Glücklich geschieden

Lass uns Freunde bleiben: Der tschechische Ministerpräsident Vaclav Klaus (2.v.r.) und sein slowakischer Amtskollege Vladimir Meciar (r.) nach der Trennung 1993. Foto: Joe Klamar (Reuters)
Bei einem Gartengespräch fällt der epochale Beschluss. Es ist der 26. August 1992, als Vaclav Klaus und Vladimir Meciar unter den Bäumen der Villa Tugendhat in Brünn sitzen und über die Zukunft von Tschechien und der Slowakei sprechen. Schliesslich kommen sie zur Erkenntnis, dass «der derzeitige Zustand nicht aufrechtzuerhalten ist». Der tschechische Regierungschef Klaus und sein slowakischer Widerpart Meciar verkünden vor Journalisten die Auflösung der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik, des Nachfolgestaates der kommunistischen Tschechoslowakei (CSSR). Am 1. Januar 1993 wird die Scheidung vollzogen. Tschechien und die Slowakei trennen sich friedlich, während in Kroatien und Bosnien bereits die Jugoslawienkriege toben.
Nun, 25 Jahre später, empfehlen die Ministerpräsidenten der Slowakei und Tschechiens die Trennung ihrer Staaten als Vorbild für andere Länder. Die Beziehungen zwischen seinem Land und der Slowakei seien exzellent, meinte kürzlich der tschechische Premier Andrej Babis, der ein gebürtiger Slowake ist. Die gelungene Auflösung der Tschechoslowakei könne weltweit und nicht zuletzt für Spanien und Katalonien als Modell dienen. Ähnlich äusserte sich der slowakische Regierungschef Robert Fico.
Staatsauflösung ohne Volksabstimmung
Studien bestätigen das sehr gute Verhältnis zwischen Slowaken und Tschechen. Sie verstehen sich besser denn je, stellt die slowakische Soziologin Oga Gyarfasova fest. Tschechien und die Slowakei seien ein «Scheidungspaar im besten Einvernehmen». Dabei gab es damals in der Bevölkerung keine Mehrheit für die Auflösung des gemeinsamen Staates. Vielmehr waren es die politischen Eliten in Prag und Bratislava, die die Gründung eigener Staaten beschlossen – ohne eine Volksabstimmung abzuhalten.
Tschechen und Slowaken hatten seit dem ersten gemeinsamen Staat, der 1918 gegründeten Tschechoslowakischen Republik, in einem ungleichgewichtigen Staatsgebilde gelebt. Der westliche Landesteil war wirtschaftlich, demografisch und kulturell immer überlegen. Nach dem Zweiten Weltkrieg galt in der CSSR das Diktat der kommunistischen Partei in Prag. Die Slowaken konnten sich im Laufe der gemeinsamen Geschichte mit ihrem Staat weit weniger identifizieren als die Tschechen. Die Samtene Revolution im Spätherbst 1989 befreite das Land vom Kommunismus, war aber auch der Anfang vom Ende des gemeinsamen Staates.
Alleingang als kleinster gemeinsamer Nenner
Die 1990 einsetzende öffentliche Debatte über die nationale Frage legte rasch die unterschiedlichen Interessen offen. Die Slowaken fühlten sich bevormundet und wirtschaftlich benachteiligt. Vor allem nachdem in Prag entschieden wurde, die für die Beschäftigung sehr wichtige Rüstungsindustrie im Osten das Landes zu liquidieren. Gleichzeitig waren die Tschechen immer weniger bereit, den ärmeren Landesteil finanziell zu unterstützen. In den beiden Teilrepubliken entstanden eigene Parteiensysteme. Bei den Parlamentswahlen im Juni 1992 gewann im tschechischen Teil der Föderation die Demokratische Bürgerpartei von Vaclav Klaus und im slowakischen Teil die Bewegung für eine Demokratische Slowakei von Vladimir Meciar.
Klaus und Meciar, beide ausgeprägte Machtpolitiker, stritten um eine Neuverteilung der Kompetenzen zwischen Prag und Bratislava. Umstritten waren auch die Art und das Tempo der wirtschaftlichen Transformation: Klaus drängte auf rasche marktwirtschaftliche Reformen, Meciar favorisierte eine interventionistische Wirtschaftspolitik. Anstatt mühsam einen Kompromiss für den gemeinsamen Staat zu finden, einigten sich Klaus und Meciar ziemlich rasch auf eine Auflösung der Tschechoslowakei. Der Alleingang war der kleinste gemeinsame Nenner.
