
Outdoor-Mann und das hässliche Zelt
Der Hauptstädter, ganz Naturfreund, wollte sich am Gurtenfestival in der Zeltstadt einquartieren. Lange hat er es dort nicht ausgehalten. Eine Geschichte voller Verrat und Enttäuschung.
Ich habe extra noch gefragt. «Das hält schon etwas aus», sagte der Verkäufer. Er sah so aus, als würde er etwas von Outdoor-Aktivitäten verstehen. Als würde er als Outdoor-Mann am Wochenende ausschliesslich kanufahren oder auch mal freeclimben. Deshalb entschied ich mich, das Zelt zu kaufen, obwohl es nur knapp 30 Franken kostete. Das bargeldlose Bezahlen an der Kasse funktionierte übrigens einwandfrei.
Es war kein schönes Zelt. Ich habe eigentlich kein konkretes Bild vor Augen, wenn ich an dieses Zelt denke. Aber es war keine Augenweide, das weiss ich bestimmt. Für die geplanten drei Nächte auf dem Gurten konnte ich jedoch darüber hinwegsehen. Und es hält ja etwas aus, wie Outdoor-Mann versprochen hatte. Irgendwie begann ich es zu mögen. Es wog nicht viel, keine zwei Kilo. Es liess sich schnell aufstellen. Es war leicht verschiebbar, als mich ein Bronco-Mitarbeiter darauf aufmerksam machte, dass ich mich an einem unmöglichen Ort (also auf der Durchfahrtsstrasse der Security) niedergelassen hatte. Mein billiges, hässliches, umkompliziertes Zelt.
War ich naiv? Vielleicht. Wahrscheinlich hatte sich Outdoor-Mann einfach einen Scherz mit mir erlaubt. In seinen Augen war ich wohl nicht würdig, die Nacht outdoor zu verbringen. Ich verstehe nicht viel von Zelten. Ich glaube aber zu merken, wenn wild mäandrierende Wasserströme durch mein Nachtlager schiessen. Das war der Fall. Schon nach wenigen mittelmässigen Regentropfen gab der Zeltstoff nach und das gemütliche Iglu wurde zur Tropfsteinhöhle. Dabei hätte mein Zelt doch etwas aushalten sollen.
Vielleicht habe ich mich in Outdoor-Mann getäuscht. Vielleicht war er gar nicht Outdoor-Mann. Vielleicht war er völlig unsportlich und inkompetent. Vielleicht fährt er statt Kanu Pedalo und anstatt freezuclimben nimmt er den Lift. Bin ich enttäuscht? Natürlich. Von Outdoor-Mann, gefallenem Helden der Sportabteilung, verraten. Von meinem Zelt, so lieblich wie hässlich, im Stich gelassen.
Es steht immer noch dort. Dort auf der matschigen Wiese. Auf dem leicht geneigten Boden, der garantiert, dass alles ordentlich durchgespült wird: Die Schaumstoffmatte, der Schlafsack, der Rucksack mit den Kleidern drin. Sie werden bald wieder trocknen. Aber mein Vertrauen in mein Zelt ist, genau wie meine Camping-Moral, gebrochen.
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