Best of: Wie sich Führerfiguren inszenieren

Unsere Bloggerinnen und Blogger geniessen derzeit die Feiertage. Wir publizieren deshalb heute diesen Beitrag vom 11. August 2017, der besonders viel zu reden gab.

History Reloaded

Meister der Körperinszenierung: Wie viel hat Putin von Mussolini abgeschaut? Fotos: Getty Images

Es hat Tradition: Wenn Wladimir Putin in seiner Freizeit in die Wildnis zieht, lässt er die Weltöffentlichkeit an seinen Abenteuern teilhaben. Von seinem jüngsten Kurztrip im Süden Sibiriens hat der Kreml kürzlich jede Menge Fotos veröffentlicht. Wir sehen zum Beispiel, wie der russische Präsident in einem Fluss einen kräftigen Schwumm vollführt. Oder mit ausgebreiteten Armen auf einem Floss in der Sommersonne steht und in der linken Hand einen dicken Fisch hält. Selbstverständlich posiert Putin mit nacktem Oberkörper. Das hat er zu seinem Markenzeichen gemacht. Unvergessen sind seine Fotos als Reiter mit freiem Oberkörper, unterwegs in den Weiten Sibiriens.

Ewig viril: Wladimir Putin sonnt sich in Sibirien (August 2017). Foto: AFP

Auch Benito Mussolini zeigte sich gerne mit entblösster Brust (während einer Ansprache im Sommer 1938 und beim Skifahren 1937). Fotos: Getty

Für einen Mann, der im kommenden Oktober 65 Jahre alt wird, sieht Putin topfit aus. Der Langzeit-Präsident liebt die Inszenierung seines Körpers und seiner Männlichkeit. Er ist eben ein echter Kerl, naturverbunden und sportlich, viril und vital, stets bereit für den Kampf im Dienste des Vaterlands. Der russische Politikwissenschaftler und Publizist Sergei Medwejew sieht hinter dem Gehabe mit dem nackten, muskulösen Oberkörper eine ambitionierte Botschaft: Es soll zeigen, «dass der russische Staat, buchstäblich verkörpert von Putin, stark ist, also alles und alle im Griff hat».

Eine Urgewalt: Der russische Präsident stählt seinen Körper im Baikalsee. Foto: Reuters

Der Duce fand im Mittelmeer etwas weniger herausfordernde Bedingungen vor (ca. 1930). Foto: Getty

Politische Körperinszenierungen haben eine lange Tradition, mit Vorbildern aus der griechischen und römischen Antike. Karl der Grosse, Europas Gründergestalt, soll ein grosser Schwimmer gewesen sein. Schwimmend demonstrierte er Freunden und Untertanen, dass er der geborene Führer war. Beschrieben ist das im Buch «Der schwimmende Souverän» des Kunsthistorikers Horst Bredekamp. In der neueren Geschichte war es Chinas «Grosser Vorsitzender» Mao, der sich als unerschrockener Schwimmer im riesigen Yangtse propagandistisch inszenierte. Im 20. Jahrhundert gab es auch manche afrikanische Diktatoren, die sich in der Kunst der Körperinszenierung übten, allen voran Idi Amin, der Despot und Schlächter von Uganda.

Putin fährt auch Ski, … aber das konnte Mussolini natürlich auch schon. Fotos: PD, Getty

Zur Meisterschaft des Körperkults haben es die deutschen Nationalsozialisten und die italienischen Faschisten gebracht. Sie erkannten früh die Macht der Bilder von Körperinszenierungen, und sie nutzten diese systematisch zur Beeinflussung der Massen. Im Gegensatz zum Führer zeigte der Duce höchstpersönlich vollen Körpereinsatz. Benito Mussolini ist der Erfinder der penetranten Zurschaustellung des nackten Oberkörpers. Von Italiens Diktator gibt es sehr viele Oben-ohne-Fotos, so zum Beispiel von einem Einsatz bei einer Weizenernte im Agro Puntino, vom Skifahren in den Abruzzen oder von einem Treffen mit dem österreichischen Kanzler Engelbert Dollfuss am Strand von Riccione. Wie es dem Faschismus eigen war, zelebrierte Mussolini seine Männlichkeit – so, wie es Russlands Präsident Putin heute tut.

