
Die Erschliessung des Westens
Die Quartierkommission Bümpliz-Bethlehem hat festgestellt, dass beim Berner Stimmvolk «grosses Unwissen» über Bern-West herrscht. Der «Hauptstädter» versucht diesem Missstand entgegenzuwirken und begibt sich auf eine Expedition ins Ungewisse.
Nachdem sich das Berner Stimmvolk für die Hüttenzone in Riedbach ausgesprochen hat, beklagt sich die Quartierkommission Bümpliz-Bethlehem über das Unwissen der Bernerinnen und Berner über den Stadtteil: «Bümpliz und die westlich gelegenen Dörfer liegen in einer toten Ecke zwischen den Verkehrsachsen», gibt etwa der Präsident der Quartierkommission enttäuscht zu Protokoll. Also auf ins Unbekannte: Was erwartet einen in diesem Bezirk? Wir wollen es herausfinden.
Die Reise beginnt mit einer Enttäuschung. Da stiert man ununterbrochen aus dem Fenster der S5, in der Erwartung, dass sich jeden Moment der oft erwähnte Graben zwischen Bern und dessen Westen öffnet. Aber es tut sich nichts. Nach vierminütiger Fahrt hält die Bahn bei Bümpliz Nord. Kein Graben, keine Mauer, keine Ausweiskontrolle – die Reise in den Westen erweist sich als leichter als angenommen. Dann die ersten Schritte auf dem unbekannten Territorium. Man ahnt, wie sich die Pilgerväter nach dem Verlassen der Mayflower gefühlt haben müssen.
Doch wie bereits die Kolonialisten in der Neuen Welt muss man feststellen, dass hier schon jemand wohnt. Und zwar in wunderlichen Wohnbegebenheiten, die so hoch sind, dass längeres Betrachten zur Nackenstarre führt. Die Mittagssonne lässt die hohen Bauten lange Schatten werfen. Stille herrscht. Kaum jemand ist auf den Strassen unterwegs. Dennoch treffe ich bald auf Eingeborene, einen Mann und eine Frau. Ihm hängt ein buschiger Schnauz unter der Nase, dessen Weisse durch anhaltendes Rauchen in einen gelblichen Ton übergegangen ist. Ihr Haar ist wesentlich weisser als seins, genauso weiss wie jenes des Pudels, der an ihrem Rollator angeleint ist. Ich frage sie, was man in Bümpliz gesehen haben muss. Es herrscht leichte Ratlosigkeit. Vielleicht im Schloss Bümpliz zu Mittag essen? Na gut.
Natürlich hat das Schloss Bümpliz Betriebsferien, obwohl auf einer wohl vergessen gegangenen Schiefertafel für «rassiges Tartar» geworben wird. Da sich die Sehenswürdigkeiten in Grenzen zu halten scheinen, werden eben noch ein paar weitere Hochhäuser angeschaut. Aus deren Fenstern wehen verschiedene Gerüche, begleitet von Gesprächsfetzen in verschiedenen Sprachen. Die Rasenstücke kommen gegen die graue Betonmasse nicht an. Dieser Landstrich hausiert nicht mit seinem Charme, was ihn wiederum sympathisch erscheinen lässt.
Angesichts der schon fast wieder spektakulären Ödnis dieser Betonwüste entscheide ich mich für eine abschliessende Bustour. Nach ausgiebigem Nachdenken darüber, wie der Asylweg wohl zu seinem Namen kam, besteige ich bei der Haltestelle Holenacker den Bus in Richtung Niederwangen. Neben mir sitzt ein Mann, dessen Rasierwasser nur knapp an der Aufgabe scheitert, seine Bierfahne zu überdecken. Kurz darauf steigt die Rollator-Frau samt Pudel ein. Sie bedauert, dass das Schloss Bümpliz geschlossen hat. Sie rät mir, doch einfach den Bärenpark zu besichtigen. Die Reise endet am Bahnhof Bümpliz Süd. Das Fazit für die Daheimgebliebenen: Im Westen nichts Neues.
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