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Im Tea-Room (1): Confiserie Eichenberger

Wer die Tea Rooms dieser Stadt besucht, tritt in trendimmune Kapseln ein, in denen Fragen der Hipness nicht existieren. Wir haben einen dieser Räume besucht.

Man könnte sie als Deutschschweizer Antwort auf die amerikanische Kultur der Diners bezeichnen: die Tea Rooms. Nur dass hier keine Nighthawks anzutreffen sind, sondern eher Menschen, die spätestens um ein Uhr Mittags ihren Lunch gegessen haben. Dieser Lunch besteht zumeist aus den Komponenten Birchermüesli, Canapés oder einer Spezialität des Hauses, sagen wir mal Pastetli, und zum Dessert gibts eine Crèmeschnitte oder aktuell eine Portion Vermicelles. Dieses Grundangebot scheint seit Jahrzehnten unberührt von jeglichen Gastronomietrends – zumindest ist es so im Tea Room der Confiserie Eichenberger am Bahnhofplatz.

Dieses Tea Room gleicht einem separierten Sääli. Beim Eintritt in diese zeitlose Welt fallen als erstes der Kronleuchter, der Spannteppich sowie die Dichte an älteren BZ-Leserinnen auf. Anonym? Das ist man an diesem Ort, und das ist denn auch gleich einer der Vorzüge, die dieses Tea Room bietet. Natürlich, es kann auch sein, dass stadtbekannte Rapper den Gastraum für Interviews in Beschlag nehmen, wie dies vor gut neun Jahren der Fall war. Damals gab es noch das Nachrichtenmagazin «Facts», dem folgende Zeilen entnommen sind:

‘Nein, nein, es stört ihn nicht, dass der Reporter ihn wegen eines verspäteten Intercitys im Berner Grosi-Treff «Eichenberger» warten liess. «Macht nüt», brummelt er, «i sitze gärn chli i Tearoom.» Hä? Der fieseste Rapper der Schweiz höckelt gern in biederen Tearooms? Und das soll er sein? Dieses schmalschultrige Milchgesicht hier, das an einer Cola nuckelt, soll Kutti MC sein, den man bisher nur von seinen rasierklingenscharfen Schnellreimen her kannte?’

Item. Mittlerweile ist das Essen im «Grosi-Treff» bereits serviert. Es gibt: ein Käseküchlein, einen kleinen gemischten Salat, ein Omelett mit Schinken, ein Eistee und ein Schwarztee. Die Klassiker lasse ich unberührt, weil belegte Brötchen und Birchermüesli nicht so mein Ding sind. Die Mahlzeiten werden in dieser stillen Mittagsstimmung angenehm verspiesen, denn Musik läuft hier dankenswerterweise keine, und die Gespräche sind leise oder fallen ganz aus, denn hier kann man – gleich einem Bahnhofsbuffet – auch alleine speisen, ohne schale Blicke zu ernten.

Ein weiterer Vorzug des Säälis mit Anschluss an eine Confiserie sind natürlich die Nachspeisen direkt aus dem Laden, die auch im gemusterten Teppichraum schlicht sehr fein schmecken. Und man ist bereits gespannt, wie andere Besuche in weiteren Tea-Room-Teppichwelten ausfallen werden.

Benedikt Sartorius

Benedikt Sartorius lebt seit dem Transfer aus dem Oberland in Bern und hat seit einiger Zeit Frieden mit der Stadt geschlossen. Eine gewisse Neigung zum Sandstein- und Laubenallergiker ist aber immer noch spürbar.


Publiziert am 23. Oktober 2013

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