Die Wikinger-Kriegerin von Birka

Toughe Weiber hatten durchaus Platz in der Vorstellungswelt der Normannen: Falsche Wikinger an einem traditionellen Volksfest auf den Shetlandinseln. Foto: Chris Furlong (Getty Images)
Dass hier ein besonderer Mensch liegt, war den Archäologen sofort klar: Das Grab befand sich abgesondert an einer erhöhten Stelle, und man hatte es so reich ausstaffiert wie kein anderes in dieser Wikingerstadt. Ein ganzes Waffenarsenal umgab die Leiche: Schwert, Axt, zwei Schilde, Pfeil und Bogen, und vor allem hatten die Nachkommen noch zwei Pferde getötet und gleich mitbeerdigt. Als ob sich dieser Mensch in der Walhalla gleich wieder ins Schlachtgetümmel stürzen würde.
Der Fall schien also rasch klar, als die Archäologen im Jahr 1878 in Südschweden das Grab Bj581 freilegten: Hier lag ein grosser Krieger, vielleicht der höchste Heerführer in Birka, einer grossen Handelssiedlung des Wikingerreiches. Denn ein feines Detail legte besonders nahe, dass diese letzte Ehre nicht einfach einem tollen Haudegen galt, sondern einem Chef: Man hatte dem Toten auch ein Strategiespiel mitgegeben, komplett mit Brett und Steinen.

Skizzen des Grabs durch Archäologen um 1880, neue Darstellung (Þórhallur Þráinsson | © Neil Price)
Seit ihrer Ausgrabung diente diese Figur als starkes Modell dafür, wie man sich einen ausgerüsteten Wikinger vorstellte. Nun aber nahmen schwedische Archäologen und Anthropologen das Skelett von Birka nochmals unter die Lupe – und dank moderner DNA-Technologie kamen sie zu einem eindeutigen Ergebnis: Da fehlt ein Y-Chromosom. Der grosse Krieger war eine grosse Kriegerin, ganz klar. Sie wurde gut 30 Jahre alt, war 167 Zentimeter gross und dürfte um das Jahr 950 nach Christus gestorben sein.
Halbblinde Mönche
Diese Einsicht wirft vieles über den Haufen. Wir können uns wohl verabschieden von lieb gewordenen Bildern – die Wikinger als brutale Machobande, jeder mit Bart, jeder mit Hörnern am Helm.
Gewiss, die Historiker haben schon längst erkannt, dass in Skandinavien ums Jahr 1000 nicht bloss brutale Hotzenplotze hausten, sondern fein organisierte Bauern- und Händlergemeinschaften. Das schaurige Image der Normannen als Zerstörer-, Räuber- und Vergewaltigerhorde stammt aus den Annalen der fränkischen oder angelsächsischen Mönche, denen die Beschriebenen die Klöster leergeplündert hatten. Die Chronisten hatten also eine ziemlich einseitige Sichtweise: Barbaren. Frauen mit Schwert oder gar Frauen in Leitungspositionen passten schwerlich in diese Darstellung – sie passten ja schon grundsätzlich nicht in den Denkrahmen der christlichen Mönche.

