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  • «Ich bin Bierhübeli» mag als T-Shirt-Aufdruck noch hinkommen. Aber: «Ich bin Tiefenmösli»?

  • Über die Jahre gerechnet verbringt man vermutlich einige Stunden an einer Haltestelle. Aber muss man sich gleich damit identifizieren?

  • «Blick» hat's aufgedeckt und sich fotografisch in die Situation hereinversetzt: Berner Busse fahren oft zu früh davon (Bild: Screenshot blick.ch).

Ich bin doch keine Haltestelle

Die neue Libero-Kampagne lädt zur Identifikation mit der heimatlichen Haltestelle ein. Manche davon tragen allerdings Namen, die selbst das patriotischste Berner Herz überstrapazieren.

Zugegeben, eine Kampagne für eine doch eher banale Angelegenheit wie den öffentlichen Verkehr zu entwickeln, kann nicht so einfach sein. Angesichts dessen hatte die «Ich bin libero»-Kampagne durchaus einen gewissen Charme: Eine schnöde Busfahrt wurde zum Statement für ein grünes Gewissen, Freiheit und Ungebundenheit hochstilisiert.

Der Tarifverbund Libero hat seine Werbung nun aber auf die nächste Stufe gehoben. Neu ist man nicht libero, sondern man ist Bierhübeli. Oder Beaumont. Oder Bümpliz Nord Bahnhof. Wer sich nämlich vor seiner Haltestelle abbildet und das Zeugnis dem Tarifverbund mit der Aufschrift «Ich bin…» schickt, kann – exklusiv – ein T-Shirt mit dem Namen der Lieblingshaltestelle gewinnen.

Das mag ja ganz niedlich sein, wenn es heisst «Ich bin Morillon». Aber möchte sich irgendwer in dieser Stadt Bremgartenfriedhof nennen? Würden Sie – vorausgesetzt, Sie arbeiten nicht in der Produktion von Erwachsenenfilmen – ernsthaft mit einem T-Shirt mit der Aufschrift «Ich bin Tiefenmösli» herumrennen? Oder sind Sie die Haltestelle mit dem unwahrscheinlichen, aber tatsächlich existierenden Namen Chäs und Brot? Obwohl es in unserer schönen Stadt Menschen gibt, die sich seinerzeit ohne zu zögern ein Tenue mit der Aufschrift «Bärnerin» übergezogen haben, strapaziert «Ich bin Chueweid» vermutlich selbst die inbrünstigste Berner Heimatliebe.

Angesichts der aktuellen Bernmobil-Probleme drängen sich ohnehin andere Wallungen als Heimatgefühle zu einer Haltestelle auf. Laut «Blick» hat der Stadtberner ÖV nämlich ein überraschendes Problem: Die lokalen Buschaffeure und –chauffeusen sind offenbar ausgezogen, das Klischee der Berner Langsamkeit in Eigenregie zu bekämpfen und fahren mit schöner Regelmässigkeit der Kundschaft vorzeitig vor der Nase weg. Das schreit geradezu nach T-Shirt-Aufträgen an Libero. À la: «Ich bin gerade vom 11er-Bus versetzt worden und stocksauer». Das wäre doch mal ein schöner Aufdruck.

Gianna Blum

Gianna Blum hat 2006 das Land- gegen das Stadtleben eingetauscht und sucht immer noch nach dem Unterschied. Für Hinweise ist sie dankbar.


Publiziert am 28. Oktober 2013

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