
Nackte Frauen allenthalben
In der Hauptstadt kündigt sich der Sommer an – und das Volk kriegt viel nackte Frauenhaut präsentiert. Wo bleibt da die Gerechtigkeit? Zeit für etwas ausgleichenden Sexismus.
Der Sommer kündigt sich an, der Mensch steht im Saft. Da ist es nicht verwunderlich, dass die schönen Seiten des Lebens ins Zentrum rücken. Doch wie das derzeit vonstatten geht, ist doch mehr als einseitig.
Etwa am Bahnhof Bern: Beyoncé allenthalben. In winzigen Bikinis blickt das H&M-Model auf Zeit über die Pendlerströme hinweg, als ob es kein Maiwetter gäbe. Oder bei der kürzlich erfolgten Miss-Bern-Wahl. Da lässt sich ein Dutzend Damen im Badetenue und im munzigen Schwarzen ablichten, um sich dann dem Verdikt von allerlei Experten des Alltags auszusetzen. «Hmmm, . . . . hab’ gar nicht gewusst, dass pummelig jetzt wieder in ist», darf da ein Leser im Kommentarforum der «BZ» angesichts der feingliedrigen Kandidatinnen urteilen. Ja, es sind gute Zeiten für den ästhetisch sensiblen Mann von heute, ungelogen.
Nein, sagen Sie nichts – den #aufschrei verkneifen wir uns. Das Ungleichgewicht in Sachen nackte Menschen im öffentlichen Raum fusst nun mal auf mitleidlosen Absatzüberlegungen, die sich nicht so leicht in ihr Gegenteil verkehren lassen. Schöne Frauen schenken werbetechnisch mehr ein als schöne Männer. Und Miss-Wahlen sind erwiesenermassen viel öffentlichkeitswirksamer als Mister-Wahlen. Man erinnert sich: Nach 2009 setzte die Mister-Bern-Wahl während dreier Jahre aus. Letztes Jahr fand sie dann erstmals wieder statt, und zwar im Liquid Club, und als Sponsoren fungierten unter anderem das Bräunungsstudio St. Helena GmbH oder der Reptilvertrieb giftschlangen.ch. Das sind die harten Realitäten im Mister-Business.
In nächster Zeit ist also nicht damit zu rechnen, dass die Veranstalter, die Marketingexperten und Modehausmagnaten den Anteil nackter Damen merklich runterfahren werden. Damit die Frauen trotzdem nicht weiter in die Röhre blicken müssen, ist es deshalb an der Zeit, das Missverhältnis anderweitig auszugleichen. Mehr nackte Männer müssen her, in Werbung, Film und Fernsehen. Es ist Zeit für einen gleichmässigen Sexismus, fair verteilt auf beide Geschlechter.
An guten Gelegenheiten mangelt es nicht. Das Eidgenössische Schwingfest steht an – Unterwäsche-Shooting im Sägemehl bietet sich an. Die YB-Spieler können auf dem Rasen nicht punkten – vielleicht können sie als Oben-ohne-Kellner im Liquid Club. Es gibt ja durchaus Beispiele für Marketingkonzepte, die auf männlicher Nacktheit beruhen und dabei höchst erfolgreich sind. Besonders rühmlich und immer wieder gern erwähnt: die Kalenderreihe «Hot Guys and Baby Animals». Sie hat ihre kalifornischen Schöpferinnen reich gemacht. Das Konzept beruht auf der einfachen Tatsache, dass ein männlicher Torso dann besonders imposant aussieht, wenn ein wenige Wochen altes Tier der fluffigen Sorte darauf drapiert ist.
Es ist zwar nicht ganz auszuschliessen, dass der kommerzielle Erfolg von «Hot Guys and Baby Animals» allein den Tieren zu verdanken ist. Dass vor allem die Hündchen und Kätzchen den Frauen das Geld aus der Tasche ziehen. In diesem Fall hiesse es, den Ansatz des gleichmässigen Sexismus zu adaptieren. Der Siegermuni im Schwingkalender 2014 wäre dann halt ein Kälbchen. Und den YB-Spielern würde zwischen Match und Kabine eine Zusatzschlaufe über die BEA verordnet. Dort hats junge Sennenhunde, Ferkel oder wahlweise kleine Küken, die nur darauf warten, von den kraftstrotzenden Mannen medientauglich geknuddelt zu werden.
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