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Der Wasser-Test

Diese Frage beschäftigt Bern: Soll man nun Leitungs- oder Mineralwasser trinken? Der Hauptstädter bemüht sich um Antworten.

Die Hauptstädter-Redaktion stellt sich in die Dienste der Wissenschaft. In einem gewagten Selbstversuch will sie endlich Klarheit über die Unterschiede zwischen Wasser aus dem Hahn und Wasser aus der Flasche schaffen. Die Zeit drängt. Denn so wie es aussieht, wird die Stadt Bern bald eine Art Prohibition auf Mineralwasser einführen. Deshalb hat sich die Redaktion ein paar der vermutlich letzten Flaschen, die es über die Stadtgrenze geschafft haben, gesichert, um sie mit Hahnenwasser zu vergleichen.

Das Experiment scheint nicht ganz ungefährlich. Schliesslich enthält Leitungswasser mehr Kalk als Mineralwasser. Werden die Körper der Testpersonen zugunsten der Wissenschaft bleibende Schäden erleiden? Dazu kommt, dass Nationalrat Christophe Darbellay davor warnt, dass Leitungswasser «mitunter chemisch und physikalisch mit Chlor, Ozon und UV-Strahlen aufbereitet». Das klingt angsteinflössend. Dennoch wurde darauf verzichtet, den Selbstversuch unter ärztlicher Aufsicht durchzuführen.

Getestet wurden fünf verschiedene Wasser, wovon eines aus dem Wasserhahn kommt. Lesen Sie am Textende, ob das Wasser aus der Flasche oder aus der Leitung kam.

Wasser 1:

Redaktorin Jordi: «Der erste Schluck hinterlässt eine leichte Patina auf der Zunge. Ist das nun der Kalk? Ganz klar, dieses Wasser hat eine längere Reise durch verkrustete Leitungsrohre hinter sich. Es tut seinen Zweck, ist aber reichlich sperrig. Mein Tipp: Das Hahnenwasser.»

Redaktorin Richter: «Ein leicht bekömmliches Wasser. Könnte in Kleinkinderkrippen zum Konsum angeboten werden und erreicht im Ranking der Testperson Platz 2.»

Redaktor Erdmann: «Sehr frisch. Etwas kühler als die Wasser 1, 4, 5. Etwas wärmer als Wasser 2. Wird wohl jenes sein, dass ich vor ein paar Stunden für diese Studie aus dem gekühlten Getränkeautomat geholt habe. »

Wasser 2:

Redaktorin Jordi: «Ein weiches, gaumenschmeichelndes Trinkerlebnis. Böse Zungen würden bemängeln: fast schon zu gefällig, dieses Wasser. Nichts für komplexe Geister. Ein Allerwelts-Tafelwasser.»

Redaktorin Richter: «Die Probandin konstatiert einen unangenehmen Nachgeschmack. Ein Wasser wie Wein im Tetrapack. Doch das Leitungswasser-Verdikt wird hier nicht gefällt.»

Redaktor Erdmann: «Sehr wässrig, sehr fad. Ich schmecke weder Ozon noch UV-Strahlen. Definitiv aus der Flasche.»

Wasser 3:

Redaktorin Jordi: «Hier baut sich im Abgang eine gewisse Süsse auf. Werbebilder von glücklichen, bidonleerenden Menschen bei ausschweifenden Wald- und Wiesenwanderungen drängeln sich ins Bewusstsein. Ein schon fast ranschmeisserischer Durstlöscher. Bestimmt kein Hahnenwasser.»

Redaktorin Richter: «Der Kalk scheint sich beim Trinken in der Mundregion festzusetzen. Die Probandin fürchtet einen frühen Tod und erkennt den unheilvollen Geschmack des hundsprofanen Leitungswassers.»

Redaktor Erdmann: «Ganz klar das Leitungswasser. Etwas chlorig im Abgang. Vergleichbar mit einem Schluck aus dem Hallenbadbecken.»

Wasser 4:

Redaktorin Jordi: «Ein anonymes Wasser, fast steril. Führe ich mir soeben einen hochgesunden Mineraliencocktail zu? Ich vermag es nicht zu sagen. Eher tippe ich auf den Wasserspender, der im Gang der Redaktion steht. Besteht hier nicht eine erhöhte Bakteriengefahr, wie bei Brackwasser üblich? Unguter Gedanke. Nächste Probe.»

Redaktorin Richter: «Der Sieger unter den getesteten Wassersorten: Angenehme Temperatur, ein Wasser mit Quellwasser-Allüren. Die Testperson tippt auf die Tamedia-Wassermaschine.»

Redaktor Erdmann: «Ist ganz sicher nicht das Leitungswasser. Denn es ist viel zu kühl und stammt deshalb aus dem Wasserspender neben dem Lift.»

Wasser 5:

Redaktorin Jordi: «Längst sind die Geschmacksknospen heillos überfordert mit all diesen Eindrücken. Eine gewisse Trinkmüdigkeit stellt sich ein, ähnlich wie bei satten Säuglingen. Nichts Kloakiges, nichts Chloriges macht sich bemerkbar. Das hier ist kostenpflichtiges Mineralwasser.»

Redaktorin Richter: «Das Wasser ist pelzig und leicht bitter im Abgang und wäre das zweite Hahnenwasser – wenn es zwei gäbe.»

Redaktor Erdmann: «Grossartiges Wasser. Leichte Andeutung eines Geschmacks. Ökobilanz hin oder her – diese Flaschen würde ich auch aus Übersee einschiffen lassen.»

Fazit:

Die Hauptstädter-Redaktion deckt Unglaubliches auf: Anscheinend gibt es, zumindest geschmacklich, keine Unterschiede zwischen Leitungs- und Flaschenwasser. Diese Erkenntnis könnte jedoch auch nur davon ablenken, dass sämtliche Testpersonen mit ihren Analysen völlig falsch gelegen haben. Renommierte Wissenschaftsinstitute könnten zudem die angewandte Methodik der Hauptstädter-Redaktion in Frage stellen.

Erkenntnisse:

Redaktorin Jordi: «Die Fallhöhe bei der Wasserdegustation ist unerwartet gross. Schleunigst mit dem Rauchen aufhören.»

Redaktorin Richter: «Unser Leitungswasser ist halt der Tamedia-Wasserspender. Dürfen wir den dann trotz Mineralwasser-Prohibition behalten, Herr Tschäppät?!»

Redaktor Erdmann: «Wasser – was für ein undurchsichtiges Getränk!»

Wasser 1: Cristalp Wasser 2: Vittel Wasser 3: Tamedia-Wasserspender 4:Leitungswasser Wasser 5: Aproz

Martin Erdmann

Martin Erdmann


Publiziert am 25. Oktober 2013

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