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  • «Steh nicht nur so rum. Bring mich zum Aufstehen.»
    Nicht lustig? Kostverächterin.

  • Diese Witze haben eine lange Tradition. Sie reichen zurück bis in die 50er Jahre. Etwa: «Guten Morgen, Schatz!»

  • «Ich bin so hungrig, ich würde auch einen Schuh essen.»

  • «Der Job ist zwar schlechter bezahlt, dafür hat es unverheiratete Männer im Büro.»

  • «Meinst du nicht, dafür müsste man erst mal ein Einkommen HABEN?»

  • Hat einen Witz gemacht: Bundesrat Ueli Maurer.

Der «Sager» ist in der Schweiz angekommen

Tschäppäts Italiener-Witz, Maurers Frauen-Witz: Dafür haben unsere österreichischen Nachbarn höchstens ein müdes Lächeln übrig. In Österreich sind verbale Ausfälligkeiten von Politikern so häufig, dass sie gar einen eigenen Namen haben. Der «Sager» hat schon Bürgermeister zum Rücktritt gezwungen.

In Österreich gibt es ja eigens ein Wort dafür. Sagt ein Politiker, Fussballer, Kaisersabkömmling oder auch ein pensionierter Bauunternehmer etwas Unsägliches, etwas, das noch eine Weile seine Runden in den Köpfen der Zuhörer drehen wird, dann hat er sich einen «Sager» geleistet. Der Sager hat nichts mit der Confiserie Sacher zu tun, doch auch er ist eine ur-österreichische Institution.

Der Sager ist gemäss Definition ein «bemerkenswerter (pointierter, lustiger, umstrittener) Ausspruch», der seinen Urheber nicht selten in Schwierigkeiten bringt. Den bemerkenswertesten Sager der jüngsten Vergangenheit leistete sich Anfang Dezember 2013 der Bürgermeister des niederösterreichischen Städtchens Gföhl im Bezirk Krems (Slogan: «Eine kleine Stadt mit grossem Herz»). Sein Sager ging folgendermassen: «Mir gehen die Scheiß-Asylanten sowieso am Oasch, aber schuld sind die Pressefritzen, die gehören aufgehängt, de san wia de Juden», soll er gemäss Ohrenzeugen im Laufe einer hitzigen Stadtratsdebatte zum Besten gegeben haben. Später machte er zwar geltend, er sei falsch verstanden worden, er habe etwas ganz anderes gesagt, und zwar: «Die Journalisten’ – nicht Pressefritzen – ‘hängen sich an etwas auf, das bereits wieder ganz anders ist. Die zitieren aus dem Duden.»

Nun ist es ja tatsächlich so, dass Journalisten im besten Fall hin und wieder den Duden zu Rate ziehen, doch das wollte gar niemand mehr gelten lassen, der Schaden war bereits angerichtet. Der Bürgermeister von Gföhl trat drei Tage später zurück, sein Juden-Sager, der gleichzeitig ein Asylbewerber- und Journalisten-Sager war, hatte ihm politisch den Garaus gemacht.

Wenn es um die schweizerisch-österreichische Beziehung geht, so geht das ja allgemein recht freigiebig zu und her. Abkupferungen, wohin man schaut. Da lässt sich zum Beispiel die ultrarechte FPÖ von ihrem Schweizer Pendant SVP wahlkampftechnisch beraten, und im österreichischen Vorarlberg sprechen die Menschen einen ähnlich verdächtigen Dialekt wie im Toggenburg. Aktuell sind es die Sager, die sich langsam aber sicher ihren Weg in die Schweiz bahnen. Kurz, nachdem der Gföhler Bürgermeister seinen rassistischen Totalausfall zelebrierte, folgte Berns Stadtpräsident Alexander Tschäppät nach. Der Italiener-Sager Tschäppäts («Wissen Sie, warum die Italiener so klein sind? Weil ihnen ihre Mütter stets sagen: Wenn du mal gross bist, musst du arbeiten gehen») fiel vergleichsweise dezent aus und war auch noch als Witz getarnt.

Jetzt hat der Sager mit Ueli Maurers Frauen-Sager («Wie viele Gebraucht-Gegenstände, die 30 Jahre alt sind, haben Sie noch zuhause?» – «Bei uns sind das nicht mehr viele, ausser natürlich die Frau, die den Haushalt schmeisst.») bereits die Bundesebene erreicht. Frauen als «Gebrauchtgegenstände» also (der Duden kennt übrigens nur den «Gebrauchsgegenstand» ohne Binnen-T). Geschickt: Auch Ueli Maurer kann sich bei seinem Sager auf die Geheimwaffe Humor berufen, und im Gegensatz zum Kollegen aus Gföhl begeht er nicht den Fehler, Minderheiten (Asylbewerber, Juden, Journalisten) anzuschwärzen, die über starke Lobbys verfügen. Er zielt direkt auf die Hälfte der Gesellschaft, da werden wohl einige davon noch etwas Spass verstehen.

Ebenfalls geschickt: Maurer bezieht sich auf einen Humortypus, der unbestritten auf eine lange Tradition zurückblickt. Er stammt nämlich aus den 50er bis 60er Jahren. Wir erinnern uns: Der Zeitungscartoon. Szenen des häuslichen Lebens. Sie: eine Furie oder unbedarftes Weiblein mit Nudelholz und Kochschürze. Er: sitzt auf dem Sofa oder kommt von der Arbeit heim, eins von beidem, ein Held des Alltags. (Klicken zum Vergrössern, mehr solchen Stoff gibts in der Bildstrecke.)

«Warum sollte ich Logik bemühen, wenn ich den Streit auch ohne gewinnen kann?»

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Nicht lustig? Kostverächterin. Es wird natürlich spannend zu sehen, wie sich der Sager im Schweizer Klima weiterentwickelt. Und ob auch er irgendwann so stark wird, dass er einen Schweizer Politiker zum Rücktritt zwingen kann.

Hanna Jordi

Hanna Jordi lebt in Bern seit 1985. Etwas anderes hat sich bislang nicht aufgedrängt.


Publiziert am 2. Mai 2014

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