Grab Bj581: Illustration von 1889 nach den Plänen des Archäologen Hjalmar Stolpe (Bild: Uni Stockholm / American Journal of Physical Anthropology)
Auf der anderen Seite hatten toughe Weiber durchaus Platz in der Vorstellungswelt der Normannen. Deren Mythologie verdanken wir die Walküren, eine Art Todesengel im Umfeld des Donnergottes Odin. Ihre Erzählungen berichten auch von ganz konkreten Soldatinnen. In der sogenannten Erikssaga taucht beispielsweise eine Freydis Eriksdottir auf, die auf mehreren Expeditionen nach Nordamerika («Vinland») mitsegelte, wobei sie sich in einer Schlacht gegen Indianer an die Spitze des Kampfes stellte. Und dann hatten die Archäologen in Skandinavien auch schon mehrfach tausend Jahre alte Frauenskelette gefunden, zu denen man Waffen ins Grab gelegt hatte.
Die Unfähigkeit, eine Frau zu sehen
Nur: Was bedeutete das? Selbst die aufgeklärte Forschung vermutete lieber, dass dieses Kriegsgerät etwas Symbolisches bedeutete oder dass hier ein paar Erbstücke ruhten, quasi Besitz des gefallenen Gatten; aber nicht das Arbeitsgerät der Toten selbst.
Damit aber wird die Neu-Entdeckung von Bj185 vollends interessant: Die Tote von Birka steigt auf zu einer wunderbaren Symbolfigur für die Sehstörungen, mit denen der Mensch in seine Vergangenheit zurückblickt. Wie das schwedische Forscherteam um die Archäologin Charlotte Hedenstierna-Jonson berichtet, deutete nämlich schon in den 1970er-Jahren eine Knochenanalyse an, dass das Skelett einer Frau gehört haben könnte; aber weil niemand dies glauben wollte, versandete die Sache.
Sogar dann, im späten 20. Jahrhundert, war man noch nicht in der Lage, eine Kriegerin zu sehen – also sah man sie nicht. Auch wenn sie offen und totenstill da lag.
- Charlotte Hedenstierna-Jonson, Anna Kjellström, Torun Zachrisson et al.: «A female Viking warrior confirmed by genomics», in: «American Journal of Physical Anthropology», September 2017.
- Zur Mitteilung der Uni Stockholm: «An officer and a gentlewoman from the Viking army in Birka», September 2017.
- Kritisch der Blogpost von Judith Jesch, Professorin für Norse and Viking Studies in Nottingham: «Let’s Debate Female Viking Warriors Yet Again».
12 Kommentare zu «Die Wikinger-Kriegerin von Birka»
Selbstverständlich können die Waffen überdimensioniert sein, Symbolik, die haben auch nicht geglaubt, dass die Toten die Waffen physisch brauchen: Die Asiaten glauben auch nicht, dass die Geister die ihnen hingelegten Speisen tatsächlich essen.
Also wenn sie ein Grab einer weiblichen Leiche finden, der überdimensionierte Kochutensilien beigelegt wurden, schliessen sie dann daraus, dass die Männer gekocht haben?
Der Kommentar gehört zu Herrn Rothacher, ganz unten.
Auch zu den Kelten findet sich in Texten zeitgenosischer Historiker findet interessantes: es waren Frauen welche jungen Kriegern die Kunst des Schwertkampfes beibrachten.
Auf alten Pfannen lernt man kochen 🙂
Da wurde wohl eher das Schwert in der Hose beübt.
Die Idee, dass Frauen minderwertig sind und höchstens an den Herd gehören stammt aus der Bibel. Sowohl im alten Ägypten wie auch in den keltischen Kulturen galten Frauen dem Manne ebenbürtig wenn nicht gar überlegen. So wie auch in vielen heutigen Naturvölker. Die Kirche hat ja heute noch Angst vor Frauen. Man überlege mal warum… Vielleicht weil sich Frauen weniger leicht für dumm verkaufen und einspannen lassen für die Ziele von wenigen?
Und dann erst diese Amazonen aus Amazonien.
Die mochten diese blonden Wiikinger sehr. Gute Mischung …
.
Nur weil ein Schwert dabei ist, heisst es nicht, dass sie es auch benutzt hat oder damit umgehen konnte. Schwerter waren wertvoll.
Wenn ich mich mit meinem Rennvelo begraben lasse, heisst das nicht, dass ich die Tour de France gewonnen habe.
Vor ein paar Tagen las ich bereits woanders einen Artikel über diese Kriegsherrin. Es war eindrücklich, was für absonderliche Erklärungen etliche Kommentarschreiber daraufhin vom Stapel liessen. Auch sie konnten sich offenbar nicht mit dem Offensichtlichen abfinden, sondern bemühten abgedroschenste Klischees, eben weil in ihren Augen nicht sein kann, was nicht sein darf.
Offenbar ist es nicht ganz klar ob die analysierte DNA wirklich aus diesem Grab stammt, und somit ob es sich wirklich um das Grab einer Frau handelte. Siehe etwas hier: https://arstechnica.com/science/2017/09/have-we-finally-found-hard-evidence-for-viking-warrior-women/
Dass Frauen wichtig bei den Wikingern waren, war in der Forschung schon länger bekannt. Man glaubt, dass Haus und Hof nur über die weibliche Linie vererbt wurden. Auch gibt es schon länger bekannte Kriegerinnen. Das passte lediglich nicht in die christliche – speziell die katholische Lehre (Leere;-)
Schweden war bereits mehrheitlich evangelisch-lutherisch, als man 1878 das Grab fand und analysiert oder 1970 die ersten Hinweise erhielt, es handle sich um eine Frau. Ihre offensichtliche Abscheu der katholischen Lehre trübt Ihren Blick auf das 19. Jahrhundert und auf die Wissenschaft generell (kein ernsthafter Historiker von 1880 übernahm Aussagen katholischer Mönche hunderte von Jahren zuvor als 1:1 als wahr; gerade die Historiker waren damals sehr viel weiter).
Was jedoch klar ist: das abgebildete Schwert ist viel zu gross für eine 167 cm Frau. Auch die Streitaxt wäre zu gross/schwer für einen Kampf gewesen. Beides hätte die Fau in einem echten Kampf niemals siegreich gegen Männer einsetzen können.
Ja genau, und wie hätte die auf zwei Pferden reiten sollen?
Ach ja, das Frauenbiöd hat der Katholen hat der Luther voll übernommen: „Die grösste Ehre welche das Weib hat, ist ohnehin, dass die“ Männer durch sie geboren werden“ soll er gesagt haben, und noch vieles mehr:
Die Protestanten sind die Taliban unter den Christen, die reaktionären, Luther wollte zurück zum guten Christentum, weg von der Dekadenz der „modernen“ katholischen Kirche.
Wie gross soll denn der (männliche) Krieger, der die Waffen, die bei 1.67 eindeutig und offensichtlich zu gross und schwer sind, erfolgreich im Kampf gegen einen richtigen, wiel männlichen Gegner verwenden kann: Die männlichen Wikinger waren mindestens 2m50, so sagte man damals, noch grösser als die (männlichen) Hunnen und Normannen