
Fero-erotische Prüderie
Der (Alb-)Traum von Ölgeruch und Motorendonnern entpuppte sich an der Baumaschinenmesse als brave Carrosserienabelschau. Wieso der Haupstädter trotzdem glücklich nach Hause ging.
Würde man diese Woche mit einem Helikopter auf der Berner Allmend einschweben, so fühlte man sich wie ein Playmobilmännchen in einer Spielzeugwelt. In grosser Zahl ragen auf dem Messegelände der Bernexpo Baukräne in den Himmel. Diese Szenerie ist aber ebenso wenig ein Kinderzimmer, wie sie der Stolz der Berner Wirtschaftsförderung ist: Hier werden keine Büroräumlichkeiten für mit Steuergeschenken angelockte Firmen hochgezogen, sondern im Rahmen der Baumaschinenausstellung – der grössten ihrer Art in der Schweiz – Baumaschinen an den Mann gebracht. Auf eine geschlechtsneutrale Formulierung des letzten Satzes musste verzichtet werden, da die Frau nicht mitgemeint ist: Unter den Messebesuchern ist sie schlicht inexistent; einzig an einigen Ess- und Messeständen sind vereinzelt weibliche Wesen auszumachen. Doch auch hier sind Individuen mit Y-Chromosomen in der grossen Überzahl. Dabei kann grob zwischen dem Haargel- und dem Schnauzträger unterschieden werden, wobei auch Mischformen auftreten.
Während draussen in erster Linie Kräne zu bestaunen sind, warten drinnen bodenständigere Gefährte auf den Käufer, den angefressenen jungen Baumaschinenführer mit Fotoapparat – «Baumaschinen sind mein Hobby» – oder die bierselige Männerrunde aus der Innerschweiz. Ein allfälliges Bedürfnis nach Dieselgeruch, ohrenbetäubenden Motorendonner und einer kleinen Probebaggerei wird hier aber nicht befriedigt. Die auf Hochglanz polierten Bagger, Lastwagen, Teermaschinen und Strassenwalzen stehen einzig herum – eine fero-erotische Prüderie.
«Anders als Autos sind Baumaschinen kein Emotionskauf», erklärt der Verkäufer eines Bagger- und Strassenwalzenhändlers. Sein Kollege zeigt sich derweil besorgt ob des beinahe frühsommerlichen Märzwetters, das die Besucher vom Gang in die Messehallen abhalte. Schliesslich seien die Wochentage die wichtigsten Messetage. Am Wochenende kämen dann die Familien, weiss er: «Ein Blödsinn, müssen wir auch dann geöffnet haben». Sollte denn Kundenbindung nicht von klein weg aufgebaut werden? «Diese existiert bei uns nicht und interessiert uns auch nicht», so der charmante Herr.
Anderenorts scheint man anderer Meinung zu sein und lässt die Kinder – und das Kind im Hauptstädter – in die Führerkabine einiger Fahrzeuge kraxeln. Seither ist für den Hauptstädter klar: Wenn er sich einmal einen Kipplaster mit mannshohen Räder anschafft, dann nur einen solchen von Volvo: Er konnte die Maschine fachmännischtens auf Herz und Nieren prüfen und ist restlos überzeugt. Und da sage einer, Emotionen und Kundenbindung würden beim Kauf von Baumaschinen keine Rolle spielen.
Bei aller Begeisterung für die Maschinen von Volvo fand der Hauptstädter aber auch die Walzen der Ammann-Gruppe, dem Langenthaler Familienbetrieb von Bundesrat Johann Schneider-Ammann, besonders faszinierend. Sollen sich doch solche Schwergewichte dem Vernehmen nach nicht nur zum Plattwalzen von Asphalt eignen, sondern als Produktionsgut auch dazu, die Ammannsche Steuerbelastung klein und kompakt zu halten.
Wobei wir wieder bei der Wirtschaftsförderung wären. Latenter als ein drohender Skandal rund um durch diese ermöglichte Dumpingsteuern dürfte bei der Baumaschinenmesse aber die Gefahr eines Beschaffungsskandals sein: Doch die dem Hauptstädter an den Ständen angebotenen Geschenke schienen nicht auf Bestechungen und Mauscheleien hinzuweisen. Der geschenkte Doppelmeter liess in sowieso kalt; der unzerstörbare Baustellenhelm, den er von den Kollegen des äusserst tollen und hochstehenden «Baublatts» erhielt, findet er zwar wahnsinnig toll, doch lässt sich der Hauptstädter auch von solchen qualitativ hochstehenden Geschenken eines ebenso hochqualitativen Fachmagazins nicht korrumpieren – niemals!
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