
Hallo, wir wohnen jetzt hier
Die Hausbesetzer gehen um. Sollten Sie nun ihre Haustür verbarrikadieren?
Wir alle tun es. Täglich und überall. Wir tun es auf dem letzten freien Platz im Bus, auf der Toilette der Stammbar, auf den Bänken im Rosengarten, im bequemen Kinosessel, am besten Tisch des Lieblingsitalieners und auf ganz gewöhnlichen Parkplätzen – wir besetzen. Alles kein Problem. Doch wenn es um Häuser geht, teilen sich die Meinungen. Die einen sehen es als Kampf für mehr Freiraum, die anderen hören bereits die Rote Armee einmarschieren. Mit den jüngsten Besetzungen am Lagerweg und auf dem Wifag-Areal gerieten die Fronten wieder einmal aneinander. Da lässt sich nicht vermitteln.
Das mit dem Hausbesetzen wäre ja völlig ok, wenn da die Sache mit dem Gesetz nicht wäre. Denn streng genommen darf man das nicht. Es ist gerade dieser lässige Umgang mit dem Recht auf Eigentum, den einige Leute immer wieder rot anlaufen und der ihnen vielleicht sogar ein paar Schweissperlen der Angst von der Stirn tropfen lässt. Schliesslich leben wir in einer Stadt, in der die Polizei nicht gleich mit roher Gewalt agiert, sobald eine Person die Schwelle eines Hauses überschreitet, auf das sie keinen Hypothekarzins zahlt.
Natürlich machen bei solchen Zuständen dann alle, was sie wollen. Wer kann einem da noch garantieren, dass in den eigenen vier Wänden, wenn man vom kapitalistischen Gelderwerb nach Hause kommt, nicht plötzlich ein Hugo-Chavez-Gedenkschrein in der einen und ein Poster von Karl Marx’ Gesichtsbehaarung in der anderen Ecke steht, während an den Fenstern mehr Sterne hängen als in der Adventszeit? Das kann einem schon zu denken geben.
Daher nun zu den alles entscheidenden Sinn- und Stilfragen: Müssen Sie sich vor einer baldigen Enteignung Ihres Wohnraums fürchten? Sollten Sie schon mal einen Überwachungsauftrag für Ihre Haustür bei der Securitas deponieren? Und wie hoch sind eigentlich die gängigen Kosten pro Meter Stacheldraht? Es braucht Sie wohl nicht zu kümmern. Schliesslich bevorzugen Besetzer leerstehende Gebäude.
Aber was bringt das alles überhaupt? Nun, manchmal einiges. Es ist keine Seltenheit, dass aus illegalen Hausbesetzungen erlaubte Zwischennutzungen werden. Und wer nicht unter Schwellenangst leidet, wird an einem neunachbarschaftlichen Willkommensbrunch feststellen, dass sich auch auf roten Sofas formidabel sitzen lässt. Die Kommunikationswege sollten allerdings hin und wieder überdacht werden. Denn an manchen Türen erreicht man mit Anklopfen mehr, als wenn man sie aufbricht.
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