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  • Wegen diesen Jugendlichen steht der Berner Bahnhof wohl kurz vor dem Kollaps.

  • Diese jugendlichen Delinquenten wagten es gegen den Kehrsatzer Gemeinderat zu rebellieren.

  • Wird Sicherheitsboss Nause den Berner Bahnhof vor dem Untergang bewahren?

  • Hier wird nach Feierabend hoffnunslos oft herumgestanden. Da hilft nur noch Repression!

Der Weg der relativierten Repression

Bern wird zurzeit von einer Law and Order-Welle überrollt. Wer jetzt aber gleich die UNO einschalten will, sieht die Sache zu dramatisch. Schliesslich sind repressive Gesetze völlig harmlos. Sie müssen nur richtig relativiert werden.

Kehrsatz hat den Stein ins Rollen gebracht. Oder besser gesagt: der eine Satz im Gesetzesartikel 21 Ziffer 3: «Jugendliche unter 16 Jahren dürfen sich zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr nur in Begleitung ihrer Sorgeverantwortlichen oder berechtigten erwachsenen Aufsichtspersonen im öffentlichen Raum aufhalten.» Doch halt, alles halb so wild. Denn der Kehrsatzer Gemeinderat hat inzwischen ein Relativierungs-Manöver ausgeführt – ein cleverer Schachzug, der wohl bald in jeder Exekutive Schule machen wird.

Relativiert betrachtet ist die Kehrsatzer Ausgangssperre nämlich ziemlich lässig. Denn eigentlich zähle sie gar nicht, ausser man macht Ärger. Das steht zwar so nicht im Gesetz, aber in Kehrsatz sieht man das nicht so eng. Da werden die Dinge eben völlig antibürokratisch und eher mit kommunenartiger Coolness genommen. Law and order war noch nie entspannter!

Nun droht die Welle der Repression nach Bern überzuschwappen. Brennpunkt Bahnhof. Dort, wo Jugendliche durch Herumstehen den Zugverkehr praktisch zum Erlahmen bringen. Dort, wo Alkohol laut Sicherheitsdirketor Reto Nause für eine «nicht so gute» Stimmung sorgt. Nun will Nause nicht nur dem Stimmungskiller Alkohol an den Kragen, sondern auch beim Bahnhofseingang für Ordnung sorgen. Beste Voraussetzungen also, um das Kehrsatzer Modell der relativierten Repression einzusetzen.

Nause könnte zum Beispiel die Prohibition in Bern einführen und dafür das Recht auf Versammlungsfreiheit streichen. Das würde ihn auf den ersten Blick als eine Art Bürgermeister, der über das Chicago der 20er-Jahre herrscht, erscheinen lassen. Dann muss freilich sofort relativiert werden: Eigentlich zählt die Prohibition gar nicht, ausser man will sich masslos betrinken. Und das Verbot auf Versammlungsfreiheit tangiert ja eigentlich nun wirklich niemand, ausser man will sich mit mehreren Personen gleichzeitig treffen. Die Umsetzung dieser Gesetze wäre also relativ unproblematisch.

Natürlich könnte nun auch die SBB zu einem Relativierungs-Manöver ausholen. Denn die Bahn will ihr Hoheitsgebiet ausweiten, um künftig auch auf dem Bahnhofplatz für Ordnung sorgen zu können. So könnte sie zum Beispiel alles zwischen Tibits und Sprüngli per Extrazug nach Sibirien zum Steine klopfen verfrachten. Das mag etwas drastisch klingen, aber schlussendlich muss sich ja eigentlich niemand vor dieser Massnahme fürchten. Ausser man befindet sich zwischen Tibits uns Sprüngli.

Nun könnte es aber zum Kampf zwischen der Stadt und der SBB um die Vorherrschaft am Berner Bahnhof kommen. Falls die Situation eskalieren sollte, stehen sich schlussendlich Nauses Einsatzkräfte und die Objektschützer der SBB in einem finalen Showdown gegenüber, durch nichts getrennt als einer kaum durchdringbaren Masse von «nicht so gut»-gestimmten, weil alkoholisierten Jugendlichen. Natürlich ruft das nun wiederum Ueli Maurer auf den Plan. Denn so ein Szenario wäre eine Gefahr für die innere Sicherheit. Also wird relativ repressiv die Armee aufgeboten. Klingt brutal, ist es aber eigentlich nicht. Schliesslich würde das Feuer nur auf jene eröffnet werden, die sich bewegen.

Ueli Maurer rettet also den Tag, am Bahnhof herrscht Ruhe und es bleibt nur noch die Frage offen, wo wir ohne Repression stehen würden. Um mit einem Zitat von der Gemeindepräsidentin von Kehrsatz zu enden: «Weitere Fragen werden dazu nicht beantwortet.»

Martin Erdmann

Martin Erdmann


Publiziert am 1. Februar 2013

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