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  • Vater und Sohn: Misha und Bär «3».

  • Verstörende Szenen im Tierpark.

  • In Dänemark werden Giraffen öffentlich seziert.

  • Oder den Löwen verfüttert. Wobei diese dann auch getötet werden – im Sinne eines «Generationenwechsels».

  • Ganz anders im Naturhistorischen Museum: Da lassen sich tote Tiere ganz uverstörend streicheln.

Von Tieren, Kindern und dem echten Leben

Noch ist die Aufregung um den armen, toten Bären-Jungen aktuell. Den Hauptstädter hat dazu – sozusagen – eine Leserfrage erreicht.

Wir wollen nach der ganzen Aufregung um den armen, toten Bärenjungen «3» doch nochmals bei den Tieren bleiben. Leider hat den Hauptstädter dazu – wie auch ganz allgemein noch gar nie, obwohl er sich dagegen nicht gewehrt hat – keine Leserfrage erreicht, wo doch die Geschichte mit dem toten Bären so fragwürdig scheint. Darum hier die Frage des imaginären Lesers (I.L.):

Lieber Hauptstädter
In Dänemark schlachten sie im Zoo Löwen und sezieren Giraffen vor Publikum. In Bern überlassen sie dem Bärenvater seinen Sohn als Spielball bis der stirbt. Soll man mit seinen Kindern überhaupt noch in den Zoo, oder ist das zu traumatisierend?
I. L. (am ehesten) aus B.

Lieber I. L.
Die Zeiten, in welchen Tiger den ganzen Tag abgestumpft in ihrem Käfig herumtigerten, Eisbären lethargisch auf den Betonfelsen lagen während auf der anderen Seite des Wassergrabens die Elefanten höchstens Mal mit dem Rüssel schlenkerten, sind vorbei. Die Gehege in den heutigen Zoos sind weitläufig und naturnah, das Futter wird von den Pflegern nicht mehr einfach zum Frass vorgeworfen, sondern gut versteckt – so sind die Tiere beschäftigt. Die Zoos sind keine einfachen Belustigungsstätten mehr für Menschen mit Verlangen nach etwas Exotik.

Heute wird um Verständnis für die Wildnis geworben. Ein Zoobesuch soll den Gast für die Verletzlichkeit der wilden Natur sensibilisieren. Zwar kann es sein, dass man so bei einem Zoobesuch die Tiere gar nicht mehr zu Gesicht bekommt – oder eben verstörende Szenen beobachtet (wobei der im Kreis schlenkernde Tiger auch verstörend war). Wenn man aber das Konzept des Zoos nicht grundsätzlich als Tierquälerei ablehnt, muss man diese Entwicklung begrüssen.

Um zu Ihrer Frage zu kommen: Es kommt drauf an. Und zwar auf Sie. Es ist nicht anzunehmen, dass ein Kind bleibend traumatisiert wird, wenn es den Tod eines kleinen Bären miterlebt. Ausser vielleicht: Es wird aus Mitleid zum Vegetarier. Wobei es dann wiederum davon abhängt, ob sie Vegetarismus für ein Trauma halten. Womit Sie auch noch rechnen sollten: Es werden ganz viele Fragen auftauchen. Wenn Sie bereit sind, sich diesen zu stellen, können Sie es weiterhin wagen, ihre Kinder mit in den Zoo zu nehmen. Wenn nicht: Dann besser nicht. Seien Sie sich aber bewusst, dass Sie ihre Kinder nicht ewig vor der echten Welt und sich selbst vor Kinderfragen schützen können. Ob Sie mit ihrem Kind zur Sektion einer Giraffe gehen wollen, ist dann vielleicht ein anderes Thema.

Als Alternative zum Zoo empfiehlt sich ein Besuch im Naturhistorischen Museum. Dort sind die Tiere nämlich schon tot und erst noch hübsch zurechtgemacht. So dienen sie gelegentlich gar als heimelige Kulisse für einen geselligen Abend bei Bier und Cocktails – auch wenn der Mensch da unter sich bleibt. Doch die Interaktion mit dem Tier ist in einem Zoo ja eigentlich auch sehr eingeschränkt. Im Museum hingegen können Sie sogar noch den Streichelbären streicheln. Das Naturhistorische Museum in Bern hat sich davon kürzlich einen Neuen zugelegt. Dem Alten haben nämlich tausende von Kinder- und wohl auch Erwachsenenhände die Nasenhaare abgestreichelt. Aber Achtung: Auch der Streichelbär hat einst gelebt.

Christian Zellweger

Christian Zellweger geht seit 2010 unter den Lauben Berns und schaut, wer auch schaut.


Publiziert am 7. April 2014

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