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  • Die Meute rollt an: Takasa und ihr Partymobil.

  • Im Herzen ein Landstreicher: Takasa-Oldie Emil Ramsauer.

  • Ist es Derrick? Nein, Emil Ramsauer hinter dem Steuer.

  • Ist es eine Coopwerbung für Bioprodukte? Nein, Takasa on tour!

  • Freikirche war noch nie so cool!

  • Wartet Takasa bis zur nächten Raststätte? Natürlich nicht!

  • Emil Ramsauers Altersflecken scheinen wesentlich interessanter zu sein als die Geschehnisse auf der Strasse.

Der Roadtrip der Abtrünnigen

Die Heilsarmee-Band heisst neu Takasa und fürchtet zwar noch immer Gott, jedoch nicht die Verkehrsregeln oder unsittliches Benehmen. Dieser Eindruck erweckt ihr neues Video «On the Road to Malmö!». Eine Analyse.

«Fragen Sie sich manchmal, was Gott sieht, wenn er uns beobachtet», schreibt eine Generalin der Heilsarmee auf der Homepage der christlichen Freikirche. Gehen wir einmal, rein hypothetisch davon aus, dass es diesen Gott tatsächlich gibt und er uns ab und zu auch stalkt – ihm sind wahrscheinlich die Augen aus dem Kopf gefallen, als er wieder einmal seine treuen Soldaten der Heilsarmee unter die Lupe genommen hat. Denn mit ihrem alten Bandnamen haben sie wohl auch ihre guten Manieren abgelegt. Neu nennen sie sich Takasa und scheinen darauf aus zu sein, sämtliche Spendeeinnahmen der Heilsarmee künftig in Verkehrsbussen zu investieren. In ihrem neuen Video frönen die christlichen Soldaten dem Gesetzesbruch und Rowdytum.

Es vergehen keine zehn Sekunden und schon hat die Heilsarmee ihre neue Rolle als wilde Outlaws der ESC-Familie manifestiert. In einem knallroten Fiat kurven die gottesfürchtigen Musiker auf einer Landstrasse herum. Auf den ersten Blick scheint alles völlig harmlos. Doch dann der Schock: Keiner der vier Insassen des Wagens ist angegurtet. Wer im Strassenverkehr so fahrlässig handelt, muss schon ein enormes Vertrauen in Gott haben. Anstatt sich um die eigene Sicherheit zu sorgen, haben die Bandkollegen völlig leger die Fensterscheiben heruntergekurbelt, um ihre Fäuste gen Himmel zu strecken. Es wird sogar aus dem Auto herausposaunt – im wahrsten Sinne des Wortes.

Dann wird es rätselhaft. Wieso fährt die Berner Band in einem Auto mit Zürcher Nummernschild? Wurde es geliehen, gemietet, geknackt? Man weiss es nicht. Dafür klärt sich kurz darauf, wo der Bandälteste, Emil Ramsauer («Ich bin halt alt, aber noch gut zwäg»), abgeblieben ist. Von dem fehlte bisher nämlich jede Spur. Die Lösung dieses Geheimnisses überrascht. Der alte Freigeist wollte es doch tatsächlich auf eigene Faust bis nach Malmö schaffen und versuchte sich als Tramper durchzuschlagen. Doch als dann rein zufällig der Rest der Band vorbeifährt, lässt Ramsauer von seinem Plan ab. Sein Kontrabass wird kurzerhand auf die Rückseite des Autos geschnürt. Ob das hält? Wenn kümmerts, das ist Takasa und die machen was ihnen eben gerade passt.

Der Motor wird angeschmissen, die Kamera gewährt einen kurzen Blick unter den Wagen. Dort klappert ein total verrosteter Auspuff herum, der die Frage aufwirft, ob das Auto überhaupt noch strassentauglich ist. Die Mitglieder der Takasa-Crew scheint es nicht zu interessieren. Sie setzen lieber zu einer Geste der Gelassenheit an und schieben sich extrem entspannt und sehr synchron Sonnenbrillen auf die Nase, als wären sie eine musikalisch irrelevantere Version der Blues Brothers.

Und plötzlich sitzt Ramsauer am Steuer. Zur Erinnerung: Der Kerl ist 95 Jahre alt und sein Blick lässt vermuten, dass er oft nicht genau weiss, wo er gerade ist. Aber schliesslich ist man nie zu alt, um ein Rebell der Strasse zu sein. Dann übernehmen die Frauen das Steuer. Jetzt wird es richtig abtrünnig. Zuerst Katharina Hauri («Wir tun dies um Gott die Ehre zu geben!»). Anstatt wie eine brave Teilnehmerin des Strassenverkehrs mit beiden Hände am Lenkrad umschlossen zu haben, verdrückt sie mit ihrer Linken stinkfrech ein Sandwich. Dann Kollegin Sarah Breiter (Lieblingsmusik: «Worship»). Sie toppt das ganze und schlürft, vermutlich brühendheissen Kaffe, aus einem Plastikbecher.

Um nochmals auf das anfängliche Zitat der Heilsarmee-Generalin zurückzukommen: Bei 1:51 (bevor Sie die Bibel hervorholen, diese Zahlen beziehen sich auf die Laufzeit des Videos und nicht auf einen Vers aus der Heiligen Schrift) sieht Gott, wie drei Heilsarmeemitglieder in der Öffentlichkeit urinieren. Die drei Bad-Boys pinkeln einfach auf einen Acker eines nichtsahnenden Bauers. Als wäre die vorgängige Szene im Auto noch nicht schlimm genug gewesen. Sämtliche Passagiere putzen sich während der Fahrt die Zähne. Gut, das passt irgendwie nicht zum Lebenswandel dieser Christen auf Abwegen, Zähneputzen ist ja irgendwie voll spiessig. Aber im Auto? Während der Fahrt? Das hingegen ist ziemlich wild. Denn wohin wird die gebrauchte Zahnpaste gespuckt, wenn die Zähne sauber sind? Ins Wageninnere oder auf die Strasse, mehr Optionen gibt es nicht. Was würde wohl Jesus davon halten?

Wer nun meint in diesem Text wird vieles überspitzt oder falsch Dargestellt, liegt völlig falsch. Denn diese Strassenrowdys wissen genau was sie tun. Der Beweis: Bei 2:34 (auch hier: Laufzeit, nicht Bibel) wird glasklar James Dean gehuldigt. Jonas Gygax (Lieblingstextstelle: «A-Ah-Ah-aha-a-A») kämmt sich das pomadige Haar, ganz im Stil des ewigen Teenager-Idols. James Dean ist übrigens bei einem Autounfall ums Leben gekommen.

Martin Erdmann

Martin Erdmann


Publiziert am 18. März 2013

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