
Wylerbad: Sport und Hormone
Der Sommer kommt. Der «Hauptstädter» macht sich auf, Berns Badeanstalten zu erkunden. Folge 1 des grossen Badi-Reports: Das Wylerbad.
Der Sommeranfang hat die eigens eingereisten Schwalben einigermassen ratlos zurückgelassen: Ist er jetzt da oder lässt er noch länger auf sich warten? Sicher ist: Letzte Woche hat er sich kurz gezeigt. Für mich ein Grund, in die Badi meiner Kindheit zurückzukehren: Das Wylerbad. Wo wir Wylergutkinder dazumal unser Sackgeld in Saure Zungen angelegt haben. Wo wir nach dem Ertönen des Aufbruchs-Gongs jeweils durch das Wylerholz nach Hause gerannt sind, um nicht Blickkontakt aufnehmen zu müssen mit den Exhibitionisten, die sich in den frühen 90ern scharenweise im Wald tummelten.
Das mag sich geändert haben. Vieles aber ist noch wie damals: Das Wylerbad, eingebettet zwischen der Einfamilienhaussiedlung am Aarehang und den Wohnblocks des Wankdorfs, ist leicht per öV zu erreichen, verfügt über fünf Becken und ein 5-Meter-Sprungbrett, der Eintritt ist gratis. Betonverliebter 60er-Jahre-Chic inmitten einer immensen Liegewiese, so soll ein Freibad aussehen. Eine Oase in grau und grün. Demgegenüber eher schlecht gealtert sind die angeschlossenen Gebäude mit den Umkleidekabinen und WCs. Die grottenhaften Kabinen sind so feucht und dunkel, dass ich mich schnellstens wieder ins Freie flüchte.
Was auffällt: Es ist Mittwochnachmittag, die Kinder haben schulfrei und das Bad ist gut besucht – und trotzdem herrschen hier luxuriöse Platzverhältnisse. Zumindest, wenn man die riesige Grasfläche mit dem Badetuch-Mosaik im Lorrainebad vergleicht, wo man Glück hat, wenn sich die Frotteesäume nicht gerade überlappen. Und wo die Skizzenbücher und die schlaue Lektüre wie Trophäen um den Liegeplatz herumdrapiert werden. Nicht so im Wylerbad. Wie Kuno Lauener sagen würde: «Kenne tue ni niemer hie». Eine feine Sache zur Abwechslung. Hier läuft man nicht Gefahr, Vertraulichkeiten auszutauschen. Es hat schlicht zuviel Platz dazu.
Einzig längs der beiden Spassbecken für Kinder ist der Platz auf der Wiese knapp. Er gehört traditionell den AHV-Bezügern. Sie haben ein Arbeitsleben lang hart gearbeitet und aalen sich jetzt wohlverdient auf den mitgebrachten Sonnenliegen, top ausgerüstet mit Schirm und Kühlbox. Der Herr mit der gestreiften Speedo hat sich bereits eine ansehnliche Bräune zugelegt, wenn man bedenkt, dass wir erst Mai haben. Dom Rep? Ich frage beinahe.
Die richtig ernsthaften Sonnenanbeter finden sich im Wylerbad jedoch etwas weiter Richtung Fussballplatz des FC Wyler. Auf den Steinstufen längs dem 50-Meter-Becken liegt die Eidechsenfraktion. Nach dem Vorbild der Kaltblüter fläzen sie auf dem Stein, der die Wärme des Tages gespeichert hat, Schatten gibt es hier weit und breit keinen. Terracotta-Haut und Goldkettchen, hie und da ein durchtrainierter Sportstudent, der kurz davor ist, den dritten Kilometer des Tages zu kraulen. Klar, es fehlt die Aare, die bleibt einem hier vorenthalten, doch die Menschen im Bassin stört das nicht. Wer in den Beckenabschnitt für die schnellen Schwimmer steigt, ist ohnehin hier, um zu schuften.
Laut und lustig ist es dagegen auf der gegenüberliegenden Seite des Beckens, in strategischer Nähe zum Sprungbrett. Rollige Hormonschleudern, wohin man sieht: Hier bezirzt eine dralle Frühentwicklerin ihren schmalbrüstigen Bewunderer, dort werden zur Belustigung der Umstehenden Bikini-Oberteil-Knoten gelöst, werfen sich halbwüchsige Kraftpakete effektreich ins Wasser. Es ist, als hätten sich die gesamten Oberstufen des Nordquartiers an diesem Fleckchen Erde versammelt. Vom Familienbecken her die bewundernden Blicke der jüngeren Kinder. So wollen sie auch sein, wenn sie mal erwachsen sind.
Wer wagt sich ins Becken im Lorrainebad? Wie schmecken die Pommes Frites im Marzili und dürfen Erwachsene auf die Ka-We-De-Rutschbahn? Antworten auf diese und weitere Fragen erhalten Sie bald in einer weiteren Ausgabe des Badi-Reports.
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