«Die Teilung beruhte weder auf nationalen Emanzipationsbestrebungen der slowakischen Bevölkerung noch auf einer unversöhnlichen Einstellung der Bevölkerungen beider Landesteile zueinander», schreibt die Slowakei-Expertin Marianne Kneuer, Politikwissenschaftlerin an der Universität Hildesheim. «Der gemeinsame Staat scheiterte letztlich am Unvermögen und fehlenden Willen der beteiligten politischen Eliten, eine Verfassung oder einen Staatsvertrag über das Verhältnis der beiden Republiken zustande zu bringen.»
Wille zur guten Zusammenarbeit nach Teilung
Immerhin gelang die friedliche und geordnete Auflösung der Tschechoslowakei. Voraussetzung dafür war der Wille zu einer guten und engen Zusammenarbeit nach der Teilung des Staates. Dies äusserte sich etwa in der Beibehaltung der Zollunion und des freien Verkehrs von Waren, Personen und Dienstleistungen. Tschechen und Slowaken erhielten das uneingeschränkte Recht, weiter im jeweils anderen Staat zu arbeiten. Zudem wurde in vielen Bereichen eine Zusammenarbeit aufgebaut und vertieft.
Nicht nur die einheimische Bevölkerung, sondern auch ausländische Beobachter betrachteten die Auflösung der Tschechoslowakei zunächst mit Skepsis. Doch die neuen Staaten schafften den Alleingang mit Bravour, beide profitierten wirtschaftlich vom EU-Beitritt im Jahr 2004. Vor allem die anfangs wirtschaftlich rückständige Slowakei widerlegte Befürchtungen, allein kaum überlebensfähig zu sein.
16 Kommentare zu «Glücklich geschieden»
Die Trennung hat gezeigt dass es auf beiden Seiten Gewinner und Verlierer gegeben hat. Die Slowakei war schon zur KuK Monarchie ein Agrarland.
Nach dem II. WK wurde Tschechien und Slowakei durch die Kommunisten ein Land. Die wollten mit aller Macht aus einem Agrarland ein Industrieland machen. Es wurden enorm in die Entwicklung Investiert nur wer sollte in den
für damalige Verhältnisse technisch moderne Fabriken arbeiten?
Darum wurden die Ingenieure aus Tschechien umgesiedelt.
Nach der Trennung sind diese wieder zurück nach Böhmen und Mehren und die Wirtschaft in der Slowakei kollabierte. Tschechische Regierung hat den Slowaken sogar wehrend der Trennungsphase die Möglichkeit gegeben sich
für die tschechische Staatsangehörigkeit zu entscheiden, was viele gemacht haben.
Wie gehabt: Fake History reloaded.
Historische Tatsachen können nicht fake history sein.
Das Einzige, was möglich ist, ist: dass historische Tatsachen unvereinbar sind mit den Vorstellungen von zweistein.
Aber dann sind nicht die Tatsachen falsch, sondern die Vorstellungen von zweistein:
1. Man kann Vorstellungen nicht verifizieren, sondern nur falsifizieren.
2. Wenn die Vorstellungen von zweistein durch die Realität widerlegt werden, dann muss zweistein seine widerlegeten Vorstellungen anpassen
… oder zweistein entscheidet sich für ein Wahnsystem.
Das geht übrigens jedem Forscher so: der aktuelle Stand der Wissenschaft ist immer der aktuelle Stand des Irrtums
… aber nicht bezüglich von Tatsachen, sondern bezüglich von fake Interpretationen von Tatsachen
… oder m.a.W.: die Erde war nie eine Scheibe
„Geschichte“ erzählt (historische) Tatsachen verbunden zu einer Geschichte, indem diese Tatsachen miteinander kausal in Verbindung gebracht werden. Aber man kann andere Tatsachen, die in dieser Geschichte weggelassen wurden mit einem Teil der in dieser Geschichte vorkommenden Tatsachen kausal anders in Verbindung bringen, und so eine andere Geschichte erzählen. Ähnlich wie Strafverteidiger und Staatsanwalt dem Gericht basierend auf den gleichen Tatsachen eine andere Geschichte erzählen. Geschichte ist keine exakte Wissenschaft. Zwar nicht ernst aber gut: Deswegen heisst es auf Englisch His-story.
Ja, aber bei EU ( Spanien & Katalonien ) gilt UN- Charta nicht ! Wie bei allen Diktaturen .
Was den Tschechen und den Slowaken damals gelungen ist, sollte auch für meinen Heimatkanton „Zürich“ und die Rest-Eidgenossenschaft kein Problem darstellen.
Trennen wir uns friedlich, wir passen einfach nicht zusammen!
