihnen abgrundtief verachteten Republik. Das ist der Hintergrund der laufenden, nordirischen Regierungskrise, die nun seit Jahresbeginn andauert und aus der kein Ausweg in Sicht ist, denn Unionisten und Loyalisten blockieren sich gegenseitig.
Brexit und nordirische Uneinigkeit: Von dieser Entwicklung will auch die Republik selbst profitieren. So entwickelt die Regierung in Dublin bereits Strategien, wie der Norden möglichst schmerzlos zu integrieren wäre – eine wohlfeile, aber illusorische Idee.
Ein anderer Brennpunkt der britischen Geschichte macht London mit dem Brexit ebenso zu schaffen: die iberische Südspitze Gibraltar. Im Frieden von Utrecht vom 11. April 1713, der hauptsächlich zulasten der Spanier ging, erhielt die englische Krone den Affenfelsen zugesprochen. Die spanischen Niederlande etwa wechselten an Österreich, das Königreich Neapel an das Herzogtum Mailand. Am meisten profitierten jedoch die Briten: Französische Kolonien in Nordamerika wie Neufundland oder die Hudson Bay kamen in ihren Besitz. Gibraltar war eine kleine Aufmerksamkeit obendrauf, von strategischer Bedeutung zwar, ansonsten ziemlich obsolet.
Auch dort ist die Grenze dank der britischen EU-Mitgliedschaft heute offen – fragt sich nach dem Brexit nur wie lange. Zumal Spanien formellen Anspruch auf das Gebiet erhebt und bei der letzten Krise vor vier Jahren den Schulterschluss mit Argentinien suchte.
Womit die Falkland-Inseln, wiewohl nicht Teil der EU, ebenfalls wieder zur Disposition stehen.
16 Kommentare zu «Die alten Dämonen wachen wieder auf»
Die EU ist eine sehr gute Idee, die in zu vielen Bereichen zur sehr lästigen, teuren, unvernüftigen Sache gemacht worden ist. Dass die EU-Bonzen ihr Brüsseler Gebilde verteidigen, ist verständlich, wenn man ihre Pfründe und die vielen guten Restaurants in Brüssel sieht. Dass sie keine Reformen wollen, ist auch verständlich: Ein voller Bauch studiert nicht gern.
Belgien war schon vorher für seine überaus gute Küche bekannt, also bevor es die EU gab. Kunst, Intelligenz und gute Küche gehen einher und haben mit vollen Bäuchen nichts zu tun. Also bleiben sie lieber neutral.
Mir ist nicht klar, wieso Sie Brexit und Grenzbäume verknüpfen. Die Schweiz ist ja auch nicht in der EU und trotzdem kann man praktisch jede Grenze ungehindert übertreten und Grenzbeamte sieht man allenfalls an den grösseren Übergängen. Kontrolliert wurde ich schon seit Jahrzehnten nie mehr (schon vor Schengen kaum je). Wieso muss das zwischen England und Irland anders sein, nur wegen dem Brexit? Trotzreaktion der EU?
Ihnen ist wohl nicht bewusst, dass die Schweiz immer noch einen abgeschotteten Agrarmarkt hat. Das ist ja auch der Grund, dass so viele Schweizer im Ausland (z.B. Konstanz) einkaufen. Zwischen Irland und Nordirland ist das jetzt nicht so, könnte aber noch so werden.
CH-EU: Hat nicht mit der EU sondern mit dem Schengener-Abkommen zu tun. Die Schweiz ist ein sogenanntes ‚Nicht-EU-Schengenmitglied‘. Somit fallen beim Grenzübertritt in ein anderes Schengen-Mitgliedsland die Personenkontrollen weg.
GB-IRL: Wird meines Wissens von GB volle Kontrolle an allen GB-Aussengrenzen gewünscht.
Wer Frieden will unterlässt wohl naheliegender Weise Provokationen und Machtdemonstrationen. Erst recht wenn man sich selbst als Friedensprojekt bezeichnen möchte. Das Verhalten von Heute sind daher meines Erachtens keine guten Anzeichen.
Gibraltar ist nicht die „Südspitze Iberiens“. Der südlichste Punkt der iberischen Halbinsel ist die Punta de Tarifa, 25 Km südwestlich von Gibraltar, liegt ca. 5 Km südlicher.
Lieber Herr Georg, als Schüler wurde ich zu Sempach verknurrt! Daher meine Abneigung gegen orange Märsche und Schlachtfeiern!
Die Angelegenheiten in Irland sind sicherlich nicht einfach. Aber zwischen Gibraltar und Spanien gibt es heute schon eine Grenze mit einer gewissen Schnippigkeit. Das Job-Risiko tragen dabei die Spanier, das sind die Grenzgänger. Nun zu den Falklands. Nein, diese Inseln haben mit dem Brexit in keinster Weise etwas zu tun. Der potentielle Agressor Argentinien ist auch weiterhin weder EU noch NATO-Mitglied. Die kürzeste Distanz zwischen den Falklands und der argentinischen Pampa beträgt übrigens ca. 800 Kilometer. Wieso sollte das also ein Grenzproblem entstehen? Dazwischen ist internationales Gewässer.
Ein wohl weiteres Problem ist vermutlich auch, dass zur Nordirischen Provinz ‚Ulster‘ drei Counties (Cavan, Donegal und Monaghan) gehören, die aber in der Republik Irland sind. Also in etwa so, wie wenn 3 Kanton Züricher – Bezirke zwar zum Kanton Zürich gehören, aber in Deutschland (und somit in der EU) wären…
Das mag wohl so sein. Massgebend ist jedoch, dass sich die Katholiken als Iren fühlen, die Protestanten jedoch als Briten. Das ist das nordirische Problem. Der Brexit wird es verstärken.
Soso. Der studierte Herr Anglist weiss also, dass die Falklandinseln „wieder zur Disposition stehen“. Interessant. Ist er denn der Meinung, die argent. Regierung solle wieder Soldaten schicken, um damit vom verrotteten Zustand Argentiniens abzulenken – wie damals die faschistischen Generäle?
Vielleicht käme das der Frau May nicht mal so ungelegen, falls es mit der Brexitumsetzung dann zu sehr harzen sollte, dann kann man das Volk etwas ablenken mit einem anderen Feind von aussen. Immerhin hat solch ein energisches Auftreten der Kriegsherrin Thatcher damals wesentlich zur Wiederwahl verholfen.
Und den Argentiniern hat es zum Sturz der faschistischen Foltergeneräle verholfen.
WIR Eidgenossen, aber nur die aufRechten, laufen nicht orange sondern in weissen Pseudo-Sennenchueteli in Morgarten rum. Am liebsten mit einer Pseudo-Kurzhellenarde auf den leichten Schultern!
Erklären Sie uns, was Sie damit ausdrücken wollen, bitte.