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Vom Zwieback zum Güezi

Wie etwas ganz Gewöhnliches zur Leckerei wird, erfährt Frau Kretz beim Experimentieren: Indem man es selber macht.

In den Rezeptheften meiner Grossmutter gibts ziemlich Aussergewöhnliches und ganz Banales – und dann gibt Dinge, die eigentlich ganz banal sind, hausgemacht aus heutiger Sicht aber eher aussergewöhnlich. Sie haben ja bestimmt eine (möglicherweise abgelaufene) Schachtel Zwieback im Schrank für Notfälle unterschiedlicher Art. Aber haben Sie Zwieback schon einmal selber gemacht? Haben Sie überhaupt schon einmal daran gedacht, Zwieback selber zu machen? Ich auch nur aus Experimentierlust.

Das Zwieback-Rezept stammt von einem grösseren Zeitschriftenausschnitt, auf dem noch Napoleonshütchen (mit Haselnussfüllung), Schwarze Seelen (ein trockenes Güezi mit dunkler Schokolade), Zimtbrezeln und luftig klingende Schokoladenguezi zu finden sind. Vor dem Zwiebackrezept steht der Hinweis «auf das Konfekttablett können auch schmale Schnitten eines grösseren, trockenen Kuchens, der in der Cakeform gebacken wird, gelegt werden. Sehr gut dazu eignet sich: Zwieback.» Da ahnt man bereits, dass es sich beim nachfolgenden Rezept eher um eine Süssigkeit als um potentiellen Notproviant handelt.

Man gibt zum Schnee von vier Eiweiss 150 g Puderzucker, 100 g Mehl (beides am besten gesiebt gegen die Klümpchen), 30 g gemahlene Mandeln und 40 g leicht erwärmte Butter. Dieser Teig kommt in eine ausgeschlagene Cakeform von ca. 25 cm und wird bei 180°C ca. 30 Minuten gebacken. Nachdem er ausgekühlt ist (laut Rezept am nächsten Tag), wird dieser Kuchen in dünne Schnitten (0,5 cm) geschnitten, die «im Ofen goldgelb geröstet» werden. Da Zwieback ja wirklich trocken sein sollte, hab ich sie etwa eine Stunde bei 100° getrocknet und anschliessend noch ca. 20 Minuten bei 150° in der oberen Ofenhälfte geröstet. (Wenden nicht vergessen!)

Dann übertreibt das Rezept die Luxusisierung des Zwiebacks aber, und der Zahnschmelz beginnt schon beim Gedanken daran zu erodieren: «Nach dem Backen können Sie mit Puderzucker, der mit Vanille oder einer Prise Zimt vermischt wurde, bestreut werden.» Das ist nun wirklich nicht nötig, denn die harten Dinger sind schon so sehr, sehr süss.

Bei einem nächsten Versuch würd ich somit auch weniger Puderzucker für den Teig verwenden, denn was hier entsteht, ist nicht nur sehr süss für einen Zwieback, sondern sogar für ein Güezi. Interessanterweise sind sie am zweiten Tag schon etwas weniger süss und ich frage mich, ob das chemisch oder psychologisch zu erklären ist. Abgesehen von der übertriebenen Süsse finde ich diese Dinger jedoch sehr lecker. Sie haben durch den starken Eiweissgeschmack bereits etwas Spezielles. Und man könnte den Teig auch noch etwas würzen, zum Beispiel mit Anis, um wirklich einen feinen und nicht mehr ganz so gewöhnlichen Keks herzustellen. Bei Magen-Darm-Grippen und Weltuntergängen bleibt man aber vielleicht besser bei der gekauften Variante oder ergooglet sich ein anderes Rezept.

Nicolette Kretz

Nicolette Kretz ist in Bern geboren, kehrte nach einigen Abstechern immer wieder hierhin zurück, arbeitet als Festivalleiterin und Autorin und kocht für den «Hauptstädter» Rezepte aus den Notizheften ihrer Grossmutter nach.


Publiziert am 28. August 2013

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