
Wer den Wahlkampf anstrengend macht
Wahlkampf ist anstrengend. Umso mehr, wenn die Medien so überaus kreativ sind, wie dieses Jahr. Eine kleine Übersicht.
Heute in einer Woche ist alles vorbei: Die Entscheidung, wer in den nächsten vier Jahren im Kanton Bern wie viel zu sagen hat, wird gefallen sein. Dann wird wahrscheinlich wieder gefeiert, lamentiert und analysiert. Viele Kandidaten werden froh sein, dass der Wahltermin schnell näher rückt. So eine Kampagne zehrt an der Substanz, nicht nur, weil man da schon mal bei Regen und Kälte in einem Dorf am Stand stehen muss und sich dabei möglichst gut verkaufen sollte.
Nein, es sind die Medien, die dem Wahlkämpfer das Leben schwer machen. Wie vermittelt man einem bestenfalls mässig interessierten Publikum die trockene Politik, Diskussionen um links und rechts, Sparen und Ausgeben, Freiheit und Sicherheit? Dieses Jahr haben sich die Redaktionen einiges einfallen lassen. Der Hauptstädter hat sich durch Radio- und Fernsehprogramme und Websites gewühlt.
Ganz persönlich wurde es für die Regierungsratskandidaten ein erstes Mal auf Radio Bern 1. «Ganz nach dem Motto „Musig wo’s bringt“ präsentieren sich sämtliche Kandidaten für die Kantonsregierung anhand eines Liedes», schreibt das Radio auf seiner Website. Die eine oder andere Erkenntnis brachte dieses Format durchaus: Regierungsrat Hans-Jürg Käser (FDP) präsentierte sich mit dem programmatischen Lied «Über den Wolken» von Reinhard May – verstärkte sich doch in den letzten Wochen der Eindruck, das wäre das Motto, mit dem er sein Departement führt. Barbara Mühlheim wählte Piafs «Je ne regrette rien» und meint damit auch ihre bunte Parteikarriere von SP zu GFL zu den Grünliberalen. Interessant auch, wenn ausgerechnet der Jüngste der Kandidaten, der 35-jährige Manfred Bühler (SVP), das Lebensbilanzlied «My Way» wählt.
Mit gleich zwei Spezialformaten hat sich TeleBärn besonders ins Zeug gelegt. «Beim Coiffeur mit den Berner Regierungsratskandidaten» heisst das eine. Die Idee: Beim Coiffeurbesuch kommt man dem Menschen hinter dem Politiker näher, er erzählt von sich, seiner (frisurtechnischen) Vergangenheit und seinen (nicht nur frisurtechnischen) Vorlieben und Meinungen. Warum gerade zum Coiffeur erschliesst sich aus dem Format nicht direkt, den Kopf gewaschen bekommen die Kandidierenden nur ganz sanft von ihren Haarstyling-Fachmännern- und Frauen. Dennoch waren nicht alle bereit, ihre haarigen Geschichten beim Friseur auszubreiten. Barbara Egger, Beatrice Simon, Bernhard Pulver, Hans-Jürg Käser und Andreas Rickenbacher verzichteten. Offenbar führte das Format sogar zu Knatsch in regierungsrätlichen Sitzungen.
Doch auch Grosstratskandidierende wurden nicht verschont von der Kreativität und dem Zwang zur Zuschauernähe der TeleBärn-Redaktion. Parlaments-Aspiranten wurden zum KulW gebeten – zum «Kampf ums letzte Wort». Dabei reisten die Fernsehleute in verschiedene Regionen des Kantons, wo sie die Kandidierenden in Zweier-Teams packten, die dann eine Aufgabe erfüllen mussten. Wer besser abschnitt, konnte am Schluss ein kurzes Wahl-Statement abgeben – das letzte Wort eben. So musste zum Beispiel der Kandidat der Schweizer Demokraten, Adrian Pulver, gemeinsam mit der – Achtung! – Jungen Grünen Seraphine Iseli Pendler davon zu überzeugen, doch erst um nach neun Uhr mit ihnen nach Bern zu fahren. Gegen das politisch zwar auch eher abenteuerliche aber dennoch gut harmonierende Duo Bettina Keller (GFL) und Simon Glauser (SVP) blieben sie aber chancenlos.
Eher ernsthaft ging es beim Regionaljournal des Radio SRF zu und her. Doch auch hier überlegte sich die Redaktion ein wenigstens ein bisschen ausgefallenes Format: Man lud nämlich zum «Mitarbeitergespräch».
Auf eine ganz eigene Schiene, wo die Kandidierenden und ihre Bereitschaft, sich für die Medien in abenteuerliche Situationen zu stürzen gar keine Rolle mehr spielen, setzte die Berner Zeitung. Ihr «Kandidat», der Sanitärmeister Beat Zoss aus Münsigen, war nämlich zu allem bereit. Er lud die Zeitung für eine Homestory zu sich nach Hause ein, liess sich beim Anti-Charisma-Training über die Schultern blicken oder zeigte seinen geheimsten Rückzugsort: Den Keller, wo er bei Problemen zu singen pflegt. Auch zum Coiffeurtermin liess sich der flexibelste aller Kandidaten natürlich nicht zweimal bitten. Nur schade, kann man den Mann nicht wirklich wählen. So ein Matto Kämpf in der Regierung hätte spannende vier Jahre versprochen.
Titelbild: Berner Zeitung
1 Kommentar
Verbleibende Anzahl Zeichen:
Die Redaktion behält sich vor, Kommentare nicht zu publizieren. Dies gilt insbesondere für ehrverletzende, rassistische, unsachliche, themenfremde Kommentare oder solche in Mundart oder Fremdsprachen. Kommentare mit Fantasienamen oder mit ganz offensichtlich falschen Namen werden ebenfalls nicht veröffentlicht. Über die Entscheide der Redaktion wird keine Korrespondenz geführt.