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  • Merkwürdig: Menschen tanzen auf der Kreuzung.

  • Eigenartig: Aus Ampeln wachsen Chilischoten.

  • Skurril: Mini-Leoparden sind im Umlauf.

  • Absurd: Ratte verwechselt Trafostation mit Bau.

Der Mini-Leopard und die Trafo-Ratte

Eigenartige Dinge geschehen in Bern. Wildkatzen machen sich breit, aus Ampeln wachsen Pflanzen. Die Zeichen mehren sich: Bald ist überall alles möglich.

Angefangen hat es mit dem Leoparden. Er balancierte elegant auf der Mauer zwischen den Gärten zweier Mehrfamilienhäuser. Ganz offensichtlich auf der Jagd nach einem dieser streitsüchtigen Spatzen, die unseren Innenhof bevölkern. Sein Fell war perfekt gezeichnet, im Stil jenes Leo-Prints mit den eleganten Rosetten, nicht nur den schnöden Punkten. Ein schönes Tier, wenn auch komplett fehl am Platz. Was hat das zu bedeuten?

Es blieb dann nicht bei der Wildkatze unterm Apfelbaum. Auch ansonsten mehrten sich in letzter Zeit die Zeichen, dass das Gefüge einen Knick abgekriegt hat, irgendwo läuft irgendwas aus dem Ruder. Dinge tauchen auf, wo sie nicht hingehören: Am Sonntagmorgen verirrte sich eine Ratte in einer Trafostation im Mattenhofquartier und sorgte für einen Kurzschluss, der nicht nur die Privathaushalte, sondern auch Teile des Inselspitals von der Stromversorgung abtrennte. Ratten stehen sonst im Ruf, schlaue Tiere zu sein, und sich nicht mir nichts dir nichts in Stromkreisläufe einzumischen. Aber diese Ratte war fatal gepolt. Was hat das zu bedeuten?

Doch nicht nur das Tierreich spielt verrückt: Auch aus der Pflanzenwelt erreichen uns überraschende Nachrichten. Nicht genug damit, dass die Blätter schon wieder am Fallen sind, nein, neuerdings wachsen aus Metallpfosten und Strassenampeln Kresse, Wicken und schwarze Jalapeño-Schoten. Was hat das zu bedeuten?

Ähnlich revolutionäre Szenen spielten sich am Sonntag in den Strassen des Breitenrains ab. Anstelle von röhrenden Motoren und stotternden Auspuffen war Kinderlachen zu hören, und wo sonst die Karossen verkehren, zeigten farbig angezogene Menschen poetisch aufgeladene Tanzdarbietungen. Was hat das zu bedeuten?

Zur Beruhigung vorab: In den biblischen Texten zur Endzeit ist zwar von blutigem Regen und trockenen Flüssen die Rede, die als Zeichen die Apokalypse ankündigen, nicht aber von ortsfremden Wildkatzen und stupiden Ratten.  Insofern sind wir vermutlich auf der sicheren Seite. Mir soll aber niemand erzählen, dass die Ballung dieser Phänomene Zufall ist.

Ratten sind Nager und als solche anfällig für gummiverkleidete Leitungen? Schon möglich.

Der Leopard mit der Schulterhöhe einer handelsüblichen Hauskatze nennt sich Bengale und ist eine Kreuzung zwischen Haus-, Wild- und asiatischer Leopardenkatze und gemäss der Homepage der Internationalen Bengalen Gesellschaft eine aufgeweckte und verschmuste Gefährtin im Alltag? Meinetwegen.

Wir leben in einer links-grün regierten Stadt, in der autofreie Sonntage zwar heruntergespart, aber nie ganz abgeschafft werden? Und in denen es den Wählern gefällt, ein Hobby namens Urban Gardening zu betreiben und zur Freude der Passanten kleine Blechbüchsen mit allerlei Grünzeug an allen möglichen und unmöglichen Orten zu befestigen? Vermutlich richtig.

Ich glaube trotzdem lieber an ein Zeichen. An ein Zeichen, dass ab jetzt alles überall möglich ist. Gemeindezentren erhalten und gleichzeitig Rechnung sanieren? Jederzeit. Die Vorortsgemeinden haben Mitleid mit dem zentrumsbelasteten Bern und zahlen ihren Beitrag an die Stadttheatersanierung? Selbstverständlich. YB wird Meister? Aber natürlich –dem Leoparden sei Dank.

Hanna Jordi

Hanna Jordi lebt in Bern seit 1985. Etwas anderes hat sich bislang nicht aufgedrängt.


Publiziert am 9. September 2013

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