Die Wehrhaftigkeit in Person: Der Russe (ca. 2005) und der Italiener (30er-Jahre) beim Kampfsport. Fotos: Keystone, Getty

In der Körperinszenierung gibt es verblüffend viele Parallelen zwischen Putin und Mussolini. In unzähligen Fotografien präsentieren sich beide als ewig jugendliche Kraftmenschen, die scheinbar nicht altern. Und beide zeigen sich in Sportlerposen oder bei typisch männlichen Freizeitbeschäftigungen, als ginge es darum, als Alleskönner zu erscheinen. Sie sind halt echte Männer und tolle Kerle, die bewundert werden wollen.

Die Tausendsassas Putin und Mussolini sind nicht nur begnadete Sportler, sondern auch Meisterschützen, … (Fotos: PD, Getty)

… furchtlose Motorradfahrer, … (Fotos: Getty)

… tollkühne Piloten … (Fotos: AP, Getty)

… und erfahrene Kapitäne. Fotos: Getty, AP

Mussolini und Putin: Beide Staatslenker sind Reiter, Schwimmer, Skifahrer und Schützen; der eine ist noch Fechter, der andere auch Taucher, Judoka und Eishockeyspieler. Beide sitzen auf Motorrädern sowie am Steuer von Booten oder im Cockpit von Kampfflugzeugen. Beide sind sogar musisch begabt: Putin spielt Klavier und Mussolini Violine. Und beide scheinen eine Vorliebe für junge Raubkatzen zu haben: Mussolini posiert mit einem Junglöwen und Putin mit einem Jungleoparden.

Starke Männer fühlen sich zu starken Tieren hingezogen. Fotos: Keystone, Getty

Putin hat sein ikonografisches Vorbild Mussolini längst überholt. Unvergesslich bleibt Putins Flugaktion zur Rettung einer vom Aussterben bedrohten Kranich-Art. An Bord eines Ultraleichtfliegers flog Putin vom Polarkreis in wärmere Gefielde in den Süden Russlands. Dabei folgte ihm ein Schwarm von Jungkranichen, denn aus Lautsprechern des Fluggeräts erschallten Laute eines Kranich-Muttertiers. Putin, der Tierfreund und Kranich-Retter: Eine solche Show hat nicht einmal der Duce hingekriegt.

Es gibt Menschen, die können einfach alles: Putin und Mussolini beim Musizieren. Fotos: Getty

Der russische Landesvater steht den einfachen Feldarbeitern mit Rat und Tat zur Seite, … Foto: Reuters

… ebenso wie der italienische Duce (1932). Foto: Getty

10 Kommentare zu «Best of: Wie sich Führerfiguren inszenieren»

  • Rino Zwingerer sagt:

    Eigentlichen zeigen sich die beiden Aspiranten auf den Bildern lediglich als unreife Buben, die imponieren wollen.
    Die transportierten Attribute sind körperlicher Art. Jedoch bedienen sich beide bald verschiedener technischer Hilfsmittel, letztlich zeigen sie sich also als Dompteure und Bändiger von Tieren, Waffen, Maschinen und auch Menschen.
    Sie bedienen damit menschliche Urbilder und zeigen ihre „kleinen Seelchen.“

  • doris sagt:

    Danke für die vielen eindrücklichen Bilder der beiden „Häuptlinge“ , die nicht nur eine Vorliebe für sportliches Posieren mit demselben blasierten Gesichtsausdruck zeigen, sondern damit auch die räumliche und mentale Entfernung zwischen sich und anderen Menschen aufzeigen, die zur Verfremdung wird.

