Sie wollten es besser machen als die Männer

History Reloaded

Jane Addams (r.), Präsidentin des Frauenfriedenskongresses 1919, mit Vizepräsidentin Chrystal Macmillan in Zürich. Foto: Corbis via Getty Images

Die Amerikanerin Jane Addams lächelt auf keiner Fotografie. Ihre Züge sind hart, mit einem Stich ins Melancholische. Diese Frau reiste im Mai 1919 in politischer Mission nach Zürich. Denn Addams (1860–1935) präsidierte den Frauenfriedenskongress im Hotel Glockenhof mit rund 150 Delegierten unter dem Titel «Die internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit». Sie wollten einen Gegenentwurf zur männlichen Welt der Gewalt schaffen, die Europa in den Grossen Krieg gestürzt hatte. Zuoberst auf der Agenda stand der Gedanke der Versöhnung.

Eine neuerliche Zürcher Zusammenkunft internationaler Friedensfrauen am gleichen Ort erinnert nun am 15. Mai an diesen ungewöhnlichen Kongress – mit Referaten, Workshops und einer Theaterinszenierung.

Die Vorsitzende Jane Addams war an der Zürcher Zusammenkunft 1919 eine der führenden Figuren der Frauenbewegung – und ist heute weitherum vergessen. Sie sass einer Versammlung europäischer Teilnehmerinnen vor, die aus patriotischen Gründen – meist im Feldlazarett – an den Schlachten teilgenommen hatten. Aber jetzt war aus ihrer Sicht genug; so lehnten die Frauen die Versailler Verträge ab, mit denen die Alliierten Deutschland nach der Niederlage unter anderem mit hohen Reparationszahlungen bestraften. Wie gefährlich diese Verträge tatsächlich waren, ist unter Historikern heute umstritten. Manche machen sie für das Aufkommen des Faschismus in Europa verantwortlich.

«Gefährlichste Frau der USA»

Addams stammte aus einer wohlhabenden, religiösen Familie und verbrachte ihre Kindheit im Gliedstaat Illinois. In jungen Jahren wandte sie sich sozialreformerischen Bewegungen zu. So engagierte sich Addams in der Settlement-Bewegung, einer frühen Form der heutigen Gemeinwesensarbeit, die Benachteiligten neben sozialer Sicherheit auch Bildungsmöglichkeiten bot. Das entsprach der damaligen Vorstellung von feministischer Emanzipation. Die Frauen verstanden sich als sanfter und einfühlsamer als die Männer und setzten so auf einen gesellschaftlichen Gegenentwurf zu männlicher Härte und Rücksichtslosigkeit.

Die draufgängerische Addams wollte mehr. Sie war eine unbeugsame Kämpferin in der Settlement-Bewegung und erhielt für ihren Einsatz als erste Frau die Ehrendoktorwürde der Universität Yale. Vor allem aber verstand sie die Zürcher Frauenliga nicht nur als friedensstiftend. Addams setzte vielmehr auf eine umfassende Gleichberechtigung, zumal das Stimm- und Wahlrecht für Frauen erst in wenigen Ländern verankert war. Sie erkannte, ähnlich wie die kämpferischen Suffragetten in England, dass das Ende des Kriegs die alten gesellschaftlichen Strukturen aufgelöst hatte. War nicht jetzt endlich die Stunde der Erhebung gekommen?

Klar, dass Addams mit solchen Forderungen polarisierte. 1931 erhielt sie als erste US-Amerikanerin den Friedensnobelpreis, gleichzeitig trug sie das Etikett der angeblich «gefährlichsten Frau der Nation», weil sie sich dem Kriegsbeitritt der USA 1917 widersetzt hatte.

Zürich statt Paris

Zu ihrem illustren Renommee trug ihr Privatleben bei. Jane Addams fand Ende des 19. Jahrhunderts in Mary Rozet Smith die Liebe ihres Lebens und blieb mit ihr zusammen, bis Smith 1933 starb; zwei Jahre später verschied auch Addams.

Bleibt die Frage, warum sich die Frauen 1919 gerade in Zürich treffen wollten. Dieser Entscheid ging auf die Zürcher Sozialreformerin Clara Ragaz zurück. Auch ihre Herkunft war religiös und politisch geprägt, wenn auch nicht in der gleichen Radikalität wie bei Addams. Eigentlich war Paris als Tagungsort vorgesehen. Doch die französischen Behörden wollten keine deutschen Delegierten einreisen lassen. Aber den kämpferischen Frauen waren die Mitstreiterinnen aus dem ehemals verfeindeten Deutschland wichtig, sodass ihnen das Angebot von Ragaz aus der neutralen Schweiz gerade recht kam.

