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Nur die Getränke sind gratis

Der Gemeinderat hat nun verraten, wie viele Polizisten am legendären Demosamstag von letztem März im Einsatz gestanden sind. Um künftige Polizeieinsätze besser einschätzen zu können, haben wir etwas herumgerechnet.

Schwelgen wir kurz in Erinnerungen. War das nicht ein abenteuerlicher Tag, dazumal am 29. März? Da wollten Rechte gegen das Justizsystem demonstrieren, was dazu führte, dass Linke gegen Rechte demonstrieren wollten. Was nach einer ordentlichen Portion Action klang, wurde eine ziemlich fade Angelegenheit. Schlussendlich gab es in der Innenstadt hauptsächlich Polizisten zu sehen. Ganze 1200 Einsatzkräfte waren damals in Bern unterwegs, was eigentlich gereicht hätte um eine anständige Polizeiparade durchzuführen. Doch anstatt im Stechschritt über den Bundesplatz zu marschieren, haben die Beamte hauptsächlich Passanten kontrolliert.

Halt, stopp, Polizeistaat? Natürlich nicht, findet zumindest der Gemeinderat, alles sehr verhältnismässig. Tatsächlich? Wir haben die Sachlage mit höchster Neutralität analysiert und sind zu einem leicht abweichenden Ergebnis gekommen. Weil es nichts Objektiveres als Mathematik gibt, wollen wir uns an ihr bedienen. Es standen also 1200 Polizisten im Einsatz. 58 Personen wurden näher überprüft. Also hätten auf jede näher kontrollierte Person, wir runden staatsfreundlich ab, 20 Polizisten angesetzt werden können.

20:1 scheint etwas unfair, aber wir wollen mal nicht nachtragend sein. Nur eines nimmt uns Wunder: Wird dieses System Schule machen? Gehen wir einmal von folgendem realitätsnahen Szenario aus: Bei der Polizei gehen in einer Nacht drei Lärmbeschwerden ein, weil überforderte Autofahrer ständig mit ihren Stossstangen gegen den neuen Poller vor dem Mattequartier prallen. Im Sinne des Verhältnismässigkeit-Verständnis des Gemeinderats wäre es nun richtig, drei Patrouillen an die Aarstrasse zu schicken. Nach dem «20:1-Prinzip» müssten dann also 60 Einsatzkräfte vor Ort für Ordnung sorgen.

Was nun? Dank neusten Einblicken in saubere Polizeiarbeit, wissen wir jetzt, wie vorgegangen wird. Seit der letzten Razzia (polizeilicher Fachausdruck, um für lau einen heben zu gehen) in der Reitschule wissen wir, dass die Beamten, wohl wegen mickrigem Lohn, zuerst immer die Küche ansteuern. Falls Sie nun direkter Anwohner sind, müssen Sie sich nicht die Mühe machen, den Polizisten die Tür zu öffnen. Die kommen schon von selbst herein. Wenn die versammelte Truppe dann in ihrer Küche steht, sollten Sie sich in Acht nehmen. Unterlassen Sie es zum Beispiel den Beamten ein paar Brote zu schmieren, denn sie würden sich über Ihr Brotmesser so erschrecken, dass Sie plötzlich freie Sicht in 60 Pistolenhälse hätten.

Aber alles halb so wild. Die Polizisten werden schon bald wieder abzotteln, nach dem Sie sich gratis verköstigt haben. Es kann aber gut sein, dass ein paar Beamte über Nacht bleiben, da für Einsätze in solcher Grösse Kollegen aus anderen Kantone dazu geholt werden müssen. Denn wer soll denn bitte Kosten und Logis sonst übernehmen? Solche Einsätze sind schon kostspielig genug. Schliesslich würde der Pollereinsatz-Szenario nach dem «20:1-Prinzip» 50’000 Franken kosten.

Martin Erdmann

Martin Erdmann


Publiziert am 9. Juli 2014

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