Das will wohl kaum einer…
Der wirkliche Grund für die Trennung wird nicht genannt. Meciar und Klaus wollten sich schamlos bereichert an der Privatisierung der volkseigenen Betriebe. Haben sie dann auch, jeder auf seiner Seite.
Die Slowakei-Expertin Marianne Kneuer schreibt: «Der gemeinsame Staat scheiterte letztlich am Unvermögen und fehlenden Willen der beteiligten politischen Eliten, eine Verfassung oder einen Staatsvertrag über das Verhältnis der beiden Republiken zustande zu bringen.».
Das erinnert mich an den Umgang von Spanien mit den Katalanen. Bei einer Trennung sollte Katalonien in der EU bleiben dürfen; sonst müsste dann auch Rest-Spanien gehen (Neubewertung zur Einhaltung der Beitritts-Kriterien)!
Das wäre aber gar nicht im Sinne unserer Rechts-Nationalen Vielkommentierer und Brexit-, Trump,- & Separatismus-Fans in diesem Forum, wenn Katalonien zwar von Spanien unabhängig aber in der EU wäre.
Die würden komplett die Orientierung verlieren.
@loulou55
Ihre Kommentare zeigen, dass IHNEN die Orientierung fehlt.
Komplett.
Hist. Realitäten, die zeigen, dass es Alternativen zu Ihrem Denken, Ihren Prognosen und Ihren Fantasieren gibt, scheinen Sie sogar zu erschrecken. Ein niederschwelliges Angebot für Ihre Ängste wäre Tel. 143.
NB:
1. Nur die Gebietsveränderung INNERHALB der Schweiz (zB analog der Abspaltung des Jura von Bern) ist von der BV geregelt.
2. Der AUSTRITT (zB des Kantons Zürich) aus der Schweiz (Ihr Anliegen) steht jedem Volk, auch dem Volk der Zürcher, frei. Denn
-> Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist nicht nur logische Voraussetzung der Freiheit, siehe Kant, sondern
-> auch völkerrechtlich vereinbart, siehe UN-Charta, und
-> staatsvertraglich verpflichtend für die Schweiz, siehe UN-Zivilpakt
@Markus Ackermann
Das Völkerrecht heisst auf französisch „droits interNATIONal (public)“ und auf englisch „(public) interNATIONal law“ oder „law of nations“. Der „Völkerbund“ hiess ursprünglich société des NATIONs“ oder League of NATIONs, daraus wurden die vereinten NATIONen oder die „untited NATIONs“, les NATIONs unies“.
Warum wohl?
Sie meinen, in einer gerechten Welt für die Völker hätte die UN, die EU Truppen nach Spanien senden sollen, um die Katalonen vom spanischen Volk zu befreien? Ach, es gibt gar kein spanisches Volk, nur ein katalonisches und ein kastillisches Volk und ein baskisches und die people from Ibiza wonderland.
Gibt es eine Basler, Zürcher, Wagenleutevolknation, gibt es keine Schweizer Nation: La Suisse n’existe pas: Die NZZ titelte, zu was Sie behaupten: „Eine Schande für die [schweizerische] Nation“
Lesen Sie Jakob Tanner, wenn sie Rousseau verstehen möchten:
https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Demokratie-ein-Auslaufmodell/story/20251334
Das internationale Recht verbietet dem Schweizer Volk Genozid und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ an den Zürchern, es garantiert auch dem einzelnen Zürcher wie jedem Ausländer (auch illegal eingereiste oder Touristen) die grundlegenden Menschenrechte.
Mit der Aufzählung der Kantone in Artikel 1 garantiert die BV (der Bund, der Souverän) mir, als in Basel aufgewachsener, jetzt in Thun lebender Schweizer (Bürgerort im Kanton Schwyz), dass der Kanton Zürich zur Schweiz gehört. Wieter hinten steht, wie man dies ändern kann, mit Volks- und Ständemehr, aber nicht auch Grund des Selbstbestimmungsrechtes des Zürcher Volkes: Die BV negiert dieses Selbstbesimmungsrecht, die Schweiz ist also Völkerrechtswidrig und gehört aufgelöst oder sie anerkennt in ihrer Verfassung das Selbstbestimmungsrecht der in ihr gefangenen geknechteten Völker.
Würde der Kanton Schwyz austreten, hätte ich kein Recht mehr auf Wohnsitz und Arbeit in Thun oder in Basel der im Wallis, wo ich auch 12 Jahre lebte. Retten könnte mich, die C-Bewilligung meiner vietnamesischen Frau: Diese berechtigt sie zum Familiennachzug nach Thun.