  • werner hofer sagt:

    Putin ist ein „ganzer Kerl“? Ganz recht! Und erst noch sehr intelligent und belesen. Tja und bei uns müssen sich die Hipster Bärte wachsen lassen um sich den Anschein zu geben wirklich Männer zu sein.

  • Hanspeter Amstutz sagt:

    Politik ist oft auch eine Art Theater. Mussolini liebte die Theaterpose des Helden, der in allen Situationen den Weg weist. Wenn die Pose hohl ist, wirkt sie aus heutiger Sicht eher peinlich. Putin glaubt, dem russischen Volk den Weg zeigen zu können. Dazu ist ihm jede Pose recht, die ihn in seiner Rolle bestärkt. Wer wie die meisten demokratisch Denkenden mit solchen Führerphantasien Mühe hat, stösst sich an den Bildern. Noch ärger sind die Bilder mit Hitler als Kinderfreund. Diese kann man wohl nur als inszenierte Lüge bezeichnen.

  • Alexander Dernburg sagt:

    In RU sagt man zu solchen Anti-Putin-Kampagnen: Je aggressiver der Westen RU kritisiert, desto richtiger ist die Politik Russlands.
    .
    Wir erinnern uns: Gorbatschow und Jelzin, die RU tief in den Sumpf ritten und unglaublich viel zerstörten, wurden von den westlichen Politikern und den Systemmedien heiss geliebt.

    • Thomas Oegerli sagt:

      Das ist eine Behauptung, die von den Putin-Apologeten gerne kolportiert wird. Gorbatschow wurde im Westen gelobt, weil er den Menschen die Angst vor einem Atomkrieg nahm. Er wurde aber kritisiert, weil er innenpolitisch viel zu zögerlich agierte und sich mit zweifelhaften Figuren umgab. Jelzin wurde für seine demorakratischen Reformen gelobt, aber auch für seine chaotische Wirtschaftspolitik kritisiert. Nicht zuletzt war sein Alkoholismus oft ein Thema in westlichen Medien. Putin wurde gerade in deutschsprachigen Medien zu Beginn durchaus wohlwollend betrachtet, sogar seine desaströse Tschetschenien-Politik erhielt Zustimmung. Nichts da von „heiss geliebt“ vs „aggressiv kritisiert“.

    • T Kirk sagt:

      Gorbatschow hat ein Ende des Kalten Kriegs ermöglicht. Putin fängt ihn gerade wieder an, unterstützt durch die Tatsache, dass im Weissen Haus jemand sitzt, der ihm nicht im Geringsten gewachsen ist.

    • Maya Amberg sagt:

      ….und darum, „Dernburg“, wird Rusland immer ein Land sein, dass dem Westen hoffnungslos hinterherhinkt. Die Lernresistenzen sorgen dafür, dass Russland immer das „Land der Herren, Land der Sklaven“ bleiben wird, das es immer war. Putolini passt schon.

  • Huldreich sagt:

    Was Putin da fährt, ist kein Motor-, sondern ein Dreirad, und erst noch eines vom Klassenfeind 😉 Mussolini fährt eine italienische Bianchi, schon damals mit obenliegender Nockenwelle !

    • Richard Müller sagt:

      Mein Vater fuhr in seiner Jugend eine BMW mit sog. Tankschaltung. Mein Grossvater eine Kreidler Florett. Sie waren aber nicht Politiker, sondern Büezer. Ich fuhr Puch.

Die Redaktion behält sich vor, Kommentare nicht zu publizieren. Dies gilt insbesondere für ehrverletzende, rassistische, unsachliche, themenfremde Kommentare oder solche in Mundart oder Fremdsprachen. Kommentare mit Fantasienamen oder mit ganz offensichtlich falschen Namen werden ebenfalls nicht veröffentlicht. Über die Entscheide der Redaktion wird keine Korrespondenz geführt.