
Eine stachelige Sukkulente in der Gastrowüste
Hat fast kein Lokal mehr geöffnet, steigt der Hauptstädter in den steinigen Untergrund des Berner Bahnhofs – zum Hamburger-Test.
Auf dem Heimweg liegt der Bahnhof und im Bauch klafft ein Loch. Zeit, für einen frühsonntagmorgendlichen Besuch bei einem der kulinarischen Pflänzchen in der nächtlichen Berner Gastrowüste, denn der Rock Garden trägt die Oase bereits im Namen. An Flüssigem herrschte in den letzten Stunden kein Mangel, doch der Mensch lebt ja nicht nur vom (gebrannten) Wasser allein.
Der Blick in die Speisekarte verwirrt zunächst. Es lässt sich aber eine offenbar Bern-inspirierte Farbgebung erkennen: schwarz der Hintergrund, gelb die Gerichte, rot die Preise. Die grosse Karte bewegt sich thematisch konsistent eher auf der rockigen Seite der Kulinarik. Dünne, violette, weisse, rote, türkise und orange Ovale zeichnen die Spezialitäten aus. So etwa Spare Ribs für 28.50 (Musiktipp dazu: alles von Lynyrd Skynyrd), etwas britischer Einschlag mit Fish & Chips (25 Franken, Rolling Stones), «Rockjitas» (28.50, eigentlich Fajitas und damit wohl was von Carlos Santana) ein 500-grämmiger «Rock the Burger»-Burger für den grossen Hunger (39.50, dazu Stadionrock von Bruce Springsteen und der E-Street-Band) oder das vollmundig angekündigte Elefantenohr («den passenden Teller haben wir bis heute nicht gefunden…»), das ein paniertes Schweineschnitzel ist (32.50 und dazu die Discographie von Gölä).
Richtig, die Anspieltipps entbehren jeglicher Originalität, bewegen sich damit aber auf einer Linie mit der Playlist im Lokal, die Soft-Rock-Song an Rockballade reiht. Die unaufdringliche Lautstärke unterstreicht die Seichtigkeit. Auch die neon-farbig beleuchteten Überreste des Christoffelturmes und die goldenen Schallplatten an den Wänden reichen nicht, um das Ambiente rockiger erscheinen zu lassen.
Der Blick ins Portemonnaie bestimmt die Menüwahl. Für knapp 20 Franken gibts den «Farmer Burger» mit Tomaten und Speck, Pommes Frites und Coleslaw. Die Wartezeit scheint eher lang und dabei nimmt die – nun ja – Müdigkeit überhand, der Kopf sinkt Richtung Tresen. Sich der nicht ganz vorteilhaften Haltung durchaus bewusst, weiss man nicht genau, ob das Angebot des Kellners – «noch ein Bier?» – nur gutgelaunt freundlich gemeint ist, oder ob doch noch leiser Spott mitschwingt. Man beschliesst, zu verzichten, hauptsächlich, aber zugegebenermassen nicht ausschliesslich, aus Gründen des Budgets, die 20er-Note ist schon in den Burger (inklusive 50 Rappen Trinkgeld) investiert.
Nach der Rückkehr von der Toilette (soweit sauber), dann der grosse Moment: Der Burger steht schon da. Die Präsentation stimmt: Das Mahl kommt im Drahtkörbchen, mit einer anständigen Portion Pommes Frites, der Coleslaw in einem separaten Keramik-Schälchen. Der erwartungsfrohe erste Biss endet aber mit einer leichten Enttäuschung: Die erste Wahrnehmung ist ein Kratzen am Gaumen. Das Brot ist eindeutig zu trocken. Das Fleisch scheint in Ordnung, kann den Eindruck aber nicht mehr substantiell retten. Kurz die Bier-Entscheidung bereut, doch dann wendet man sich den Pommes zu, die für den Burger zu entschädigen wissen.
Besteck zu Burger und Pommes Frites gibts keines und so hätten vorausschauendere Esser und – zu einem anderen Zeitpunkt – vielleicht auch der Testesser den Salat wohl zwischen Fleisch und Brot geklemmt, doch dafür ist es nun zu spät. Und so pickt man verschämt einzelne Karotten- und Kohlstreifen aus der Sauce, bis diese Methode dann doch nicht mehr so überzeugend scheint. So bleibt das Schälchen Salat gezwungenermassen fast unangetastet stehen. Das kulinarische Wüstenpflänzchen zeigt sich also frühmorgendlich als eher stachelige Sukkulente, aber zumindest mit einer hübschen (Pommes-)Blüte.
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