
Kaffee, um zu bleiben
Schluss mit Coffee to go, jetzt wird wieder im Sitzen getrunken. Gemütlich am Bistrotischchen in der Sonne – wenn es die Beizer denn zulassen.
Nicht allen ist es vergönnt, den Coffee-to-go-Becher als stilvolles Accessoire ins tägliche Leben einbauen zu können. Es soll schon vorgekommen sein, dass einer Passagierin im fahrenden Tram der Coffee-to-go-Becher aus der Hand rutschte, worauf sich der dunkelbraune Inhalt über den beige bemantelten Rücken der Vorderfrau ergoss. Und damit nicht genug, man erzählt sich auch, die Passagierin habe dann stadteinwärts auf der Thunstrasse während zweier Stationen mit ansehen müssen, wie sich aus der Kaffeelache an den Mitfahrenden vorbei ein Bächlein bildete, das erst ganz vorne beim Führerstand mündete. Der Kaffee war «large» gewesen.
Doch nicht nur solche Erlebnisse lassen den Coffee to go zur Flüssigkeit non grata werden. Jetzt, da sich langsam aber sicher die warme Jahreszeit einschleift, sollte man jede Gelegenheit nutzen, seinen Kaffee nicht stillos im Gehen runterzuschütten, sondern ihn bewusst am Bistrotischchen einzunehmen.
Allerdings ist das derzeit leichter gesagt als getan: der Übergang zwischen Noch-Winter und Fast-Frühling bedeutet für die Beizer dieses Landes eine ungewisse Zeit. Wird es heute lange genug nicht regnen, dass es sich lohnt, die Tische rauszustellen? Wer an einem sonnigen, nur leicht schleierumwölkten Apriltag durch die Stadt streift, muss sich also nicht wundern, wenn er hie und da auf den Kaffee im Freien verzichten muss.
Ein besonders heikler Kandidat ist der Kaffeepavillon auf der Münsterplattform: Hier bleiben die Türen auch schon mal bei strahlendem Wetter geschlossen. Dumm auch, wenn der Stadtstreifzug auf einen Markttag fällt. Dann ist selbst an der Abfertigungsmeile Front nichts zu holen, weil die Marktstände jegliche Aussenbestuhlungspläne im Keim ersticken.
Dafür gibt es einige Frischluftfanatiker rund um den Zytglogge: Hier haben manche das ganze Jahr über Tischchen im Freien (Adriano’s), andere gehören zur kurzentschlossenen Sorte, die beim ersten Sonnenstrahl die Terassenmöbel auffahren (Pyrenées, Ringgenberg). Sehr kurzentschlossen ist auch der folgende Geheimtipp: Wem es nichts ausmacht, Kaffee aus dem Plastikbecher zwischen mehr oder minder eifrigen Studenten zu trinken, dem sei die Terasse in der Universitätsbibliothek an der Münstergasse empfohlen. Die 1.60 Franken für das Getränk sind ein Hohn, dafür gibts einen Springbrunnen.
Einen Saisonbetrieb mit Allwettergarantie bietet sich seit vergangenem Wochenende wieder im Botanischen Garten. Das Café Fleuri geht in die zweite Saison und gibt sich unbeeindruckt gegenüber meteorologischem Gebaren. Es hat immer geöffnet.
Wer sich dennoch nicht von der Idee lösen kann, seinen Kaffee spazieren zu tragen, dem sei eins gesagt: Kaffee aus der Tasse kommt nicht nur ungleich kultivierter daher als in der Pappvariante, sondern ist auf lange Sicht auch günstiger: Die chemische Reinigung eines beigen Mantels mit Kaffeeflecken schlägt schon mal mit 60 Franken zu Buche.
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