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Welche WCs braucht die Stadt?

Welche öffentlichen Toiletten braucht die Stadt? Silberne, versenkbare, kostenlose? Ein Blick ins «Bund»-Archiv zeigt: Die WC-Frage ist ein politischer Dauerbrenner.

Öffentliche Toiletten sind in Bern ein politischer Dauerbrenner. Ein Blick ins «Bund»-Archiv ergibt einige Wegpunkte:

«Weniger, dafür bessere öffentliche WCs», war im «Bund» vom 23. Februar 1995 zu lesen. Kostenpunkt für eine Verbesserung der Situation: Acht Millionen Franken. Die Investition wurde nötig, da die öffentlichen Toiletten oftmals ungenügend seien. Dies ergibt auch ein Augenschein des Autors: «Die Recherche in den gängigsten öffentlichen Toilettenanlagen und Pissoirs der Innenstadt führt vorerst in die stadteigene Anlage in der Christoffelunterführung: Das WC ist schlichtweg eine Zumutung, riecht es doch penetrant nach Urin, es ist relativ schmutzig, Verschalungen sind abgewetzt, Blaulicht (um Drogenabhängige vom Fixen abzuhalten) dominiert die abstossende Anlage. Kurzum: ein “Absteller”.» Die Stadttour führt in die Anlage beim Ryffligässchen («Eine steile Treppe führt in den Untergrund; die Anlage, die als der Schwulentreffpunkt bekannt ist, wirkt abstossend»), man zieht ins «Metrohäuschen» («es riecht ebenfalls nicht gerade nach “Airfresh” – nichts wie auf und davon!»), und in die Anlage beim Kornhausdurchgang («Schummerig, blaues Licht, schielende Blicke»).

Doch es ging auch heller, etwa beim Zytglogge («Zwar ist man etwas ausgestellt, aber trotz Sprayereien ist die Anlage sauber und – dank frischer Luft – frei von schlechten Düften»), oder gar «geradezu herausgeputzt» (Klösterlistutz). Besser, wenn auch kostenpflichtig, sah es für die Frauen aus: «Die Damentoiletten sind gemäss übereinstimmenden Aussagen von Benützerinnen vom baulichen Standpunkt her ebenfalls sanierungsbedürftig, aber wegen teilweise geringerer Frequentierung und den geschlossenen, gebührenpflichtigen Kabinen tendenziell ordentlicher.» Fazit: «Wer heute in der Innenstadt mal muss, benützt am besten eine der Toilettenanlagen in Warenhäusern oder Restaurants, wobei aus Sicherheitsgründen oft ein Schlüssel oder Jeton verlangt werden muss.»

Ein Jahr nach der Eröffnung des McClean-Hygienezentrums im Bahnhof wurden im April 1996 erste Massnahmen getroffen: «Unwiderruflich werden Ende dieses Monats 13 der 43 öffentlichen Toilettenanlagen des Strasseninspektorats und drei von 16 Pissoirs geschlossen», so der «Bund». Doch auch diese drastische Massnahme änderte nichts am schlechten Image: «Düster, stinkend und dreckig» waren die Toiletten auch im Mai 2003 noch – und es war wieder Zeit für ein neues Konzept, das sogenannte Konzept 2004. Das Motto des Konzepts, das bis 2010 realisiert wurde: «Qualität statt Quantität». Es war der Startschuss für die mittlerweile wohlbekannten Unisex-Chromstahl-Stationen, die etwa bei der Münsterplattform und auf der Schützenmatte prominent zu finden sind.

Nun kündet sich eine neue Wegmarke an, dank dem Urilift, dem versenkbaren Pissoir, das Sicherheitsdirektor Reto Nause am vergangenen Freitag im Rahmen des Konzept Nachtleben propagiert hat. Was eine solche Littfasssäule, die auch in Städten wie Köln, London und Rotterdam zu finden ist, so sie denn sichtbar ist, kostet? 80’000 Franken. Und man wird sehen, wie und ob dieser politische Dauerbrenner im Wahlkampf 2012 eine Rolle spielen wird.

Die WC-Anlage auf der Münsterplattform. (Bild: Valérie Chételat)

Benedikt Sartorius

Benedikt Sartorius lebt seit dem Transfer aus dem Oberland in Bern und hat seit einiger Zeit Frieden mit der Stadt geschlossen. Eine gewisse Neigung zum Sandstein- und Laubenallergiker ist aber immer noch spürbar.


Publiziert am 18. September 2012

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