schliessen
  • Völlig daneben: SCB-Spieler Tristan Scherwey verbrannte bei der Meisterfeier eine Zigarre.

  • Dürfte nächste Saison an der Bande stehen: Aline Trede.

  • Wir im Herbst wohl zum SCB stossen: Denise Biellmann.

  • Die Durchsagen im Stadion dauern nächste Saison wohl etwas länger: Künftiger Speaker Pedro Lenz.

Lieber SCB, sei doch mal ein wenig hip

Der SC Bern hat etwa die urbane Ausstrahlung eines Mähdreschers. Will der Club seine rurale Anhängerschaft um ein paar Stadtbewohner erweitern, muss er wesentlich cooler werden.

Als Stadtbewohner werden Sie es wahrscheinlich nicht mitgekriegt haben: Der SC Bern wurde letzten Dienstag Schweizer Meister. An modernen Stadtfüchsen kann so ein Ereignis schon mal locker vorbeiziehen. Denn die Freinacht zum Meistertitel war eine eindrückliche Demonstration der Tiefe des Stadt-Land-Grabens. Während die ersten Subarus bereits kurz nach der Sirene wieder stadtauswärts rollten, wurde im Stadioninneren zu Skihüttenmusik herumgehüpft, bis die um die Hüften gebundenen Trikots in den Kniekehlen hingen. Doch bis in die Stadt wurde die meisterliche Stimmung nicht getragen.

Und wie hätte denn bitte der angesagte Stadtbürger mitbekommen sollen, dass der SCB Meister wurde, wenn in der Stadt Grabesstille herrschte? Wäre in der Innenstadt gefeiert worden, hätte der prätentiöse Stadtmensch auf dem Heimweg von seinem dienstäglichen Literaturzirkel, der einmal mehr in einer weissweingeschwängerten Debatte um die politische Ausrichtung des Christian Kracht versandete, ein sportliches Update bekommen. Doch der SCB tut sich auf städtischem Terrain schwer. Er scheint den kulturellen und geistigen Anforderungen des hippen Stadtmenschen einfach nicht gerecht werden zu können.

Falls der SCB gedenkt, sein Image als Entertainer der ruralen Bevölkerung abzulegen, muss er einiges verändern. Angefangen beim Erscheinungsbild der Spieler: Wie die immer diese überdimensionierten Taschen durch die Weltgeschichte tragen. Würde es nicht einfach ein lässiger Jutesack tun? Oder wo bleibt der Ausrüstervertrag mit Fjällräven? Und dann erst diese Schlabbertrikots! Als hätte man die Jungs direkt aus einem Hip-Hop-Clip der 90er gecastet. Das ist doch einfach nicht mehr en vogue. Noch wie was von Skinny Fit gehört? Ok, die Playoff-Bärte können bleiben. So sieht es wenigstens aus, als hätten die Spieler gleich nach dem Holzhacken ein Singer-Songwriter-Album aufgenommen. Das kommt an.

Der Berner Stadtmensch ist ja bekanntlich tendenziell rot-grüner Gesinnung. Ein politisches Entgegenkommen des SCB wäre sicher förderlich. Zum Beispiel könnte es als höchstes Saisonziel erklärt werden, jedes Spiel mit 1:12 zu gewinnen. Und könnte das Team nicht einfach von Aline Trede trainiert werden? Es würde etwas Weiblichkeit in diese eisige Männerdomäne bringen und die linken Flügelspieler würden davon nur profitieren.

Natürlich sollte der SCB auch an die Menschen denken, die regelmässig ihr Abo für das Stadttheater erneuern. Wäre es von den Spielern denn zu viel verlangt, für die Ballettfreunde ein paar Pirouetten pro Spiel einzulegen? Wieso wird nicht einfach Denise Biellmann als neue Stürmerin verpflichtet? Musikalisch müsste sich ebenfalls einiges ändern. Als nun weltmännischer Club mit kulturellem Esprit sollte man schon ernsthaft über ein Dauerengagement des Berner Symphonie-Orchesters nachdenken. Pedro Lenz übernimmt neu die Rolle des Stadionspeakers.

Doch ob sich das Stammpublikum mit dem neuen SCB noch identifizieren könnte, ist fragwürdig. Denn der einzige Berner, der den neuen Weg bereits eingeschlagen hat, musste dafür einiges einstecken: Christoph Bertschy. Er hat zur Feier des Tages einen Fribourg-Schal verbrannt (ok, es war ein Anti-Fribourg-Schal, aber nur die Geste zählt). Eine Aktion, die durchs Band als primitiv befunden wurde. Dabei zelebrierte Bertschy bloss die kulturelle Weitsicht, die der SCB so dringend nötig hätte. Hätte die Aktion in einer trendigen Kunstgalerie stattgefunden, wäre Bertschy nun einer der begehrtesten Performancekünstler des Landes.

Doch seine Aktion war der Zeit einfach voraus, zu avantgardistisch war sie. Dennoch kann sie ruhig zu den wohl kulturell wertvollsten Jubelgesten gezählt werden, die man in den Schweizer Stadien je gesehen hat und weckt die Hoffnung, dass die nächste freinächtliche Meisterfeier im Rahmen einer Vernissage im Kunstmuseum stattfinden wird.

Martin Erdmann

Martin Erdmann


Publiziert am 19. April 2013

28 Kommentare

Alle Kommentare zeigen

Verbleibende Anzahl Zeichen:

Die Redaktion behält sich vor, Kommentare nicht zu publizieren. Dies gilt insbesondere für ehrverletzende, rassistische, unsachliche, themenfremde Kommentare oder solche in Mundart oder Fremdsprachen. Kommentare mit Fantasienamen oder mit ganz offensichtlich falschen Namen werden ebenfalls nicht veröffentlicht. Über die Entscheide der Redaktion wird keine Korrespondenz geführt.