
Exotischer Kurzurlaub
Nach diesem harten Winter haben wir alle Ferien nötig. Tropische Gefühle kommen derzeit zum Glück schon in den städtischen Parkanlagen auf. Auch wenn sich die Gäste aus dem Süden noch nicht gänzlich von ihrem Schweiz-Schock erholt haben.
Der Winter war lang und hart. Die Frühlingsferien fielen ins Wasser. Studenten rangen mit ihren Semesterarbeiten, Parlamentarierinnen mit der Session, Raumpfleger mit dem Pollenflug, Beizer mit dem Regen, YB mit sich selbst. Kurz: Alle haben wir uns Ferien verdient. Bloss: Die Erkenntnis allein bringt noch keine Erleichterung. Was tun also, wenn das Geld und die Zeit zu knapp sind, um sich kurzerhand in die Ferien zu verabschieden?
Die Antwort liegt, wie so oft, näher als erwartet. Und zwar in den öffentlichen Parkanlagen der Stadt, die heuer mit einem eigenwilligen Bepflanzungskonzept aufwarten. Im Zuge der aktuellen Begrünungsoffensive «exotische Pflanzen» bevölkern seit Mitte Mai 80 Bananenstauden die Berner Parks und Grünanlagen. Da wird ein aufkeimendes Fernweh der Daheimgebliebenen akut befriedigt. Die Piña Colada mit Strohhalm muss man sich freilich dazudenken.
Doch Bananen? Hätten die heimischen Staudenarten es nicht auch getan? Die Alpenjohannisbeere vielleicht? Oder das Europäische Pfaffenhütchen? In Zeiten, in denen der aufgeklärte Konsument vor allem auf regionale Produkte setzt, verhält sich die Stadtgärtnerei Bern schon fast revolutionär. Menschen, die die kalte Jahreszeit hindurch eisern auf ihr Ratatouille verzichteten und sich die letzten Monate hindurch von Kohl und Kartoffeln ernährt haben, werden angesichts der Bananenstauden allerdings wissend nickend und sich in ihrer Importabstinenz bestätigt fühlen. Denn besonders glücklich wirken die tropischen Gäste nicht. Mehr noch: Die einjährigen Jungpflanzen machen einen ziemlich bedrückten Eindruck. Sie lassen ihre braunen Blätter hängen, wie zum stillen Vorwurf.
Anlass, das Begrünungskonzept zu überdenken? Bei der Abteilung Stadtgrün gibt man kurzum Entwarnung. Wie wir alle hätten auch die Bananenstauden unter den kühlen Temperaturen im Mai gelitten, und hernach den Wetterwechsel etwas schlecht verkraftet. Die grünen, gesunden Blätter kämen aber alsbald nach. Wer mag, kann während seiner Kurzferien im Park den Bananenstauden also beim Genesen zusehen.
Übrigens: Die Bananenstauden sind erst vorläufig aufgenommen in Bern. Noch einmal wird sie die Stadtgärtnerei gemäss Angaben nicht in ihren Gewächshäusern überwintern. Wenn sie im Herbst ausgegraben werden, sind sie erst mal heimatlos – und können dann bei der Stadtgärtnerei von pflanzenlieben Menschen abgeholt werden. Eine zwei- bis dreijährige Bananenstaude ist auch hierzulande mitunter imstande, Bananen zu liefern. Bananen mit rekordverdächtig niedriger CO2-Bilanz.
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