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Schindluder mit Schuhwerk

Hängende Schuhe sind weit weniger harmlos, als sie aussehen. Die Recherche der Polizei hats ergeben: Für den Shoe-Tosser ist bis hin zu lebenslänglich fast alles drin.

Oje. Was haben wir uns da nur eingebrockt. Anfang Woche griffen wir ganz arglos das Phänomen des «Shoe Tossings» auf bzw. den Berner Ableger davon, eine hübsche kleine Schuhgirlande am Viktoriarain. Die hängenden Schuhe von Bern warfen einen stattlichen Fragenkatalog auf: Werden hier Gangreviere abgesteckt? Deflorationen gefeiert? Oder wird hier schlicht Schindluder mit Schuhwerk getrieben, aus der Freude am Spass?

Angesichts dieser vielfältigen Möglichkeiten wollten wir wenigstens in einem Punkt unumstössliche Fakten liefern. Und zwar in der Frage, ob sich Schuheschleuderer eines Delikts strafbar machen, wenn sie Schuhe über Drähte schleudern. Doch weit gefehlt. Zwar hat die Berner Kantonspolizei unser Anliegen inzwischen dankenswerterweise abgeklärt. Doch die Antwort ist alles andere als einfach. Weil sie so schön ist, und weil die sorgfältigen Erwägungen der Damen und Herren aus der Rechtsabteilung nicht umsonst gewesen sein sollen, wird sie hier im Wortlaut wiedergegeben:

«So schwierig die Antwort auf die Frage nach der Aussagekraft des ‹Shoe Tossings›, so schwierig die Antwort auf die Frage nach dessen allfälliger Strafbarkeit. Denn nach dem hiesigen Rechtsverständnis ist nicht der sogenannte ‹Erfolgsunwert› einer Tat massgebend (ob tatsächlich ein Schaden eintritt oder nicht, Anm. d. Red.), als vielmehr die dahinter steckende Absicht des Täters. Ein Beispiel: Wer sich der Schuhe eines anderen bemächtigt (also erfolgreich stiehlt, Anm. d. Red.) und diese über ein Kabel wirft, dürfte sich der Sachentziehung gemäss Art. 141 StGB schuldig machen, eines Vergehens, das auf Antrag mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet wird.

Wer hingegen seine Schuhe lediglich in dieser Form entsorgt, könnte vielleicht wegen Littering mit einer Ordnungsbusse belegt werden. Der entsprechende Artikel beinhaltet nämlich keine Einschränkung, ob etwas zu Boden oder in die Luft geworfen wird (von einer Störung des Luftverkehrs gehen wir mal nicht aus). Gestützt auf die Verordnung über die Ordnungsbussen können für Littering-Vergehen Bussen von bis zu 300 Franken ausgesprochen werden. Als einzelner Kleinabfall (Busse: 40 Franken) dürften die Schuhe naturgemäss nicht mehr gelten. Bis zu einem Volumen von fünf Litern wäre mit einer Ordnungsbusse von 80 Franken zu rechnen. Werden die Schuhe aus einem Auto geworfen, wird es noch teurer (100 Franken).

Es stellt sich zudem die Frage, welcher Art die Schuhe sind. Bei gewöhnlichen Turnschuhen dürfte die Verletzungsgefahr für Drittpersonen nicht so gross sein. Die Frage, was bei Stöckel- oder gar Skischuhen passieren könnte, ist noch in Diskussion. Schliesslich müsste auch noch abgeklärt werden, was für eine Leitung betroffen ist. Handelt es sich dabei um eine Fahrleitung, könnte auch eine Störung des öffentlichen Verkehrs vorliegen. Von möglichen Geruchsemissionen und einer allfälligen Beeinträchtigung der Umwelt mal ganz abgesehen.

Wir haben heute keine Kenntnis von entsprechenden Anzeigen, Sie sehen aber, die Bandbreite an möglichen Konsequenzen ist gross – die Umstände des Einzelfalls sind und bleiben stets massgebend. Besonders gross erscheint uns aber ein anderes Risiko: Was passiert, wenn die Schuhe ins Sommerloch fallen? Das ist selbst für unsere Juristen noch völlig unklar. Auch wir bleiben dran!»

Wir stellen – über die letzte Bemerkung gehen wir vornehm hinweg – also fest: Ein Shoe-Tosser ist in jedem Fall ein verwegener Geselle, denn er hat das Potenzial, Juristen bei bestem Juliwetter in den Halbwahnsinn zu treiben. Solange er jedoch aus dem Stand heraus ganz leichte Segelschuhe über das handelsübliche Kabel einer Strassenlampe wirft, lediglich in der Absicht, etwas unverfängliche Street Art zu machen, dürfte er sich vom kriminellen Kaliber her eher im unteren Bereich bewegen. In diesem Sinne: Bleiben Sie sauber.

Hanna Jordi

Hanna Jordi lebt in Bern seit 1985. Etwas anderes hat sich bislang nicht aufgedrängt.


Publiziert am 12. Juli 2013

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