Wer ins Sandwich beisst, denkt nicht an Sex – fälschlicherweise!
John Montagu, 4th Earl of Sandwich (1718–1792), war ein britischer Staatsdiener, der in der Diplomatie und in der Marine Karriere machte: «Kaum einer hatte je so viele Ämter inne und so wenig erreicht», lautete die etwas durchzogene Bilanz des Grafen in den Reihen seiner eigenen liberalen Partei, als er das Zeitliche segnete.
Dennoch ist sein Name heute geläufiger als der jedes andern britischen Politikers im 18. Jahrhundert. Der Legende nach soll der Lord auf die Idee gekommen sein, sich zwischen zwei Brotscheiben dick geschnittenes Rindfleisch reinschieben zu lassen. Das tönt saftig, aber noch saftiger waren seine sexuellen Eskapaden, die den politischen Taugenichts trotz seiner beruflichen Schwächen in einem reizvollen Licht erscheinen lassen.
Gepflegtes Masturbieren und Venustempel
Der Earl liebte es nämlich, den Hellfire Club zu besuchen, wenn er nicht gerade mit dem Kartenspiel beschäftigt war. Er war gern gesehener Gast im Lokal George and Vulture in der Lombard Street, heute im Herzen des Londoner Bankenviertels. Dort ging es in einem erlauchten Kreis von einem Dutzend Männern ziemlich munter zu und her, wie der britische Historiker Faramerz Dabhoiwala von der Universität Exeter in seinem Buch «Lust und Freiheit» schreibt: «Sexuelle Vergnügen wurden zunehmend in Männerclubs kollektiv veranstaltet.» Das heisst, sie frönten gemeinsam dem gepflegten Masturbieren oder luden leichte Mädchen ein. Auch huldigten sie gerne okkulten Riten – immer mit dem Ziel der sexuellen Erregung.
Mit dabei war beispielsweise der Politiker Francis Dashwood, der sich später auf seinem ländlichen Anwesen einen Venustempel in der Form einer riesigen Vagina bauen liess. Regelmässiger Gast war auch der radikal-liberale Parlamentarier John Wilkes, der für seine Freunde als Dichter zur Feder griff und unter dem Titel «Essay on Woman» zu folgendem Erkenntnisgewinn kam: «Im Leben gibts kaum mehr zu erben / Als ein paar gute Ficks und dann zu sterben». Wilkes und Sandwich waren in jungen Jahren befreundet; ihre Beziehung hatte jedoch etwas gelitten, nachdem Sandwich dieses Gedicht im Oberhaus vorgelesen hatte – zum allgemeinen Gaudi der ergrauten Lordschaften.
Das war undankbar von Sandwich, denn Wilkes war immer für ein Spässchen gut und sorgte für manchen Lacher: So brachte er einmal einen als Teufel verkleideten Pavian mit in den Club, wo das verängstigte Tier die Sau abliess.
Die Rache der Penny-Presse
Die Lustbarkeiten in den Männerclubs waren allerdings für Frauen und Männer risikoreich. Abgesehen von den übertragbaren Krankheiten war damals die gesellschaftliche Moral rigide. Ausgerechnet dies gab den Frauen jedoch eine Waffe in die Hand, weil in jenen Jahren gleichzeitig die Penny-Presse aufkam: Diese schrieb noch so gerne über die adligen Abenteuer, von denen die Frauen zu berichten wussten, wenn sich der Liebhaber nicht erpressen liess.
In dieser Hinsicht hatte Lord Sandwich wenig zu befürchten, sein Ruf war ohnehin ruiniert. Er war mit der Kleinadligen Dorothy Fane verheiratet und hatte eine Tochter mit ihr. Wesentlich erspriesslicher war jedoch die Beziehung zu seiner Mätresse, der Sängerin Martha Ray, die ihm ein Dutzend Nachkommen gebar, die genaue Anzahl kennt heute keiner mehr. Zum Entsetzen des Grafen war der Verbindung kein Glück beschieden. Die Künstlerin liess nicht nur Lord Sandwich entflammen, sondern hatte auch andere Verehrer. Einer von ihnen erstach sie in einem Anfall von Eifersucht.
Damit fand der Lord wieder mehr Zeit für seine politischen Verpflichtungen in der Admiralität. Denn in jener Zeit, als der verrückte König Georg III. regierte, griffen die amerikanischen Rebellen zu den Waffen, um sich von der Krone loszusagen. Dabei hatten sie die Unterstützung der Franzosen, die den Nachschub für die britischen Einheiten auf dem Atlantik unterbanden.
Einer, der es in der Hand gehabt hätte, diesen Konflikt im Sinn der Krone zu entscheiden, war Lord Sandwich. Doch dieser sah seine Berufung eher im Hellfire Club und konnte nicht ahnen, dass er wegen seiner kulinarischen Erfindung in die Sprachgeschichte eingehen sollte.
8 Kommentare zu «Wer ins Sandwich beisst, denkt nicht an Sex – fälschlicherweise!»
Hagiografisches der obersten Liga…..werter Autor, was haben Sie denn in England unterrichtet?
Hauptsache, man kann wieder viel „Sex“ und „Ficks“ in einen Artikel einbauen. Sorry, armselig. Und dass man die Frauen als „saftig“ abqualifiziert, sollte eine umgehende Entlassung zur Folge haben.
@Lia: dreimal tief durchatmen, den Text nochmals lesen und dann können Sie uns vielleicht erklären, wo im Text genau Frauen als „saftig“ bezeichnet werden.
Als Sittengemälde der Zeit in Grossbritanien finde ich den Artikel gut. Die beschriebenen Zustände erklären vielleicht auch, warum die Amerikaner rebellierten, mit Steuererhöhungen solche Eskapaden und Zustände zu finanzieren. Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde als ein moralischen #metoo-Scheuklappenblick erahnt.
Es es sinnvoll, sich das gleiche wie Lord Sandwich zu wünschen?
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Oder ist es der Anfang des „long Way zu tripperary“?
Muss man wirklich „Redaktionsleiter“ sein und Anglistik studiert haben, um derart armselige Artikel zu schreiben? Tipp an Hürzeler: Auch die Römer hatten schon Geschlechtsteile, lesen Sie mal nach, wofür sie diese gebraucht haben. Unglaublich. Das wird Sie bestimmt zu weiteren kulturhistorisch interessanten Artikeln anregen, befrachtet mit Dingen, von denen wir bisher rein gar nichts wussten, weil wir in der heutigen Zeit ja nie nie nie davon etwas hören. Übrigens ist auch bei Blick noch eine Stelle frei, die mögen solche „Artikel“ auch gerne – nur fassen Sie sich doch noch etwas kürzer, wenn’s geht.
Und wenn ein Artikel über die Römer erscheint, schreien Sie dann „aber die Griechen!“? Eine Darstellung eines einzelnen historischen Ereignisses kann leider nicht immer gleich die ganzen welthistorischen Analogien wiedergegeben.
Oder löste einfach das Wort „Venushügel“ ihre hysterische Aufregung aus?
was für eine kaputte welt. das volk hat gehungert und wurde geprügelt.
schade, gab es in gb nie eine revolution.
little britain lässt grüssen.