
Bitterballen (Holland, Mitte Juni 70)
Frau Kretz unternimmt mit ihrer Grossmutter eine kulinarische Reise nach Holland oder: Wie man Bechâmel frittiert.
Im grünen Rezeptheft meines Grossmamis findet sich eine sehr schöne Doppelseite mit einer Collage aus Zeitungsausschnitten über Leberwurstbrötchen, feinen Aprikosenkuchen («Kosten etwa Fr. 3.30»), «petits batons au fromage» und gefüllte Tomaten, drum herum ein handschriftliches Rezept in blauer Tinte: «Bitterballen (Holland Mitte Juni 70)». Diese Entdeckung freute mich besonders, da ich seit ein paar Monaten von der Frage gequält werde: Woraus bestehen Bitterballen?
Mein Job führt mich oft nach Holland und Belgien und so sass ich vor einer Weile mit einer befreundeten belgischen Theatergruppe nach einer Vorstellung im holländischen Enschede beim Bier, als der eine ausrief: «Je moet bitterballen proberen!» Bitterballen soll ich probieren? «Yeah, sure, what is that?» – «I don’t know but you have to try!» Man bestellte also diese Bitterballen und gleich noch eine Runde Bier. Es kam ein Körbchen voll frittierter Klösschen, die ein bisschen aussahen wie Falafel. «What’s inside?», versuchte ich nochmals. «I don’t know. It’s great!», und siehe da, der Belgier hatte recht! Ich biss in ein Bällchen würzigen, frittierten Schleims, aussen knusprig, innen weich, das wirklich hervorragend mundete. Wir knabberten, schleimten und tranken noch ein paar Runden weiter, aber meine Frage blieb unbeantwortet.
Also machte ich mich letzte Woche ans aufschlussreiche Nachkochen. Bei Grossmami steht da: «50 g Butter schmelzen, 50 g Mehl auflösen, heissen, guten Bouillon dazu giessen [ca. 3,5 dl – Anm. der Kretz], aufkochen, mit Pfeffer, Muskat, ev. Basilikum und Salz würzen.» Das ist also des Bitterballen Kern: Eine dicke weisse Sosse! Ferner steht da: «Man kann auch gedünstete fein geschnittene Zwiebeln, auch kl. Fleischcarrés dazugeben, auch etwas Rahm, aber die Masse, d.h. Sauce muss dick sein.» Bei mir kamen also Zwiebeln, fein geschnittenes Siedfleisch, ein Schuss Rahm und etwas Basilikum in die Masse, d.h. Schleim.
Das lässt man dann, am besten in einer flachen Schüssel, erkalten, wobei es auch gleich viel dicker wird und man sich allmählich vorstellen kann, daraus Klösschen zu formen. Diese wendet man im Paniermehl, dann im Ei und nochmals im Paniermehl, so dass der Schleim richtig gut ummantelt ist. Dann werden die in ca. 180-gradigem Öl frittiert (1 cm Öl reicht, sie müssen nicht unbedingt schwimmen) und noch warm serviert. Dazu gibts natürlich Bier oder – und daher kommt der Name – ein Gläschen Magenbitter.
10 Kommentare
Verbleibende Anzahl Zeichen:
Die Redaktion behält sich vor, Kommentare nicht zu publizieren. Dies gilt insbesondere für ehrverletzende, rassistische, unsachliche, themenfremde Kommentare oder solche in Mundart oder Fremdsprachen. Kommentare mit Fantasienamen oder mit ganz offensichtlich falschen Namen werden ebenfalls nicht veröffentlicht. Über die Entscheide der Redaktion wird keine Korrespondenz geführt.