
Ruppiger Feierabend
Wo man rauchen darf, ist der Bahnhof zu Ende. Zumindest beinahe. Einer dieser Zwischenorte ist der Vorplatz zwischen Nobelconfiserie und Vegi-Restaurant. Ein Plädoyer für diesen Freiraum.
Der Raum zwischen dem Vegi-Kettenrestaurant Tibits und der jüngst eröffneten Sprüngli-Filiale zählt zu den lebendigsten des Berner Bahnhofs. Ab hier darf man wieder Rauchen – was für brennende Aschenbecher, regen Treffpunktverkehr und immer wieder Diskussionen über die zwar markierte, dennoch fliessende Grenzziehung zum Nichtraucherbereich sorgt.
Hier, am Aus- und Eingang der sogenannten Rail City, ist auch einer der vielleicht letzten Freiräume des Bahnhofs zu finden. Selbstverständlich: Auch dieser kann von chauvinistischen Kampagnen wie jüngst von der Waschbrettbauch-Waschmittelwerbung gekidnappt werden. Doch normalerweise sieht das am frühen Abend so aus: Arbeiter und GewerbeschülerInnen trinken ihre Dosenbiere, andere auch stärkere Alkoholika, Pendelnde eilen über den Fussgängerstreifen hin zum Baldachin, Wartende warten einfach – und an den Wochenenden bringt sich die Jugend in Form für das Leben in den Tanzhallen.
Unter der Woche herrscht hier Feierabendstimmung: keine flanierende, gemütliche und Apérol-Spritz-getränkte wie in der Altstadt, sondern eine deftige, ruppige und ungehobelte Stimmung, die man in Zeiten der durchreglementierten Rayons, in Zeiten, in denen die kleinsten Anzeichen von Exzentrik für Aufsehen sorgen, ehren muss.
Sozialer Brennpunkt? Ja, klar. Doch das waren Transitorte wie Bahnhöfe oder Häfen schon immer – und sie sollten es zumindest am Rand noch bleiben. Dreckig? Auch. Aber längst nicht so arg, wie all der Müll, den Müsterli-Verträger Tag für Tag hinterlassen.
Das Gute an diesem Platz: Er lässt sich kaum so einfach in eine Glasglocke reinzwängen wie der Stein in der Christoffelunterführung. Und das Beste: Wer Mühe hat mit diesem Ein- und Ausgang, hat andere Optionen zur Verfügung, um den Bahnhof zu betreten oder zu verlassen. Dieser Clash der Kulturen zwischen den teuersten und billigsten Kalorien, die es am Berner Bahnhof gibt, er muss bleiben.
5 Kommentare
Verbleibende Anzahl Zeichen:
Die Redaktion behält sich vor, Kommentare nicht zu publizieren. Dies gilt insbesondere für ehrverletzende, rassistische, unsachliche, themenfremde Kommentare oder solche in Mundart oder Fremdsprachen. Kommentare mit Fantasienamen oder mit ganz offensichtlich falschen Namen werden ebenfalls nicht veröffentlicht. Über die Entscheide der Redaktion wird keine Korrespondenz geführt.