11 Kommentare zu «Sie wollten es besser machen als die Männer»

  • Lukas O. Bendel sagt:

    Mal schauen, ob der Bundesrat am Mittwoch bei seiner Sitzung extra muros in Zürich nicht auch diesen Frauen gedenkt.
    Denn jede Friendensinitiative ist zu würdigen und ehren – selbst wenn sie auf dem überheblichen und falschen Selbstbild als sanfter und einfühlsamer ja weniger gewalttätig und friedlicher beruht (die Königinnen und Zarinnen und der aktuelle Feminismus zeigen, dass nichts davon wahr ist).
    Und der Autor vergisst zu erwähnen, dass auch der US-Präsident W. Wilson gegen die Auflage von Reparationszahlungen weibelte – leider erfolglos, da Frankreich und Grossbritannien in alter schuld-/rachegetriebener Kriegslogik statt neuem, kooperativem Friedensziel darauf bestanden.

  • Claudi sagt:

    Man ist sich als Leser am Fragen, was hier jetzt Dichtung und Erfindung ist, und was tatsächlich so geschehen war. Bitte Text mit Quellen belegen. Danke.

  • Cédric Ruckstuhl sagt:

    Ich – trotz meiner akademischen Laufbahn und grossen historischen Wissens – habe noch nie etwas von diesem Kongress gehört. Wie auch die meisten Leute noch nie jemals von diesem unbedeutenden Ereignis gehört haben. Denn das Schicksal der Welt wurde nicht auf diesem Frauenbeisammensein verhandelt, sondern auf der Konferenz von Paris 1919. Sodann ist es ein ziemlich lächerlicher Mythos, Frauen wären friedfertiger als Männer. Sowohl Hitler als auch Mussolini bekamen zehntausende von Briefen von schmachtenden Verehrerinnen. Beide hatten unter den Frauen überdurchschnittlich viel Zustimmung.

    • Thomas Hartl sagt:

      Wenn sie sich für die Friedensarbeit von Frauen während diese Epoche interessieren, kann ich ihnen die Schriften von Bertha von Suttner ans Herz legen, der ersten Frau die den Friedensnobelpreis erhalten hat. Insbesondere der Roman «Die Waffen nieder!» gehört für historisch interessierte Literaturfreunde zur Pflichtlektüre.

    • François Bonnet sagt:

      „Sowohl Hitler als auch Mussolini bekamen zehntausende von Briefen von schmachtenden Verehrerinnen. Beide hatten unter den Frauen überdurchschnittlich viel Zustimmung“. – Darüber gibt es auch viele historische Filmdokumente.

    • Cédric Ruckstuhl sagt:

      @Hartl
      Besten Dank, aber für Kaffeekränzchen interessiere ich mich nicht.

      • Thomas Hartl sagt:

        Sie sollten der Dame eine Chance geben, sie ist definitiv eine interessantere Persönlichkeit, als die schmachtenden Verehrerinnen von Hitler und Mussolini, für die sie sich offensichtlich interessieren.

    • Simone Gretler Heusser sagt:

      Na Herr Ruckstuhl, wenn Sie trotz akademischer Laufbahn und grossem historischen Wissen den Frauenkongress von 1919 nicht kennen, heisst das ja noch nicht unbedingt, dass dieser unbedeutend war. In Wien beispielsweise läuft zur Zeit eine Ausstellung zu Malerinnen der Moderne – auch die sind heute im Gegensatz zu Klimt & Co. grösstenteils unbekannt, aber durchaus wichtig und auch künstlerisch bedeutend: https://www.belvedere.at/stadt_der_frauen
      Jane Addams selber ist übrigens ganz und gar nicht in Vergessenheit geraten. An der Universität Illinois in Chicago (UIC) befindet sich das renommierte Jane Addams College of Social Work, welches hervorragende Forschung zu sozialer Ungleichheit macht: https://socialwork.uic.edu/
      Und wie Thomas Hartl sagt, es gibt viele Beispiele in diese Richtung.

      • Cédric Ruckstuhl sagt:

        @Simone
        Doch. Denn nicht jede Sache, um die sich 2-3 kauzige Freizeitforscher kümmern, ist bedeutend. Diese Frauenzusammenkunft ist vergleichbar mit Frauenfussball: Politisch korrekt, mit übermässig viel Medienaufmerksamkeit bedacht, aber hoffnungslos unbedeutend.

  • François Bonnet sagt:

    Entstand nicht aus dieser Bewegung auch die Zeit der „Prohibition“ in den USA.
    „Das Gegenteil von gut ist gut gemeint“; u.a. Kurt Tucholsky, Bert Brecht.

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