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Generationenkonflikt Milchreis

Das Milchreisrezept «RizTrauttmannsdorf» ist eine Delikatesse – die zu Generationenkonflikten führen kann.

Als ich ein Kind war, war Milchreis von unserem Familientisch verbannt. Einzig wenn unsere Mutter weg war und unser Vater kochte, wurde es aufgetischt: ein Festessen. Der Grund für dieses Embargo war, dass meine Mutter aus ihrer eigenen Kindheit von diesem «unsäglichen RizTrauttmansdorff» traumatisiert war. Laut ihr habe meine Grossmutter dies eine Weile ständig gekocht und als grosse Delikatesse gefeiert, während es meiner Mutter die Lust auf Reis für den Rest des Lebens verdarb.

Ich stellte mir diesen RizTrauttmannsdorf also meine Kindheit lang als delikatere Version von Milchreis vor, wobei Milchreis selber ja schon einen sehr hohen Grad an Delikatheit besitzt. RizTrauttmansdorff müsste also das ultimative Dessert sein. Umso froher bin ich, dass sich im Notizheft meiner Grossmutter ein Rezept für diese Köstlichkeit findet. Es wurde mit der Maschine auf ein sehr dünnes Papier getippt und ins Heft eingeklebt. Aus der Position im Heft wäre es auf die späten 60er- oder frühen 70er-Jahren zu datieren, doch der Satz «… für Zeiten, wo es wieder RAHM gibt,» weist auf die Kriegszeit hin. Der lose Zettel wurde vermutlich erst später eingeklebt und das Rezept so für die Nachwelt erhalten.

RizTrautmannsdorf ist ein Milchreissmousseköpfchen. Es erhielt seinen Namen von einem gewissen Ferdinand von Trauttmansdorff, einem österreichischen Diplomaten und Politiker des 18. und 19. Jahrhunderts. Zuerst wird mit 100 g Reis, ½ l Milch, eine Prise Salz, ½ aufgeschnittenem Vanillestengel und 80 g Zucker ein Milchreis hergestellt. (Milch, Salz, Vanille aufkochen, Reis und Zucker beigeben und ca. 20‘ köcheln). Das Milchreis lässt man leicht abkühlen und gibt 4 Blatt Gelatine bei, die zuvor in 4 Esslöffel heissem Wasser aufgelöst wurden. Hier kann man laut Rezept nach Belieben 50 g kandierte Früchte, welche in einem Esslöffel Kirsch mariniert wurden, dazu geben. Für mich wäre das die sichere Verwüstung der Speise. Man lässt diese Massen unter gelegentlichem Umrühren kaltwerden und zieht man 2,5 dl steif geschlagenen Rahm darunter. Eine Pudding- oder Gugelhopfform pinselt man mit Öl aus und bestreut sie mit Zucker. Darin lässt man die Masse dann einige Stunden steif werden. Falls sich das Köpfchen nicht stürzen lässt, einfach kurz (!) in heisses Wasser stellen.

Das gibt ein wirklich sehr delikates, nahrhaftes aber nicht mastiges, fluffiges Dessert, welches je nach Saison mit frischen Früchten, Coulis oder Kompott serviert werden kann. Ich werde es meinen zukünftigen Kindern auftischen, bis sie kein Milchreis mehr sehen können.

Nicolette Kretz

Nicolette Kretz ist in Bern geboren, kehrte nach einigen Abstechern immer wieder hierhin zurück, arbeitet als Festivalleiterin und Autorin und kocht für den «Hauptstädter» Rezepte aus den Notizheften ihrer Grossmutter nach.


Publiziert am 16. Oktober 2013

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