
Grandios bodenständig
Bern von 1191 bis heute in 20 Minuten: Das leistet die «Bern Show», ein «Live-Spektakel in 3D» der dezenten Sorte.
Auf der Suche nach Zerstreuung an einem verschneiten Sonntag empfiehlt sich die Rubrik «Aktivitäten» auf der Homepage der ausgewiesenen Stadt-Experten von Bern Tourismus. Mancher Ausgehtipp ist geschätzt, aber abgefingert (Marzili, Bärenpark, Dampfbad), weitere sind etwas kostenintensiv (Helikopterflug, Ballonrundfahrt) und wieder andere insgesamt leicht zeitaufwändig (Jakobsweg).
Da sticht ein Veranstaltungshinweis aufgrund seines süffigen Beschriebs natürlich heraus: «Bern – von gestern bis heute. Ein Live-Spektakel in 3D» erwarte den Besucher der «Bern Show» – und das alles in einem bekömmlichen Zeitrahmen von 20 Minuten. Vor dem inneren Auge spult sich der Film schon ab, bevor man überhaupt an der Spielstätte beim Bärenpark angelangt ist: Von 1191 bis 2013 ist ja einiges passiert, das sich mittels 3D-Technologie und in Farbe gut in Szene setzen lässt.
Man stelle sich vor: Der Zuschauer findet sich in der Situation wieder, den Wegzoll nicht berappen zu können, und kann noch knapp vor einem Habsburger Söldner fliehen. Um sich schon wenige Momente später durch die Menschenmasse auf dem Münsterplatz zu zwängen, wo der Scharfrichter gerade mit einem Hühnerdieb zuwege geht. Es spritzt Blut. Die restlichen Jahrhunderte vergehen wie im Flug: In der Schlacht am Grauholz knapp einer französischen Speerspitze ausgewichen, an vorderster Front im Münster Bilder gestürmt, mit dem entzückten Goethe in der Kutsche durch Bern gegondelt, Tschäppät die Hand geschüttelt. Alles so lebensecht!
Wie man endlich in der Touristeninformation beim Alten Tramdepot ankommt, staunt man natürlich nicht schlecht, als einem selbst nach mehrmaligem Nachfragen die 3D-Brille verwehrt wird. Der Grund dafür: Das «Live-Spektakel in 3D» bezieht sich auf die dritte Dimension im herkömmlichen Sinne. Man setzt sich also auf eine Bank, und vor einem bockt sich unter mechanischem Schnaufen ein Stadtmodell von Bern auf, dazu gibts Geschichtliches ab Band. Es gibt durchaus auch Spezialeffekte, da lodert etwa ein Feuer auf der Leinwand, als aus dem Stadtrelief ein Räuchlein aufsteigt zum Zeichen, dass es brennt. Oder es dreht sich der Zeiger an der Erlacherhof-Modellwand, die sich spontan aufgeklappt hat. Und an einem langen Faden wird ein stilisierter Tambour hereingefahren, während sein Nebenmann, der Bote, die französische Herrschaft verkündet.
Nach dem 3D-Spektakel: Ein zehn Minuten langer Zusammenschnitt von Bern-Impressionen ab Leinwand. Aufgeteilt in Kapitel wie «Bunter Fantasiecocktail» (Gurten-Festival, Jazz-Festival, Zibelemärit), «Weltumschlingende Sinnlichkeit» (Baden in der Aare) oder «Faszinierendes Flanieren» (Altstadt).
Sollte man nun enttäuscht sein, dass das Spektakel insgesamt eher dezent ausfällt? Kaum. Schliesslich werden in dieser Stadt gerne hochtrabende Begriffe benutzt, um eine bessere Durchschnittlichkeit aufzuhübschen: Der Regionalflugplatz wird Flughafen genannt, eine erfolgreiche Saison von «Ewigi Liebi» rechtfertigt den Titel «Musical-Stadt» und der Unterstand beim Bahnhof heisst «Baldachin». Die vielsprachige, dreifränkige «Bern Show» reiht sich da wunderbar ein. Als das vermutlich bodenständigste Spektakel, welches die Hauptstadt zu bieten hat.
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