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  • Man sollte das Hallenbad an der Maulbeerstrasse geniessen, solange es noch da ist.

  • Im Jahr 2020 soll ein neues Hallenbad mit 50-Meter-Becken das alte «Mubeeri» ersetzen.

  • Es ist Ertüchtigungsanstalt und Design-Museum in einem: das «Mubeeri».

«Mubeeri»: Bahnen-Ballett im Retro-Bad

Es ist ein schlechter, schlechter Sommer. Der vierte Teil des grossen «Hauptstädter»-Badi-Reports dreht sich deshalb um ein Hallenbad – und zwar das altehrwürdige «Mubeeri», wo eine Reise in die Vergangenheit für gerade mal 7.50 Franken zu haben ist.

Es fing alles so gut an. Im Lorraine-Bad lud das Fisch-Becken zum Bade, im Wylerbad winkten die Kindheitserinnerungen und im Marzili wurde die eigene Schamgrenze ausgelotet – doch dann bereitete ein spektakulär schlechter Sommer der schönen Badi-Testreihe ein frühzeitiges Ende. Wassermassen statt Wasserglace, Beaver-Dämme statt Bikini, Sintfluten statt Sonnenbad.

Doch verzagen gilt nicht. Schliesslich heisst es schon auf der Website des Stadtberner Sportamts: «Die Hallenbäder Hirschengraben, Weyermannshaus und Wyler laden das ganze Jahr zu Bewegung im Wasser ein.» Nun denn, ab ins «Mubeeri», Berns prächtiges Retrohallenbad. Beinahe schon muss sich sputen, wer das Bad von innen sehen will: Bis 2020, also ziemlich genau zu seinem 100-Jahr-Jubiläum, soll es durch eine nigelnagelneue Schwimmhalle ersetzt werden. Die Renovation käme die Stadt teuer zu stehen, bloss noch die Notsanierung liegt drin. Dieses Verdikt der Stadtoberen wiederum hat massenhaft Petitionäre auf den Plan gerufen, 2468 Architekten, Künstler und Heimatschützer setzten sich seinerzeit für den Erhalt des zentral gelegenen Bads ein. Massenhaft Emotionen für so ein kleines Hallenbad – was da wohl dahintersteckt?

So einiges, möchte man sagen. «Nehmen Sie Sauna und Gesundheitsbad dazu?», fragt die freundliche Schalterdame die ungläubigen «Mubeeri»-Novizen. Ja, schwitzen und kurbaden lässt sich hier auch, und das auf diesem knappen Raum. Heute soll es allerdings nur Sport sein, also Schwimmen allein für 7.50 Franken. So viel kostet die Reise in die Vergangenheit im «Mubeeri», recht preiswert eigentlich wenn man bedenkt, dass es Ertüchtigungsanstalt und Designmuseum in einem ist. Vorbei gehts an den quietschrosafarbenen Schliesskästen ins Hallenbad, wo beige Wand- auf braunmelierte Bodenkacheln treffen, wo hinter Glasscheiben Plastikblumen wuchern und Kakteen blühen. Über einem bröckelt die Decke ein bisschen und gibt den Blick auf die Dämmung frei. Von der eleganten Galerie im ersten Stock aus lässt sich bei Automatenkaffee das Treiben im Becken beobachten. Unten schaufeln sich die Crawler routiniert durchs Wasser, eine Schwimmerin zieht es gar vor, zum Vorankommen nur gerade die Arme zu benützen.

Darwin wird hier zum Schein ein Schnippchen geschlagen, die langsamen Schwimmer werden von den schnellen Schwimmern gnädigerweise abgetrennt. Doch komisch: Weil sich keiner gern überholen lässt, schätzen sich die Menschen hier ganz wider ihrer Natur gern langsamer ein, als sie es tatsächlich sind. Und so kommt es, dass sich auch in der Bahn der langsamen Kreisschwimmer der eine oder andere verhinderte Michael Phelps tummelt. Seis drum. Es ist friedlich hier, nur einmal muss der Bademeister räsonieren, hat ein unbedarfter Besucher doch glatt das vorgängige Duschen vergessen.

Es ist die Ruhe vor dem Sturm, denn alle wissen: Um Punkt 14 Uhr müssen die Schwimmer die Bahnen für die angekündigte Schulklasse freigeben. Die komplizierte Belegungsgrafik hat es bereits am Eingang gezeigt: Wo der Platz so knapp ist wie im «Mubeeri», da ist Organisation alles. Auf die Viertelstunde genau ist jede der vier Bahnen durchgeplant, Schulklassen, Schwimmclubs und Studenten können hier ihr Recht geltend machen. Schon kurz vor 14 Uhr setzen sich die ersten Schwimmer in Bewegung, ohne zu murren wechseln sie auf die verbleibende freie Bahn, ein stillschweigendes Wasserballett nimmt seinen Lauf. Und da, tatsächlich, aus der Garderobe sind bereits Kinderstimmen zu vernehmen. Am Beckenrand reckt eine Schwimmlehrerin ihre langen Glieder, der Zeiger rückt auf zwei Uhr vor.

Das «Mubeeri» ist ein Kleinod, ungelogen.

Hanna Jordi

Hanna Jordi lebt in Bern seit 1985. Etwas anderes hat sich bislang nicht aufgedrängt.


Publiziert am 13. August 2014

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