Der ewige Fluch des Pharao

History Reloaded

Mitarbeiter des Ägyptischen Museums in Kairo platzieren eine Statue von Königin Teje. Foto: Amr Nabil (AP)

Waren Sie auch da? Die «Osiris»-Ausstellung im Zürcher Museum Rietberg brachte die Anziehungskraft des alten Ägypten wieder schön ans Licht. Wegen des Andrangs wurde die Schau über den Osiris-Mythos und die Unterwasserentdeckungen in der Bucht von Abukir verlängert, und inzwischen ist klar: Mit über 100’000 Besuchern war es die erfolgreichste Sonderausstellung in der Geschichte des Rietberg-Museums.

Ein Beispiel mehr dafür, wie uns die Bildwelt von Pyramiden und Sphinx, Pharaonen und Sarkophagen fesseln kann. Diese Faszination wird bekanntlich auch sonst gern umgemünzt, auf Zigarettenschachteln, in Las-Vegas-Plastik oder in Hollywood-Blockbuster-Reihen von «Indiana Jones» bis «The Mummy» – eben erst wieder im Kino.

Der special relationship zwischen Alltagskultur und altem Ägypten ist nun Christina Riggs nachgegangen, eine Historikerin der University of East Anglia. Schliesslich drückt unsere Neugier für frühere Zeiten immer auch unsere Ängste und Hoffnungen aus, und das macht die Egyptomania interessant.

Hotel und Casino Luxor in Las Vegas. Bild: Miguel Hermoso Cuesta (Wikimedia)

Warum also Ägypten? Wir kennen versunkene Grossreiche, die vielleicht reizvoll sind, aber mehr dann nicht: Azteken, Khmer, Sumerer, Mongolen … Und es gibt antike Kulturen, die als Teil der eigenen, der europäischen, der Schulzimmer-Geschichte fast schon fade wirken: Griechen und Römer, Kelten und Germanen. In der Beziehung zum alten Ägypten finden wir beides, Nähe und Exotik – Doppelbödigkeit.

Es gab Phasen, in denen Ägypten irgendwo im Sand vergessen war, weit weg. Und es gab Zeiten, in denen eine regelrechte Ägypten-Begeisterung durch Europa zog. Nachdem der Engländer Howard Carter 1922 das unberührte Grab von Tutanchamun entdeckt hatte, wurde der junge Goldkopf-Pharao mitsamt seiner Hieroglyphen-Ästhetik prompt tausendfach für Werbezwecke verwendet. Für eine Tut-Ausstellung in London war zwei Jahre später nur das neue Wembley-Stadion gross genug: Über 27 Millionen Besucher strömten herbei.


Immer wieder schön verflucht: Trailer zu «The Mummy», 2017.

Doch zeitgleich begann eine andere Gruppe, die Pharaonen für sich zu entdecken: Es waren die Schwarzen in Amerika. Im Rahmen der sogenannten «Harlem Renaissance», einer Kulturbewegung der 1920er und 1930er, bildeten schwarze Künstler ägyptische Statuen neu, schwarze Autoren reklamierten die Geschichte des Nillandes für sich. Denn hier stand das Modell eines afrikanischen Grossreichs, einer eigenen Hochkultur – ein Beweis dafür, wie umfassend und klassisch ihre eigene Herkunft war.

«Seit wann sind die Ägypter nicht weiss?»

Wozu gehört Ägypten nun? Christina Riggs macht die Spannung in einer kleinen Geschichte spürbar: Als der Moses-Film «Exodus» 2014 in die Kinos kam, hagelte es in den sozialen Medien die Kritik, dass wieder mal nur weisse Darsteller zu sehen seien. Worauf Rupert Murdoch, der Besitzer der verantwortlichen Fox-Studios, höchstpersönlich dagegentwitterte: «Seit wann sind die Ägypter nicht weiss?» Fast zeitgleich liess sich Popstar Rihanna zwei Bilder auf Brust und Rippen tätowieren: Sie zeigten Nofretete und die ägyptische Göttin Isis. Diese Tattoos wurden von Rihannas Fans sogleich als Ehrerbietung an ein afrikanisches Erbe gedeutet.


Alle so schön hell: Trailer zu «Exodus», 2014

Man kann darüber natürlich gut lächeln. Doch über dieselben Fragen zankten schon die Gelehrten im 19. Jahrhundert – der Boomzeit des pseudowissenschaftlichen Rassismus – mit fürchterlichem Ernst. Die einen vermassen Mumienschädel und entdeckten «kaukasische» Kopfformen. Die anderen sichteten «Äthiopier» in Ägypten. Und besonders spitzfindige Herren schafften einen grandiosen Zirkelschluss: Ägypten war eine grosse Zivilisation, also mussten das ja Weisse gewesen sein.

