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Baby, komm back

Frau Kretz stellt eines der grossen Missverständnisse der Adventszeit richtig: Anisbrötli sind keine Salzteigfiguren – sie sind die neuen Cupcakes.

Die schönsten Kochkomplimente beginnen ja mit «Ich mag XY sonst nicht so, aber…» und mindestens eines davon krieg ich jährlich um Weihnachten. Anlass dazu sind meine Anisbrötli nach einem über Generationen tradierten Rezept. Unter Anisbrötli stellen sich die meisten Leute etwas völlig Falsches vor, nämlich etwas Beinhartes, Trockenes mit einem leicht seifigen Geschmack. Es gibt zwei Erklärungen dafür: diese Leute verwechseln Anisbrötli mit Anischräbeli oder aber sie hatten bisher nur bereits im August gefertigte Exemplare vom Weihnachtsmarkt probiert. Man könnte dann auch direkt in Salzteigfiguren beissen. Ein gutes Brötli hingegen hat aussen eine knackige Kruste, ist innen weich und duftet und schmeckt lecker wie kein anderes Weihnachtsgüezi.

Um zu diesem Ergebnis zu kommen, rührt man 4 Eier, 400 g Puderzucker und eine Prise Salz sehr schaumig, dazu gibt man 3 EL Anis, den man zuvor kurz in einer Bratpfanne ohne Fett angeröstet hat (nur so lange bis es anfängt gut zu riechen), und 1-2 EL Kirsch. Darunter werden dann ca. 600 g Mehl gerührt, wobei man bei den letzten 50 g erst knetend abchecken sollte, ob es sie wirklich braucht. Statt Anis kann man übrigens auch andere Gewürze verwenden: Vanille und Whisky (statt Kirsch) ist sehr fein, Lavendel soll auch gehen, eine Art Chai-Mischung könnt ich mir auch vorstellen. Seien Sie kreativ. Ich behaupte ja: Das Brötli ist das neue Cupcake, äh ich meine Macaron, Entschuldigung, Cake-Pop natürlich.

Den Teig wallt man dann auf viel Mehl 1½ cm dick aus, bestäubt ihn oben mit etwas Maizena, das man mit dem Finger verstreicht, und sticht grosse, möglichst einfache Formen aus. Besitzt man ein Anisbrötli-Model, so kommt dieses nun zum Einsatz. Es wird jedoch besser nicht auf den Teig gedrückt, sondern man nimmt das Teigplätzchen, legt es auf das Model (ebenfalls mit Maizena bestäubt) und drückt den Teig von oben leicht an. So kann man den ihn besser ins Relief drücken. Dabei darf sich die Dicke des Plätzchens ruhig um ca. ½ cm verringern, sollte jedoch immer noch gleichmässig sein. Falls sie kein Model besitzen, dann geht das natürlich auch ohne Design. Sie werden dann vielleicht einfach von der Nachbarin gedisst.

Nun kommt ein wichtiger, wenn auch einfacher Teil: Man lässt die Anisbrötli ca. 24 Stunden bei Zimmertemperatur ruhen. Die Idee dahinter ist, dass Rohlinge oben leicht antrocknen und so eine dünne, harte Schicht entsteht. Während dem späteren Backen kann die Feuchtigkeit dann nur nach unten entweichen, weil die Aufliegefläche ja nicht an der Luft war und dort somit keine harte Schicht entstanden ist. So drückt sich das Brötli selbst hoch, was nicht ganz zum Abheben reicht, aber zur Entstehung der dem Anisbrötli typische Füsschen.

Der Backvorgang heisst in Zahlen 15 min bei 150°, wobei die Ofentür mit einem Bleistift leicht offen gelassen wird. Die Brötli sollten in dieser Zeit gut in die Höhe aufgegangen sein und die Füsschen eine Idee von Goldigkeit erhalten haben. Wenn die Brötli oben Farbe angenommen haben und/oder die Füsse braun sind, sind Sie schon nahe beim Salzteiggebäck angelangt. Vertrauen Sie mir: lieber zu kurz als zu lang backen.

Auf einem Gitter abkühlen lassen und in einer gut schliessenden Schachtel aufbewahren. Und dann geniessen, wie die Tanten an der nächsten Familienfeier sagen: «Ui, di sind aber gross. Ich nimm nu s’Halbe, gäll,» und dann doch zwei Ganze essen.

Nicolette Kretz

Nicolette Kretz ist in Bern geboren, kehrte nach einigen Abstechern immer wieder hierhin zurück, arbeitet als Festivalleiterin und Autorin und kocht für den «Hauptstädter» Rezepte aus den Notizheften ihrer Grossmutter nach.


Publiziert am 18. Dezember 2013

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