Trennungsstrich im Mittelmeer

In den Ölbildern jener Zeit boten die Maler dem bürgerlichen Publikum beides: Exotik, aber für den Heimgebrauch. Sehr prächtig zu betrachten war das in den damaligen Darstellungen von Kleopatra: Die letzte, tragische Königin des ägyptischen Reiches wurde am liebsten käsebleich dargestellt, aber mit möglichst durchsichtigen Textilien. Ägypten war abseits genug für erotische Fantastereien, die man keiner europäischen Königin zugetraut hätte.

Durchsichtig: Jean-André Rixens, «La mort de Cléopâtre», 1874. Bild: Wikimedia

Fremd oder weniger fremd? Die Antworten waren da schon weit vorgespurt. Denn bereits Jahrhunderte früher, in der Renaissance, hatten die Gelehrten quasi eine geistige Grenze durchs Mittelmeer gezogen und dabei die Griechen und Römer als Teil der europäischen Geschichte gefeiert – als Ahnen. Die Völker an den Südküsten wurden dabei irgendwie verdrängt. Dass es rund ums Mittelmeer engste Beziehungen und tausend Gemeinsamkeiten gab, dass das bewunderte antike Griechenland massiv von der noch antikeren Hochkultur Ägyptens gefärbt worden war: Dies vergass man nun lieber.

Was unterscheidet Cheops von Kleopatra? Etwa 2500 Jahre

Der Trennungsstrich im Mittelmeer macht unser Weltbild bekanntlich bis heute aus, aus vielen Gründen. In diesem Fall trug er dazu bei, dass wir Ägypten als «verlorene Zivilisation» wahrnehmen, die immer wieder neu entdeckt werden darf. Die abseitig genug ist, um in ihrem Schatten allerlei Mystizismus spriessen zu lassen – Geraune im Stile von «Der Fluch des Pharao» und «Das versunkene Geheimnis».

Was ist Ägypten? Das alte Reich war jedenfalls so gewaltig, dass sich jeder seine persönlichen Schwarzweissbilder dazu ausmalen kann. Cheops, der König der grossen Pyramide in Gizeh, lebte zeitlich weiter entfernt von Kleopatra als Kleopatra von uns.

6 Kommentare zu «Der ewige Fluch des Pharao»

  • Fritz Meyerhans sagt:

    Ohne die sehr weiss gewaschenen afrikanischen Charaktere gutheissen oder legitimieren zu wollen: Ich dachte, Kleopatra war effektiv nicht gebürtige Ägypterin sondern Makedonierin?!

  • Rolf Zach sagt:

    Mit den alten Ägypter sind wir Europäer über das Alte Testament und die alten Griechen wie zum Beispiel Herodot verbunden. Ausgehend von dieser Faszination zusammen mit den Pyramiden kamen dazu noch die Archäologie, die durch Napoleons Feldzug nach Ägypten 1799 stark gefördert wurde und direkt danach die Entzifferung des Steins von Rosette.
    Was dieses während Jahrhunderte reichste Land der Erde, wo eigentlich mit wenig Aufwand eine große Bevölkerung ernährt werden konnte, dazu bewogen hat, alle ihre überschüssige Energie daraus zum grössten Teil nicht für ihre Zukunft, sondern für ihre Religion zu verwenden, bleibt weiterhin rätselhaft.
    Das Ägypten um Christi Geburt war ein Land der griechischen Kultur, die alt-ägyptische dominierte nicht mehr. Kleopatra war eine Frau des Hellenismus.

  • L. Franke sagt:

    Die Mitarbeiter des Ägyptischen Museums in Kairo platzieren das Oberteil einer Statue von Pharao Ramses II (CG 616, dunkler Granit, Höhe : 0,77 m, gefunden in Tanis, wohl ursprünglich aus Pi-Ramesse).

  • Othmar Riesen sagt:

    Die Pharaonen-Zeit dauerte über 3000 Jahre. Das hat sonst niemand in der Geschichte dieser Welt geschafft. Die Papsttum dauert erst seit 2000 Jahren, ähnlich lang auch das römische Reich.

  • Roland K. Moser sagt:

    Raubkunst.
    Und die Europäer sind so stolz auf ihren Kunstraub, dass sie Raubkunst nicht zurück geben.

    • Rolf Zach sagt:

      Raubkunst ist ein großer Mythos der heutigen Dritt-Welt-Enthusiasten, gilt besonders für die Länder der islamischen Zivilisation.
      Was denken Sie wohl, wo das Grab Tutanchamuns wäre, wenn es nicht die westliche Archäologie gegeben hätte? Islamische Behörden haben sich nie um die antiken Schätze ihrer Länder interessiert. Das Edelmetall und die Edelsteine wurde schon genommen, aber die Kunstwerke selbst sind nach dem Koran heidnisches Zeugs und nicht der Rede wert.
      Heutige Regierungen dort sind nur daran interessiert, wenn es Geld verspricht, gilt auch für die Türkei und Ägypten. Nur der Iran ist da eine Ausnahme.
      Was der IS mit den antiken Kunstschätzen angerichtet hat, wird von 90 % der Moslems dieser Länder als richtig betrachtet. Nur als Geld-Quelle zählt es!

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